Es war eine Szene, wie sie sich derzeit wohl auch in vielen anderen Regionen Deutschlands abspielt: Am vergangenen Donnerstag kamen auf dem Marktplatz in Herrenberg (Kreis Böblingen) dutzende Menschen zusammen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren - auch wenn die Organisatoren selbst von einem "Lichterspaziergang" sprachen und die Versammlung den Angaben zufolge nicht bei Behörden angemeldet hatten. Die Teilnehmenden trugen laut Polizei überwiegend keine Masken. Bei ihrem Zug durch die Herrenberger Altstadt wurden demnach auch die Regeln zu Mindestabständen nicht eingehalten.
Unangemeldete Proteste, denen Organisatoren das Etikett "Spaziergang" verpassen, finden auch immer wieder anderswo in der Region Stuttgart statt - und SWR-Recherchen zeigen, dass die betroffenen Städte und Gemeinden unterschiedlich damit umgehen.
Corona-Demos in mehreren Stuttgarter Stadtteilen gleichzeitig
In Stuttgart selbst kam es nach Angaben der Stadt bisher zu 18 solcher Protestveranstaltungen, an einzelnen Tagen hätten mehrere zeitgleich in verschiedenen Stadtteilen stattgefunden. Die Organisatoren umgehen damit nach Ansicht der Stadtverwaltung bewusst die Regelungen des Versammlungsrechts - dabei müsse bei Demonstrationen jemand als Verantwortlicher genannt und Hygienemaßnahmen eingehalten werden, so die Stadt.

Die Stuttgarter Polizei reagiert auf die Versammlungen, indem sie die Aufzüge anhält und die Menschen auf die geltenden Regelungen hinweist. Wer sich nicht daran halte, bekomme eine Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit, werde aus der Versammlung ausgeschlossen und erhalte einen Platzverweis, so die Behörde.
In Esslingen am Neckar gab es bisher drei dieser sogenannten "Spaziergänge". Die Stadtverwaltung hat darauf reagiert und bis Ende des Monats Aufrufe untersagt, bei denen es um "(Montags-)Spaziergänge" geht, deren Genehmigung nicht bei Behörden beantragt wurden. In Nürtingen fanden die ersten dieser Veranstaltungen Mitte Dezember statt. Da sie bislang friedlich verlaufen seien, habe man sie geduldet, teilten die zuständigen Behörden dem SWR auf Anfrage mit.
Behörden im Kreis Ludwigsburg akzeptieren derzeit derartige Proteste
Im Kreis Ludwigsburg fanden bisher insgesamt nur wenige sogenannter "Montagsspaziergänge" statt. So versammelten sich Gegner der Coronamaßnahmen bisher vier Mal in Ludwigsburg und einmal in Kornwestheim. Da die Versammlungen aber generell nicht angemeldet würden, stelle das die Polizei vor größere Probleme, so die Stadt Ludwigsburg. Es sei dann schwerer, beispielsweise den Verkehr entsprechend zu regeln sowie möglicherweise notwendige Beschränkungen wie die Maskenpflicht kurzfristig vor Ort festzulegen. Das gestalte sich schwierig, wenn weder der Name von Organisatoren noch der Versammlungsort vorher mitgeteilt würden.
Dennoch verweist der Kreis auf den hohen Stellenwert der Versammlungsfreiheit und löst die unangemeldeten „Montagsspaziergänge“ bisher nicht auf. Stattdessen beschränken sich die Ludwigsburger Kreisbehörden darauf, die Demonstrationen zu beobachten und für die Einhaltung der Corona-Regeln zu sorgen. Das solle auch weiterhin gelten, solange die Menschen friedlich blieben, heißt es. Sollten aber rechtliche Grenzen überschritten werden, könne eine Allgemeinverfügung die Lösung sein, die sehr kurzfristig erlassen werden könnte.
In Backnang werden Demonstrierende teilweise gefilmt
Größere Versammlungen fanden in den vergangenen Wochen in Backnang (Rems-Murr-Kreis) statt. Dort trafen sich Ende Dezember nach Angaben der Stadt etwa 500 Menschen, am 3. Januar waren es rund 1.500. Bei allen Protestaktionen hätten Beamte Verstöße gegen die Maskenpflicht und gegen den Mindestabstand registriert. Die Stadt fordert die Teilnehmenden der Corona-Protestaktionen dazu auf, demokratische Regeln einzuhalten und damit beispielsweise die Versammlung anzumelden. In Backnang machen Behördenvertreter Filmaufnahmen der Aufzüge und Ordnungswidrigkeiten werden angezeigt.
In Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) fanden seit Mitte Dezember jeden Montag derartige Protest-Aktionen statt. Seit Heiligabend sind dort unangemeldete Demonstrationen und als „Spaziergänge“ deklarierte Versammlungen verboten. Es gehe jedoch nicht darum, Kritik an den Corona-Maßnahmen zu verhindern, so die Stadt Waiblingen. Stattdessen fordert sie angemeldete Versammlungen, bei denen im Vorfeld ein ordnungsgemäßer Ablauf besprochen werden könnte. Auch in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) sind solche unangemeldeten Aktionen seit Heiligabend verboten. Trotzdem gingen Gegnerinnen und Gegner der Corona-Politik insgesamt vier Mal auf die Straße, der Protest verlief ohne Zwischenfälle.
Kreis Böblingen: Niemand hat sich vorher gemeldet
Auch in Sindelfingen (Landkreis Böblingen) fanden alle sechs sogenannten "Spaziergänge" in den letzten Wochen friedlich statt. Sorgen bereitet der Stadtverwaltung aber, dass derartige Proteste in anderen Städten und Gemeinden teilweise von Gewaltbereiten missbraucht wurden. Sie kritisiert wie Behörden anderer Städte und Kreise, dass die Proteste nicht angemeldet waren und will sie allerdings trotzdem nicht generell verbieten.
Ein ähnliches Bild im benachbarten Böblingen: Hier zogen die Menschen mittlerweile vier Mal durch die Innenstadt, jedes Mal fehlte eine entsprechende Anmeldung sowie ein Versammlungsleiter als Ansprechpartner. Die Stadt teilte mit, jede solcher Versammlungen werde sehr genau durch die Polizei begleitet und beobachtet. Ein Einschreiten oder Auflösen sei bislang aber nicht notwendig gewesen. Auch in Leonberg (Kreis Böblingen) blieben die Proteste bislang ohne Zwischenfälle. Wie die Stadt mitteilte, sei es das Ziel, eine Eskalation des Geschehens zu vermeiden.
Zu einer Eskalation kam es auch beim eingangs erwähnten sogenannten "Lichterspaziergang" am Donnerstag in Herrenberg nicht. Etwas hitzig wurde die Atmosphäre nach Polizeiangaben schließlich aber doch: Als die Beamtinnen und Beamten für Ermittlungen die Personalien der mutmaßlichen Organisatorin der Versammlung aufnehmen wollte, hätten sich ihnen rund 20 Menschen in den Weg gestellt.