Mit der Verleihung des Theodor Heuss Preises war schon immer eine klare politische Botschaft verbunden. Frühere Preisträger waren beispielsweise der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der Schriftsteller Günter Grass oder der katholische Theologe Hans Küng. In diesem Jahr geht der Preis an die älteste russische Menschenrechtsorganisation, Memorial International, und ist damit für die ehemalige FDP-Bundesjustizministerin und diesjährige Laudatorin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein ganz besonderes Signal.
Die Laudatorin forderte zudem, dass die Politik die Menschenrechte leben müsse. Sie seien die Wertegrundlage der Demokratie und des Zusammenlebens in Europa. Menschenrechtspolitik sei daher immer eine "befugte Einmischung". Der Theodor Heuss Preis wolle in diesem Sinne den ausgezeichneten Organisationen eine Stimme geben.
Memorial benennt altes und neues staatliches Unrecht
Memorial-Mitbegründerin Irina Scherbakowa erläuterte die Bedeutung, die die Arbeit von Memorial International in Russland habe. Die Organisation versuche, den etwa zwölf Millionen Opfern der Stalinherrschaft ein Gesicht zu geben. Sie dokumentiere und benenne auch neues staatliches Unrecht. Es sei für die Einzelnen und für die Gesellschaft wichtig, dass Massenverbrechen nicht als Einzelfälle betrachtet würden. Das gelte nicht nur für Russland.
Eine starke Zivilgesellschaft sei die einzige Waffe gegen den Verlust von Freiheit, Menschenrechten und Demokratie. Sich an eine Diktatur oder Autokratie anzupassen, um es ruhiger und gemütlicher zu haben, mache hilflos. Das treffe nicht nur auf den einzelnen Bürger zu, sondern auch auf Wirtschaft und Politik, so Irina Scherbakowa .
Ministerpräsident Kretschmann sieht dramatische Aktualität
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nannte Memorial in einer Videobotschaft bei der Preisverleihung einen Leuchtturm der Menschenrechtsarbeit. Das Thema habe durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dramatisch an Aktualität gewonnen.
Auch russische Journalistin und Aktivistin ausgezeichnet
Vier Theodor Heuss Medaillen, die dem Preis ebenbürtig sind, wurden ebenfalls verliehen. Sie gingen an Al-Jumhuriya, eine unabhängige Nachrichtenplattform aus Syrien und an NSU Watch, eine Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten, die die Aufklärungsarbeit zur rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) kritisch begleitet und dokumentiert. Ausgezeichnet wurden auch die Organisatorinnen und Organisatoren des "Frankfurt Słubice PRIDE" und Olga Romanowa, eine russische Journalistin und Aktivistin von "Russland hinter Gittern".