Nach den Weihnachtsferien ist am Montag in Baden-Württemberg wieder der Unterricht gestartet. Aufgrund der Corona-Pandemie gab es jedoch in den meisten Fällen Homeschooling statt Präsenzunterricht. Das Land nutzt dafür unter anderem die Lernplattform Moodle. Doch diese hatte am Montagmorgen offenbar mit Störungen zu kämpfen.
Auf der Internetplattform "netzwelt.de", die solche Meldungen sammelt, waren bundesweit nur vereinzelte Störungen verzeichnet, Baden-Württemberg jedoch komplett als rote Zone markiert. Im Netz berichten zahlreiche Nutzer von Problemen. Demnach funktionierte entweder der Login nicht oder die Seite wurde nicht oder nur unvollständig geladen. In den sozialen Netzwerken, aber auch auf anderen Kanälen wie dem Studiofeedback von SWR1 Baden-Württemberg beschwerten sich zahlreiche Lehrer und Eltern.
Lehrer und Schulen mit stressigem Tag
Wie am Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium in Hockenheim (Rhein-Neckar-Kreis) dürfte es stellvertretend für viele Schulen ab dem Vormittag gelaufen sein. Ein Arbeiten über Moodle sei nicht möglich gewesen, so Lehrer Frank Becker im SWR. "Der Zugriff war zu stark im ganzen Land, so dass man leider nicht mehr rein kam", schilderte er seinen Vormittag. Bei anderen Programmen wie der "Alfaview" Videokonferenz habe der Ton nicht funktioniert und man habe improvisieren müssen.
Zahlreiche Anrufe seien im Sekretariat der Schule eingegangen, so Schulleiterin Anja Kaiser. Entsprechend seien die Telefone heiß gelaufen, "und wir konnten leider nicht weiterhelfen und nur sagen, dass wir alle etwas Geduld brauchen", berichtet Kaiser von einem stressigen Tag. Die Stadt Hockenheim habe auf die zunehmende Digitalisierung der Schulen bereits vorab reagiert und beschäftige laut einer Stadtsprecherin seit September 2020 einen IT-Koordinator, der nur für Einrichtung eines einheitlichen Lernsystems aller sechs Schulen in Hockenheim verantwortlich ist.
Auch in Oberschwaben streikte das System. "Die Technik hat teilweise funktioniert, aber im großen Teil nicht, so dass das System, mit dem wir arbeiten, teilweise zusammengebrochen ist", erzählte Susanne Lutz, die Rektorin des Ravensburger Spohn-Gymnasiums. "Die Kinder konnten sich nicht anmelden, sie konnten nicht in das System hineingekommen." Probleme meldeten auch zahlreiche weitere Schulen in ganz Baden-Württemberg, darunter in der Region Heilbronn-Franken, rund um Tübingen und Rottenburg, in Ostwürttemberg und Ulm, am Bodensee, um Karlsruhe oder in der Region um Stuttgart.
Kultusministerium: 200 Schulen betroffen - Probleme identifiziert
Das Kultusministerium hat inzwischen mit einer Stellungnahme reagiert. "BelWü als Moodle-Betreiber hat im technischen Monitoring 200 betroffene Schulen identifiziert und die jeweiligen Probleme identifiziert", heißt es in der Pressemitteilung. "In weiten Teilen Baden-Württembergs und bei der überwiegenden Mehrheit der Schulen funktioniert Moodle jedoch störungsfrei."
Die Probleme sollen "im Laufe des Tages" (Montag) behoben werden. Das Kultusministerium analysiere mit dem Betreiber den Bedarf weiterhin laufend. Zudem solle es Optimierungen über Nacht geben. Den betroffenen Schulen und Nutzern stehe ein Moodle-Support mit erweiterter Kapazität zur Verfügung. Darüber hinaus seien Anwenderfortbildungen auf Abruf verfügbar.
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) reagierte am Montagnachmittag ebenfalls auf die anhaltende Kritik am verpatzten Start nach den Weihnachtsferien. Im "BZ-Talk" der Badischen Zeitung betonte Eisenmann, dass Moodle nicht ausgefallen sei. "Wir haben an einigen wenigen Standorten tatsächlich Nutzerprobleme, die wir momentan beheben. Aber im überwiegenden Teil Baden-Württembergs, in der Größenordnung von 80 Prozent, hat es ohne Funktionsstörungen funktioniert", sagte die Spitzenkandidatin der CDU für die im März anstehende Landtagswahl. Meldungen, wonach Baden-Württemberg eine rote Zone im Ausfall der Lernplattform gewesen sei, bezeichnete Eisenmann als "Falschmeldung."
