Das Landgericht Stuttgart hat zwei Männer wegen eines brutalen Angriffs vor einer Corona-Demo zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/Bernd Weißbrod)

Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch

Landgericht Stuttgart: Mehrjährige Haftstrafen für brutalen Angriff bei "Querdenken"-Demo

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Junge Linke hatten Gewerkschafter des rechten "Zentrum Automobil" niedergeschlagen - ein Opfer lag im Koma. Dafür müssen die beiden Angeklagten einige Jahre in Haft.

Das Landgericht Stuttgart hat am Mittwochvormittag einen der beiden Angeklagten zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der zweite Angeklagte erhielt eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die der linken Szene zugerechneten Männer hätten sich der gefährlichen Körperverletzung, der schweren Körperverletzung und des Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht. Der Richter sagte, man habe es mit einem "sehr traurigen Fall" zu tun. Die beiden jungen Angeklagten seien ideologisch verblendet und hätten eine schwere Straftat begangen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Prozess fand im Hochsicherheits-Gerichtsgebäude in Stuttgart-Stammheim statt. Die beiden jungen Männer sollen aus einer Gruppe von schwarz Vermummten heraus die Mitglieder der rechten Gewerkschaft "Zentrum Automobil" überfallen haben. Drei Männer wurden verletzt, einer von ihnen lebensgefährlich. Der Mann lag einige Zeit im Koma.

Opfer waren auf dem Weg zu einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen

Die Tat hatte sich am 16. Mai 2020 im Umfeld einer "Querdenken"-Demonstration auf dem Cannstatter Wasen gegen Corona-Maßnahmen ereignet, zu denen die drei Angegriffenen unterwegs waren. Laut einer Zeugin soll das schwer am Kopf verletzte Opfer allerdings ebenfalls einen Schlagring getragen haben. Der Mann hatte das bestritten.

Staatsanwaltschaft forderte mehrjährige Haftstrafen für Angeklagte

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte für die beiden Angeklagten fünf beziehungsweise sechs Jahre Haft wegen gefährlicher schwerer Körperverletzung und Landfriedensbruch gefordert. Als entscheidende Beweismittel wurden DNA-Spuren angeführt. Diese wurden an einem Handschuh des einen Angeklagten sichergestellt und dem schwer am Kopf verletzten Opfer zugeordnet. An einer Reizgaspistole, die laut Zeugenaussagen bei der Tat auch als Schlagwaffe eingesetzt worden sein soll, wurde ein Haar des zweiten Angeklagten gefunden.

Die Verteidiger der Angeklagten hatten bezweifelt, dass dies eine ausreichende Basis für eine Verurteilung sei. Sie sahen einen unsachgemäßen Umgang mit Beweismitteln und die Möglichkeit einer daraus resultierenden Spurenübertragung durch Polizeibeamte. Die Anwälte hatten deshalb Freispruch gefordert.

Minister Strobl: Gewalt niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung

Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte anlässlich des Urteils: "Polizei und Justiz ermitteln Straftaten konsequent und ahnden diese hart, ganz gleich, mit welcher politischen Motivation sie begangen werden." Gewalt sei niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung. In unmittelbarer Nähe des Gerichtsgebäudes in Stuttgart-Stammheim solidarisierten sich mehrere Dutzend Demonstranten mit den Angeklagten. Der Protest sei friedlich verlaufen, sagte eine Polizeisprecherin.

Sympathisanten fordern vor der Urteilsverkündung vor dem Gerichtsgebäude in Stuttgart-Stammheim die Freilassung der beiden Angeklagten (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/Bernd Weißbrod)
Sympathisanten fordern vor der Urteilsverkündung vor dem Gerichtsgebäude in Stuttgart-Stammheim die Freilassung der beiden Angeklagten.

Politisch brisanter Prozess vor dem Landgericht

Sowohl die Angeklagten als auch die Opfer wurden von politischen Gruppierungen unterstützt. Vom Verfassungsschutz als "linksextremistisch" eingeschätzte Antifa-Gruppen führten regelmäßig Solidaritätsaktionen für die zwei jungen Männer durch. Auch die Ortsgruppe Stuttgart der sogenannten Rote Hilfe e.V. engagierte sich für die Angeklagten.

Die Opfer sollen enge Kontakte zur rechtsextremen Szene haben. Das "Zentrum Automobil" hatte einen Spendenaufruf gestartet, um die Täter zu ergreifen und den am schwersten verletzten Mann zu unterstützen. Das übrige Geld sollte in eine "Stiftung für Opfer linksextremistischer Gewalt" fließen. Der Anwalt eines der Opfer ist ein ehemaliger AfD-Kommunalpolitiker. Er wurde innerhalb der AfD der Gruppierung "Flügel" zugeordnet, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden war. Sie hat sich mittlerweile aufgelöst.

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SWR