
Unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zeitungsgruppe Stuttgart geht die Angst um. "Wir sind schockiert. Uns treibt die tiefe Sorge um, dass der Abbau von 55 Stellen und das neue verlegerische sowie redaktionelle Konzept unsere Zeitungen und Online-Angebote so beschädigen, dass sie weder wirtschaftlich eine Zukunft haben noch ihren politisch-gesellschaftlichen Auftrag erfüllen können." So heißt es in dem Brief, den die Beschäftigten an die Geschäftsführung geschrieben haben und der dem SWR vorliegt.
Ressorts werden aufgelöst
Mitte Januar hatte die Muttergesellschaft SWMH mitgeteilt, dass bis zu 55 Arbeitsplätze abgebaut würden. Das entspricht knapp 20 Prozent der Stellen. Als Grund nannte die SWMH niedrigere Anzeigeneinnahmen sowie stark gestiegene Papierpreise. Aus dem aktuellen Schreiben der Beschäftigten geht hervor, dass die SWMH angekündigt habe, "dass eine weitere Reduzierung von Stellen für die Ressorts 'nicht mehr zumutbar gewesen' sei. Deshalb würden sie aufgelöst."
"Die Abschaffung der Ressorts halten wir für eine strukturelle und inhaltliche Katastrophe."
In den Ressorts würden sich Expertise und Kenntnisse bündeln, nur so könnten die entsprechenden Redaktionen schnell, flexibel und effizient reagieren, heißt es in dem Brandbrief. Die Abschaffung würde die Qualität der Produkte weiter vermindern.
Geplant ist außerdem, Journalisten künftig in tariflosen Gesellschaften zu beschäftigen, um Personalkosten zu sparen. Gegen diese Pläne kündigten die Gewerkschaften bereits einen intensiven Kampf an. Gerade in einer Region mit Lebenshaltungskosten wie rund um Stuttgart dürfe es nicht sein, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter außerhalb der vereinbarten Tarife beschäftigt werden.
Der Lokalteil bindet Leser
Auch die Lokalteile der Zeitungsgruppe sollen ausgedünnt werden. Zu dieser Gruppe gehören die Stuttgarter Zeitung, die Stuttgarter Nachrichten, die Backnanger Kreiszeitung, die Leonberger Kreiszeitung, die Esslinger Zeitung und der Böblinger Bote. Eine alarmierende Entwicklung, so die Einschätzung der Beschäftigten: "Gerade bei den Lokalzeitungen wirkt sich eine Reduzierung des Regionalteils, insbesondere beim Lokalsport, verheerend aus. Denn der Lokalteil macht unsere Zeitungen lesens- und kaufenswert - und genau dieser Teil soll gekürzt werden? Das ist wirtschaftlich riskant und ergibt aus unserer Sicht keinen Sinn."
Nach den Plänen der Verleger sollen die Redaktionen der verschiedenen Zeitungen künftig enger zusammenarbeiten und so beispielsweise Inhalte der Esslinger Zeitung auch in der Stuttgarter Zeitung erscheinen. Außerdem sollen sich die Zeitungen mehr in Richtung Online-Journalismus orientieren.
Medien: Die unverzichtbare vierte Macht
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen mit diesen Beschlüssen nicht nur die wirtschaftliche Zukunft ihrer Zeitungen, sondern auch den Qualitätsjournalismus in Gefahr. Auch die Gewerkschaften dju, ver.di und der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierten den Stellenabbau scharf. Eine starke Demokratie brauche eine starke Presse, das gehe nur mit einer gut ausgestatteten Redaktion.

Im Januar hatten sich, nach Bekanntwerden der geplanten Stellenstreichungen bereits fünf Landräte mit einem Brandbrief an den Medienkonzern SWMH gewandt. Roland Bernhard (Böblingen), Heinz Eininger (Esslingen), Edgar Wolff (Göppingen), Dietmar Allgaier (Ludwigsburg) und Richard Sigel (Rems-Murr) beschrieben ihren Eindruck, dass die Pressebänke bei Pressekonferenzen, Sitzungen oder Veranstaltungen immer spärlicher besetzt wären. Die Kommunalpolitik würde in der öffentlichen Wahrnehmung immer mehr verschwinden. Es brauche einen starken Lokaljournalismus, hieß es im Brief der Landräte, sonst würde die Kommunalpolitik nicht mehr verstanden. Auch die Fraktion der Grünen im Stuttgarter Landtag kritisierte den geplanten Stellenabbau.
Beschlossen ist beschlossen. Wirklich?
Aus der Geschäftsführung sei zu hören, hieß es aus Insiderkreisen gegenüber dem SWR, dass das neue Konzept und der Stellenabbau seien nicht mehr zu ändern. Die Gesellschafter hätten das so beschlossen. Die Gewerkschaften wollen es dennoch versuchen, ebenso die Beschäftigten: Der Brief, den rund 80 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschrieben haben, endet mit einem eindringlichen Appell: "Wir halten das Streichen von 55 Stellen und den Umbau der Redaktion für ungeeignet, die Zukunft zu sichern. [...] Lassen Sie ab von diesem radikalen Kurs!"