LKA: "Deswegen ist man nicht dumm"

Fake-Anruf von Europol/Interpol: So verliert ein junger Stuttgarter 500 Euro durch Betrug

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Sandra Kolnik
Sandra Kolnik (Foto: SWR, SWR - Foto: Alexander Kluge)

Oft hört man von Rentnern, die von angeblichen Enkeln abgezockt werden. Doch Telefon-Betrug betrifft auch Jüngere. Ein Stuttgarter erzählt, wie Kriminelle an sein Geld kamen.

Stipe (Name geändert) ist 39 Jahre alt, lebt in Stuttgart und hat durch Telefon-Betrüger 500 Euro verloren. Heute fragt er sich immer wieder, wie ausgerechnet ihm das passieren konnte. Die Sache ist ihm peinlich, deshalb möchte er anonym bleiben.

Als vor ein paar Wochen sein Smartphone klingelt, zeigt das Display eine unbekannte Nummer an. Eine Ansage vom Band kündigt ihm einen Anruf von der internationalen Polizeibehörde Interpol an. Dann meldet sich eine Frau.

Stipe hat Sandra Kolnik seine Geschichte auch fürs SWR-Radio erzählt:

"Sie hat meinen Namen und Nachnamen genannt und dann die Nummer von meinem Personalausweis."

Stipe hat keine Ahnung, woher die Frau diese Angaben hat. Doch gerade wegen dieser Details wirkt es auf ihn in diesem Moment glaubwürdig. "Die haben aber auch so gut gesprochen, das war wirklich profimäßig gemacht", sagt er heute über den Anruf. Die Glaubwürdigkeit sorgt dafür, dass Stipe auch die folgende Geschichte am Telefon für echt hält.

Fake: "Interpol" erzählt von Schwarzgeld-Vorwürfen

Die Geschichte geht so: Stipe erfährt von den angeblichen Beamten am Telefon, dass Betrüger unter Stipes Namen angeblich Schwarzgeld in Höhe von 200.000 Euro über die USA nach Mexiko verschieben. Um das Geld auf seinem Konto zu schützen, raten ihm die angeblichen Interpol-Polizisten, Guthabenkarten in einem Discounter zu kaufen. "Sie haben gesagt, am nächsten Tag würden Polizisten kommen, die Karten scannen und das Geld sofort zurück auf mein Konto geben", erinnert sich der 39-Jährige.

Stipe gibt schließlich 500 Euro für die Guthabenkarten aus. Es kommen – natürlich – keine Polizisten bei ihm vorbei. Stattdessen bekommt Stipe einen Anruf. Dabei gibt er den Menschen am anderen Ende der Leitung die Nummern der gekauften Guthabenkarten durch. Sie können dadurch das Geld erbeuten.

"Ich war nicht ich selbst in diesem Moment."

Stipe weiß rückblickend, dass sein Handeln für Außenstehende wohl abenteuerlich klingt. Doch für ihn war es in dem Moment ein Ausweg aus einer furchtbaren Situation, aus der Angst, in Schwarzgeld-Betrügereien verwickelt zu werden.

Betrugsmasche: Fake-Beamte setzen auf Angst und Druck

Janina Liedermann vom Landeskriminalamt in Stuttgart kennt viele Fälle von Menschen wie Stipe.

"Die Leute sind in einem Tunnelblick."

Die Opfer der Europol-/Interpol-Masche haben nach Angaben der LKA-Expertin entweder Angst, stehen unter Schock – "oder sie sind so von der Geschichte gefangen, dass sie gar nicht mehr richtig nach rechts und links denken können", berichtet Liedermann. Das passiere nicht nur Seniorinnen und Senioren, die oft von angeblichen Enkeln am Telefon abgezockt werden, sondern sei in jedem Alter möglich.

Außerdem sind die Betrüger offenbar kreativ: Warnen Behörden vor einer Masche wie dem Enkeltrick, verändern die Kriminellen ihr Vorgehen und erwischen damit die nächsten. "Es ist keine Schande, darauf reinzufallen", sagt Janina Liedermann.

"Und es ist auch nicht so, dass man deswegen dumm ist."

Es sei verständlich, dass sich Opfer anschließend dumm vorkämen. "Aber die Täter agieren hochprofessionell, die sind alle geschult, was Gesprächsführung angeht. Die wissen genau, was sie tun und welche Knöpfe sie drücken müssen", nimmt Liedermann gegen den Verdacht in Schutz, zu leichtgläubig gewesen zu sein.

Eltern oder Großeltern betrogen Whatsapp-Betrug: Enkeltrick via Messengerdienst

Für den Enkeltrick nutzen Betrüger auch Messengerdienste: Man erhält Nachrichten auf Whatsapp, angeblich von der neuen Handynummer des Kindes, das vermeintlich in Geldnot ist.

Marktcheck SWR Fernsehen

Nach Betrügern am Telefon schnell die Polizei informieren

Wenn es aber doch passiert ist, ist es wichtig, sofort die Polizei zu informieren und eine Anzeige zu erstatten. Wer Geld überwiesen hat, sollte sich auch sofort an die Bank wenden. Da komme es auf jede Minute an, warnt Liedermann.

"Je schneller sie das machen, desto besser stehen die Chancen."

Stipe hat seinen Fehler leider zu spät bemerkt. Die Aktion mit den Guthabenkarten kann er nicht mehr rückgängig machen, seine 500 Euro wird er wohl nie wieder sehen.

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