Infolge des Oberleitungsschadens vom Samstag am Stuttgarter Hauptbahnhof bleibt der Bahnverkehr bis auf Weiteres gestört. Mit Hochdruck werde repariert, sagte Bahnsprecherin Ursula Eickhoff dem SWR. Die Bahn hatte ursprünglich angekündigt, dass die Einschränkungen mindestens bis Donnerstag andauern würden. Aber auch weiterhin müssen Züge umgeleitet werden. "Wir entschuldigen uns ausdrücklich bei unseren Fahrgästen für die Einschränkungen, die noch weiterhin bestehen", so Eickhoff weiter. Wie lange die Einschränkungen bleiben werden, lasse sich noch nicht absehen. Lediglich beim S-Bahn-Verkehr ist Besserung in Sicht: Ab Samstag sollen die S-Bahnen wieder nach regulärem Fahrplan verkehren.
Bahn geht von einem Vogelschlag am Hauptbahnhof Stuttgart aus
Ein Vogel, der am Samstag in die Oberleitung geflogen ist, könnte die Ursache für den Oberleitungsschaden gewesen sein, so die Bahnsprecherin. Das wurde auch von Bahnmitarbeitern dem SWR bestätigt. Nach SWR-Recherchen soll die Oberleitung dadurch gerissen und in ein ungeerdetes Signal gefallen sein. Da der Stromschlag dadurch nicht in die Erde abfließen konnte, wurde eine Kurzschlusskettenreaktion ausgelöst.
Gastel: "Ungewöhnlich, dass Kurzschluss solche Folgen hat"
Auch Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, ist irritiert über die Folgen, die der Kurzschluss ausgelöst hat. "Ein Signal ohne Erdung ist ein Installationsfehler," sagte Gastel dem SWR. So etwas dürfe eigentlich gar nicht vorkommen. "Wir haben aber natürlich im gesamten Netz in Deutschland viel zu geringe Investitionen in die Instandhaltung." Ein Problem sei, dass die Bahn selbst für Reparaturen im Netz aufkommen muss. Wenn allerdings im Netz Einrichtungen ausgetauscht, also komplett ersetzt werden müssen, ist der Bund dafür zuständig. "Das bedeutet es gibt Fehlanreize, auf sinnvolle und notwendige Sanierungen zu verzichten." Das könnte auch in Stuttgart passiert sein, so Gastel.
Verkehrsclub Deutschland ist nicht verwundert, dass es länger dauert
Matthias Lieb vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist nicht überrascht, dass die Reparaturen in Stuttgart weiterhin anhalten. "Ich bin nicht darüber verwundert, dass die Schadensbehebung länger dauert. Weil diese Schäden doch gravierend sind." Das Stellwerk sei über 40 Jahre alt und es gebe auch nicht mehr so viele Techniker, die diese alte Technik noch kennen würden. Man spüre aber auch, dass die Bahn mit Nachdruck versuche, die Probleme in den Griff zu bekommen.
Dafür werde die Situation für Reisende etwas entspannter, so Matthias Lieb weiter. Vor allem am Wochenende sei die Informationslage der Bahn noch sehr schlecht gewesen. Aber: "Es hat sich inzwischen eingespielt, die Pendler wissen, welche Züge fahren und welche nicht." Dennoch bleibe es für viele Reisende umständlich, etwa wenn sie für einen ICE erst mal nach Esslingen oder Vaihingen an der Enz fahren müssen. "Man muss sich auf der Bahn-App entsprechend informieren und mehr Zeit mitbringen."
Stuttgarter Bahnhofsmanager: "Pauschalkritik finden wir schade"
Den Vorwurf, dass die Kunden schlecht informiert wurden, muss sich jetzt vor allem die Bahn gefallen lassen. Diese weist die Vorwürfe zurück: "Wir waren vor Ort, wir standen an den Gleisen", sagt Nikolaus Hebding, Bahnhofsmanager in Stuttgart, dem SWR. 240.000 Kundinnen und Kunden seien täglich im Hauptbahnhof unterwegs. Als Hebding am Samstagmorgen von den Störungen erfuhr, seien sofort Telefonkonferenzen einberufen worden. "Da habe ich dann auch erkannt, dass das länger dauern wird. Das wird in den nächsten vier Stunden nicht behoben sein."
Daraufhin seien Mitarbeitende sofort an die verschiedenen Stuttgarter Bahnhöfe gefahren, um vor Ort zu sein. Auf die Frage, warum die Fahrgäste anfangs nur spärlich informiert wurden, antwortet Hebding: "Die Sicherheit geht in so einem Fall vor. Da muss erst mal geschaut werden, welcher Zug ist wo liegen geblieben. Insgesamt waren wir mit 40 Mitarbeitern im Einsatz, um dann die Fahrgäste informieren zu können." Darüber hinaus sei auch über die Anzeigentafeln kommuniziert worden, dass die Züge ausfallen. "Wir haben am Wochenende auch einen ICE in den Bahnhof gestellt, damit die Menschen irgendwo übernachten konnten, als keine Züge gefahren sind."
Oberleitungsschäden legen Zugverkehr normalerweise nur für Stunden lahm
In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer mal wieder Zugausfälle wegen eines Oberleitungsschadens. In Mannheim kam 2006 ein "Unglücksrabe" zwischen die Oberleitung und den Stromabnehmer einer S-Bahn. Die Folge: Zwei Stunden Stromausfall am Mannheimer Hauptbahnhof, 76 Züge standen still, insgesamt sammelten sich etwa 2.000 Minuten Verspätung innerhalb dieser Zeit an. Den gesamten Tag zogen sich die Verspätungen fort. Auch in Hannover sorgte 2010 ein Vogel für zahlreiche Zugausfälle und Verspätungen.
Die wohl beeindruckendste Störung aber ereignete sich in der Schweiz im Juni 2005. Da vermeldeten die Schweizer Bundesbahnen (SBB): "Die SBB haben am Mittwochabend den Zugverkehr in der ganzen Schweiz eingestellt." Der Grund: Ein Kurzschluss an einer Übertragungsleitung hatte zu einer fatalen Kettenreaktion geführt. 1.500 Züge standen im gesamten Land still. Ein bisher einmaliger Vorfall. Erst nach zwei Stunden und nur schrittweise konnten das Stromnetze wieder aktiviert werden.
Die aktuellen Vorkommnisse in Stuttgart unterscheiden sich aber in einem Punkt: Bisher ist kein vergleichbarer Fall bekannt, bei dem durch einen Oberleitungsschaden und Kurzschluss über Tage der Zugverkehr beeinträchtigt war.