Stotter-Start in den Online-Unterricht Neben technischer Ausstattung "fehlt für die Schulpolitik in Corona-Zeiten ein klares Konzept"
Den ersten Schultag nach den Weihnachtsferien hatten sich Schüler, Lehrer und Eltern sicher anders vorgestellt. Der verpatzte Start rund um die Bildungsplattform Moodle sei aber nicht das einzige Problem, kommentiert SWR-Redakteur Knut Bauer. mehr...
Kritik von Opposition und Verbänden
SPD und FDP äußerten zum Schulstart erneut Kritik an der Bildungspolitik Eisenmanns: "Die Kultusministerin hatte über neun Monate Zeit, um ein funktionierendes Fernlernsystem auf die Beine zu stellen", sagte SPD-Generalsekretär Sascha Binder. "Aber sie war vermutlich einfach zu beschäftigt mit ihren Wahlkampfveranstaltungen." FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf Kultusministerin Susanne Eisenmann und Digitalminister Thomas Strobl (beide CDU) Totalversagen vor. "Früher hieß es: Wir können alles außer Hochdeutsch! Heute heißt es: Wir können alles außer Schule und impfen!", sagte Rülke in Anlehnung an eine Werbekampagne des Landes.
Auch einzelne Verbände haben auf die Störungen reagiert. "Das war zu erwarten", hieß es vom Landeselternbeirat Baden-Württemberg, dass zum Auftakt des Fernlernens die Server überlastet sind und die Schüler nicht auf die Lernplattform Moodle zugreifen können. Doch im Laufe des Vormittags (Montag) habe sich das System stabilisiert bestätigte auch der Landeselternbeirat. Er kritisiert, dass offenbar geworden sei, dass das Kultusministerium weder in den Sommer-, noch in den Herbst- oder Weihnachtsferien nachjustiert habe.
Doch neben den Startschwierigkeiten in Bezug auf digitales Lernen gibt es auch noch weitere Probleme: Eines davon ist unter anderem das "mangelnde Gespräch" zwischen dem Kultusministerium und den Schulen, so das Fazit von Petra Rietzler, stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats Baden-Württemberg, nach dem ersten Schultag:
Forderung nach mehr Serverkapazität
Die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, hat die Kultusministerinnen und -minister der Länder aufgefordert, den Digitalunterricht an Schulen stärker zu fördern. Im SWR sagte sie am Montagmorgen, man brauche eine Serverkapazität, "die sich bisher niemand vorgestellt hat", wenn alle elf Millionen Schülerinnen und Schüler morgens um acht Uhr mit dem Digitalunterricht beginnen wollten. Es müsse deshalb ein Zusammenspiel geben zwischen "digitalen Lernvoraussetzungen, wo sie jetzt schon gegeben sind, und analogem Lernen".
Moodle steht weitere Belastungsprobe bevor
Die Moodle-Server dürften noch einige Zeit beansprucht werden. Nicht nur schalten sich in den kommenden Tagen immer mehr Schulen in anderen Bundesländern auf, darunter auch Nordrhein-Westfalen. Fernunterricht steht zudem in allen Bundesländern und den meisten Schularten bis mindestens Ende Januar auf dem Stundenplan. Nur für die Kitas und Grundschulen sowie für Abschlussklassen will Baden-Württemberg einen Sonderweg einschlagen und möglichst am kommenden Montag Präsenzunterricht anbieten.
Kultusministerium BW musste bereits nachbessern
Das baden-württembergische Kultusministerium hatte die Plattform Moodle verbessern müssen, nachdem sie im Frühjahr 2020 überlastet gewesen war. Bildungsverbände hatten das Ministerium kritisiert, weil das System nicht an jeder Schule genutzt wurde. Der Philologenverband dagegen lobte die Nutzung zuletzt.
Zum Jahresanfang gab es bereits ähnliche Probleme mit der Lernplattform in Rheinland-Pfalz. Die Landesregierung nannte hier Hackerangriffe als Ursache. Im aktuellen Fall spricht das baden-württembergische Kultusministerium von einem "Überlastproblem". Hacker hatten in Baden-Württemberg nicht die Hände im Spiel.