Knapp 2.000 Menschen haben am Mittwoch in Stuttgart gegen den Ukraine-Krieg und für Frieden demonstriert. Die Kundgebung im Oberen Schlossgarten fand im Rahmen des Deutschen Katholikentags statt.
Fast alle Teilnehmenden der Friedenskundgebung, darunter auch Rentnerinnen und Rentner, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern mit ihren Kleinkindern, trugen Schals in den Farben der Ukraine, manche schwenkten Fahnen. Die 14-jährige Johanna Böhm kam mit ihrer Mutter aus Ulm, um ein Zeichen zu setzen: "Damit man sieht, wie viele Menschen es wichtig finden, Frieden zu haben."
Ukrainischer Pfarrer: "Wir weinen jeden Tag"
Unter den Teilnehmern der Kundgebung waren auch Menschen aus der Ukraine wie Roman Wruszczak, Pfarrer der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. "Wir leiden mit der Ukraine, wir weinen jeden Tag. Ich persönlich auch. Es gibt Tage, da fällt es mir schwer, die Liturgie zu zelebrieren."
Die Stimmung war emotional, auch auf der Bühne. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, kamen die Tränen, als sie die Menschen in der Ukraine direkt ansprach: "Wir teilen ihre Trauer über die vielen Toten und Verwundeten."
Mehr deutsche Waffen für die Ukraine? Bischof Fürst sagt Ja
Die Erzählungen einer Frau aus Butscha, die mit ihrer Tochter nach Deutschland fliehen konnte, nahmen das gesamte Publikum spürbar mit. Der Landesbischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, sprach sich für Waffenlieferungen an die Ukraine aus: "Ich beobachte, dass sich da einiges verzögert, und es ist aber dringend notwendig, dass weiterhin vieles, das notwendig ist für die Selbstverteidigung, auch geliefert wird. Das ist Einsatz für den Frieden, wenn man dem Aggressor Widerstand entgegenbringt.“
Waffen liefern, ja oder nein - was hilft am besten für dauerhaften Frieden in der Ukraine? Diese Frage trieb erkennbar viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung um. Während die einen Waffen für keine Lösung halten und auf Verhandlungen hoffen, sprechen sich andere klar dafür aus. Man müsse demjenigen helfen, der angegriffen werde und am Boden liege, sagte ein Teilnehmer dem SWR.
Protestierende fordern von Kanzler Scholz mehr Waffen für die Ukraine
Rund eineinhalb Kilometer von der Friedensdemo entfernt waren rund 200 Menschen klar dafür, der Ukraine mehr Waffen zu liefern. Vor der Stuttgarter Liederhalle forderten sie mehr deutsche Unterstützung. In der Halle hielt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Rede. In Sprechchören riefen die Demonstrantinnen und Demonstranten "Arm the Ukraine now", also "Bewaffnet die Ukraine jetzt". Auf Plakaten kritisierten sie, die Waffenlieferungen kämen nicht schnell genug an.
Kanzler Scholz steht zu Waffenlieferungen an die Ukraine
In der Liederhalle verteidigte Kanzler Scholz als Gast des Katholikentags die Position der Bundesregierung. Russlands Präsident Wladimir Putin dürfe mit seinem "zynischen menschenverachtenden Krieg nicht durchkommen", sagte er.
Daher gebe es harte Sanktionen gegen Russland sowie humanitäre, wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung für die Ukraine. "Und daher auch die Lieferung von Waffen in ein solches Kriegsgebiet - etwas, das wir als Bundesrepublik noch nie getan haben."
Veranstaltung in der Stuttgarter Liederhalle Bundeskanzler Scholz beim Katholikentag 2022: Putins Krieg ist Angriff auf Friedensordnung
Der Kanzler hat in einer Rede den russischen Angriffskrieg verurteilt. Deutschlands sei zur Unterstützung der Ukraine verpflichtet. Das Recht des Stärkeren dürfe sich nicht durchsetzen.
Kritik: Scholz hat zu spät reagiert
Kritiker werfen Scholz vor, er habe sich in der Debatte über schwere deutsche Waffen für Ukraine zu zögerlich verhalten. Diese Kritik spiegelte sich auch auf Plakaten bei der Demo vor der Stuttgarter Liederhalle wider.
Waffenforderungen bei Kirchentagen sind eher ungewöhnlich
Dass Demonstrierende am Rande eines Kirchentags Waffen fordern, ist ein neues Phänomen. Denn bisher waren derartige Veranstaltungen der katholischen wie auch der evangelischen Kirche davon geprägt, dass Aktivisten dort stattdessen zu Abrüstung aufriefen. Die Kirchen in Deutschland sind eng mit der deutschen Friedensbewegung verbunden.