Am Landgericht Stuttgart hat der Prozess gegen drei Angeklagte im sogenannten Stuttgarter Klinikskandal begonnen (Foto: SWR, Verena Neuhausen)

Dubiose Geschäfte um Behandlung arabischer Patienten

Landgericht Stuttgart: Mehrjährige Haftstrafen für Angeklagte im Stuttgarter Klinikskandal

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Am Freitag ist das Urteil im ersten Prozess zum Stuttgarter Klinikskandal verkündet worden. Zwei Angeklagte müssen wegen Korruption bei der Vermittlung von libyschen Patienten in Haft.

Nach dem Urteil das Landgerichts Stuttgart muss ein 51 Jahre alter Mann fünf Jahre ins Gefängnis. Ein 49 Jahre alter Angeklagter erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart liegt damit unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Anklagevertreter hatten Haftstrafen von sechs Jahren und zehn Monaten beziehungsweise dreieinhalb Jahren gefordert. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert.

Die beiden Männer waren wegen Untreue und Betrug angeklagt. In den Jahren 2012 bis 2015 hatten sie Patienten aus Libyen an das Klinikum Stuttgart zur Behandlung vermittelt. Sie hatten sie auch vor Ort betreut. Dabei sollen Kosten für medizinische Behandlung mit anderen Kosten abgerechnet worden sein.

Vorsitzender Richter findet deutliche Worte für ehemaliges Auslandsgeschäft

Es ist das erste Urteil, das zum Stuttgarter Klinikskandal gefällt worden ist. Wie das Stuttgarter Landgericht am Freitag ausführte, werden noch viele weitere Verfahren folgen. So seien die verurteilten 51 und 49 Jahre alten Männer nur ein Teil der Täter im Klinikskandal. Vor allem der ehemalige Leiter des Auslandsgeschäfts am Klinikum Stuttgart, Andreas Braun, sei ein weiterer Haupttäter. Er habe als Zeuge entscheidend in dem zu Ende gegangenen Prozess zur Aufklärung beigetragen, so das Gericht. Braun war zuvor Landesvorsitzender der Grünen in Baden-Württemberg gewesen. Das Gericht bezeichnete das Auslandsgeschäft im Klinikum Stuttgart mit libyschen Patienten von 2012 bis 2015 in der Urteilsbegründung als "unorganisiert, hemdsärmelig, chaotisch und dilettantisch". Vor diesem Hintergrund hätten über Jahre die Straftaten des Betruges und der Untreue stattfinden können. Wann gegen Braun und weitere Beschuldigte Gerichtsverfahren beginnen, ist noch offen.

Fingierte Rechnungen führten zu unberechtigten Zahlungen

In der Urteilsbegründung zitierte der Vorsitzende Richter beispielhaft aus der Kommunikation der Angeklagten mit Andreas Braun per Email und Textnachricht. Immer wieder sei daraus ersichtlich gewesen, dass das Klinikum aufgrund von fingierten Rechnungen Zahlungen leistete, zu denen es gar nicht rechtlich verpflichtet gewesen war. So seien über das Klinikum Taschengeld, Hotels und Wohnungen sowie Restaurantkosten abgerechnet worden, obwohl vertraglich nur medizinische Behandlung vereinbart gewesen waren. Der Vorsitzende Richter führte mehrfach aus, dass damit offenkundig Provisionszahlungen von 30 Prozent kaschiert worden sind. Der libysche Staat, vertreten durch seine Botschaft in Berlin, sei nicht informiert gewesen, dass von den Vorauszahlungen nach Stuttgart weit mehr als medizinische Behandlungskosten abgerechnet worden waren. Das Gericht zitierte zudem aus Einschätzungen der Ärzte am Klinikum. Demnach sei ein Großteil der knapp 400 libyschen Kriegsversehrten nicht stark behandlungsbedürftig gewesen. Nur wenige seien stationär aufgenommen worden. Viele seien demnach eher Touristen als Patienten gewesen.

Weiter unklar: Gesamtschaden für das Klinikum Stuttgart

Unklar ist, wie hoch der Schaden für das städtische Klinikum am Ende tatsächlich war. Aus Libyen war Geld vorgestreckt worden, das jedoch nicht alle tatsächlichen Kosten für Behandlung und Betreuung abgedeckt haben soll. Im Prozess war es nicht gelungen, Vertreter aus Libyen zu laden. Wegen der politischen Zustände in dem Land sei es auch nicht klar, ob dort jemand nachträglich noch zuständig und berechtigt sei, Nachforderungen zu stellen, sollte das Gericht in seinem Urteil noch Fehlbeträge feststellen, die Libyen zuständen.

Stuttgarter Klinikskandal: Weitere Ermittlungen laufen

Im Zuge der Aufdeckung des Stuttgarter Klinikskandals laufen laut Staatsanwaltschaft Stuttgart weitere Ermittlungen. So werde noch gegen mindestens drei andere Personen ermittelt, die auch bei der Patientenvermittlung und der Abrechnung dieser Geschäfte beteiligt gewesen sein sollen. Auch ehemalige Beschäftigte des Klinikums Stuttgart stehen im Fokus der Ermittler, wie der ehemalige Leiter der Abteilung für das Auslandsgeschäft, Andreas Braun, der mehrere Monate in Untersuchungshaft verbrachte. Auch ob der ehemalige Klinikchef Ralf-Michael Schmitz und andere Klinikmitarbeiter involviert waren, wird geprüft.

Razzien beim früheren Krankenhausbürgermeister

Offen ist ebenfalls, ob die Ermittlungen gegen politisch Verantwortliche zu einer Anklageerhebung führen. Dort geht es vor allem um die Rolle des ehemaligen Stuttgarter Krankenhausbürgermeisters Werner Wölfle (Grüne) und die seines Amtsvorgängers Klaus-Peter Murawski (Grüne). Kritiker hatten behauptet, dass letzterer sich auch nach seinem Wechsel in die Staatskanzlei als rechte Hand von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) noch in Vorgänge rund um das Auslandsgeschäft des Klinikums eingemischt haben soll. Wölfle hatte das Ende seiner Amtszeit als Bürgermeister der Landeshauptstadt im Krankenstand verbracht. Zuvor hatte es in seinem Büro und seiner Wohnung Razzien gegeben.

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SWR