Figen Topal steht in ihrer Wohnung in Ebersbach an der Fils (Foto: SWR)

Inflation: Geringverdienerin, Alleinerziehende und Chefin erzählen

Angst vor Nebenkostenabrechnung bei Mutter aus Ebersbach

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Figen Topal, 47 Jahre, ist Altenpflegehelferin aus Ebersbach an der Fils. Die Mutter von Zwillingen muss jeden Euro zweimal umdrehen. Sorge hat sie vor der Heizkosten-Nachzahlung.

Im Leben von Figen Topal aus Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen) gibt es seit kurzem einen Hoffnungsschimmer: Die Hartz-IV-Empfängerin hat ab August einen regulären Job als Altenpflegehelferin in Aussicht. Dann wäre sie nicht mehr auf Hilfe vom Staat angewiesen und auch finanziell wäre sie zumindest aus dem Gröbsten raus. Also alles gut? Leider nein.

Figen Topal steht vor ihrem Kellerraum (Foto: SWR)
Figen Topal aus Ebersbach an der Fils schaut mit Sorge Richtung Herbst und Winter. Die alleinerziehende Mutter weiß nicht, ob sie eine Heizkosten-Nachzahlung finanziell stemmen könnte.

Zukunftsängste wegen der Inflation

Die 47-Jährige schaut mit Sorge auf den Herbst. Insgesamt 1.100 Euro netto hat die Alleinerziehende aktuell für sich und ihre beiden siebenjährigen Kinder zur Verfügung. Jeder Monat, so sagt sie, ist ein Abenteuer. "Kommen wir mit dem wenigen Geld über die Runden? Gas, Wasser, Strom, Essen, Kleidung für die Kinder, die Autoversicherung" - das alles muss sie alleine stemmen.

Dabei lief das Leben der alleinerziehenden Mutter einmal in geordneten Bahnen: Sie machte eine Ausbildung als Altenpflegehelferin. Danach arbeitete Figen bei einem kirchlichen Träger, bis man ihr nahelegte, als Muslimin zum Christentum konvertieren, sonst könne sie den Job nicht weiter behalten. Die 47-Jährige lehnte aber ab und kündigte. Danach arbeitete sie in der Gastronomie, bekam Kinder. Die Scheidung von ihrem Mann warf Figen Topal aus der Bahn.

Hartz 4 verschärft die Situation

Heute dreht Figen Topal jeden Euro zweimal um und spart, wo es geht. Fleisch kommt nur selten auf den Tisch. Kleidung für sich und die Kinder gibt es nur aus dem Second-Hand-Laden und Urlaub ist gestrichen. Wenn jetzt noch im Herbst und Winter üppige Nachzahlungen für die Gasheizung, Warm-Wasser oder Strom kommen, wird es kritisch, sagt sie. "Kann ich die Nebenkosten dann womöglich abstottern? Bekomme ich Hilfe?"

SWR: Frau Topal, wenn Sie an den Herbst und den Winter denken – machen Sie sich Sorgen?

Figen Topal: "Die Nachzahlungen für Gas, Öl und Strom machen mir Sorgen. Das beläuft sich bei uns bisher immer auf 200 bis 300 Euro. Aber wenn ich jetzt so eine Riesennachzahlung bekomme, was ist dann? Kann ich die in Raten abstottern? Bekomme ich Hilfe?"

Sie sparen schon jetzt. Geht das überhaupt, sich noch mehr einzuschränken?

Figen Topal: "Wir kaufen beim Discounter ein. Bioladen? Das ist für uns nicht machbar. Kleidung für mich und die Kinder kaufe ich im Second-Hand-Laden. Was die Energiekosten betrifft: Das Schlafzimmer, wo die Kinder schlafen, da schaltet sich die Heizung automatisch nachts ab. Zudem schaut man, dass die Kinder den Lichtschalter nicht dauernd an und aus machen und das Wasser nicht unnötig laufen lassen. Und im Bad – ganz ehrlich – ich heize da nicht."

Gibt es etwas, das Ihnen Hoffnung macht?

Figen Topal: "Ich habe nach vielen Jahren endlich wieder einen Job in Aussicht. Ab August arbeite ich als gelernte Altenpflegehelferin in einer Einrichtung. Wie viel ich da verdiene, weiß ich noch nicht. Aber ich freue mich sehr, dann endlich aus dem Hartz-IV-System raus zu sein."

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