In Böblingen treffen sich derzeit zahlreiche Bürgermeister aus der Ukraine und Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, um Städtepartnerschaften zu knüpfen und auszubauen. Organisiert wurde das Treffen unter anderem von Sindelfingens Oberbürgermeister Bernd Vöhringer (CDU). Die Beteiligten hoffen: Wenn sich Kommunen gegenseitig helfen, könne das den Austausch auf Regierungsebene ergänzen und zum Teil zu schnelleren und unbürokratischen Ergebnissen führen.
Ukrainische Bürgermeisterin zeigt Zerstörung in ihrem Ort
Natalya Petrenko ist eine von etwa 40 ukrainischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die für das "Strategic Municipal Forum" nach Böblingen gekommen ist. Sie ist Bürgermeisterin des ukrainischen Orts Shulhynka in der Region Luhansk und sagt, die Gemeinde sei derzeit von russischen Soldaten besetzt. In Böblingen zeigt Petrenko Videos von der Zerstörung in ihrem Ort auf dem Handy: Eingeworfene Fensterscheiben, Chaos im Inneren des Gebäudes und Schmierereien an den Wänden. "Die Schmierereien sind Sätze der russischen Armee, dass die Ukraine zu Russland gehöre und Russland gewinnen werde", übersetzt eine Dolmetscherin, während Petrenko das Video in Böblingen zeigt.

Der Umgang mit der russischen Besatzung
Inzwischen haben die Lokalpolitikerin Petrenko und die Stadtverwaltung ihre Arbeit nach eigenen Angaben nach Kiew verlegt. Von dort aus arbeiten sie online, um die Bewohner des Orts trotz der russischen Besatzung zumindest mit einigen städtischen Angeboten in den Bereichen Bildung und Medizin weiterhin zu unterstützen - so gut es eben geht. So beschreibt es die Bürgermeisterin bei dem Treffen in Böblingen.
"Ich brauche starke Partner, ich brauche europäische Partner."

Hoffnung auf Hilfe bei Wiederaufbau
Petrenko hofft bei dem Treffen in Böblingen darauf, dass eine Partnerschaft mit einer Kommune in der EU für ihre Ortschaft hilfreich beim Wiederaufbau nach dem Krieg sein könnte. "Auf Regierungsebene gibt es zu viele bürokratische Prozesse, die man auf Stadtebene nicht hat", übersetzt eine Dolmetscherin Petrenkos Haltung zu diesem Thema.
"Meine Vision ist, dass wir zeigen, dass Luhansk und Donezk europäische Städte sind."
Petrenko hofft auf ein Ende der russischen Besatzung - und darauf, dass die Bewohner der besetzten Städte und Gebiete sich dann der Ukraine zugehörig fühlen. Derzeit sei die Lage in ihrem Ort aber sehr schwierig. Die russischen Besatzer hätten die Verbindungen der Stadt gekappt. "Die Menschen warten auf ihre Freiheit", wird Petrenko in Böblingen übersetzt.
Vöhringer: Langfristige Perspektive wichtig
Petrenkos Erzählungen zeigen, dass es bei dem Treffen neben dem Austausch zu konkreten Hilfstransporten zwischen den Kommunen noch um etwas anderes geht: die Hoffnung der ukrainischen Städte und Gemeinden auf Unterstützung aus der EU beim Wiederaufbau nach dem Krieg.
Die langfristige Perspektive der Städtepartnerschaften betont auch der Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer, der das Treffen mitorganisiert hat. Zum einen gehe es zwar um bedarfsorientierte, schnelle Hilfe für Kommunen in der Ukraine. "Die Kollegen sagen uns, was sie ganz konkret brauchen und wir versuchen, das zu beschaffen", sagt Vöhringer.
Zum anderen sieht er die Kommunen in Deutschland aber auch gefordert, wenn es um die Zeit nach dem Krieg geht. "Wir sehen natürlich auch die lange Perspektive, wenn es um den Wiederaufbau geht. Auch da setzen wir auf Städtepartnerschaften, weil man sich im fachlichen Austausch gegenseitig unterstützen kann", so Vöhringer.

"Für den Weg der Ukraine nach Europa, in die europäische Union, ist es sicher sehr gut, wenn Kommunen in der Ukraine und in Europa zusammenarbeiten."
Um Hilfe zwischen deutschen und ukrainischen Städten zu verstärken, hatte die Stadt Sindelfingen schon vergangenes Jahr die Online-Plattform "Cities 4 Cities" - auf deutsch "Städte für Städte" - gegründet. Dort können Kommunen Hilfsangebote oder -gesuche registrieren, um so im jeweils anderen Land Städtepartner zum Austausch zu finden. Einer der Hauptinitiatoren des Forums nun war die Partnerplattform von "Cities 4 Cities", "United 4 Ukraine". Die beiden Initiativen haben am Rande des Forums eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Finanziert wurde die Veranstaltung in weiten Teilen von USAID, der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit.