Schnelltesten im Vorbeifahren beim Drive-Thru (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Boris Roessler (Symbolbild))

Pro Woche 7.600 Tests in drei Zentren

Ohne lange Schlangen: So geht Testen in Gerlingen

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Vor vielen PCR-und Schnelltestzentren stehen lange Schlangen. Ein Arzt in Gerlingen bietet Tests im Minutentakt an - und ist dabei vom Impfpflichtgegner zum -befürworter geworden.

"Testen, testen, testen" - das Motto aus dem Frühjahr könnte auch wieder die Devise für den Zugang zum öffentlichen Leben werden - auch für die Geimpften und Genesenen. Aber: schon jetzt ist es mancherorts nur mit stundenlagem Schlangestehen möglich einen PCR-Test zu bekommen. Sofern man überhaupt bei der Hausärtzin oder beim Hausarzt durchkommt, um eine Verordnung zu einem Test zu bekommen. Aber auch die Schnelltests sind plötzlich wieder gefragter denn je.

Die Testkassette eines Corona-Schnelltests (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand)
Jetzt sind sie wieder gefragter denn je: Schnelltests sind jetzt mit der neuen 3G-Regel am Arbeitsplatz oder im Einzelhandel die Eintrittskarte für Ungeimpfte und Nicht-Genesene. Für viele Veranstaltungen mit 2G plus-Regelung brauchen ihn auch Geimpfte und Genesene.

In drei Zentren in Renningen (Kreis Böblingen) sowie Schwieberdingen Gerlingen (beide Kreis Ludwigsburg) testet der Arzt Thorsten Pilgrim knapp 7.600 Menschen pro Woche. Als alle anderen Testzentren wieder dicht gemacht haben, hat er seine Einrichtungen trotz geringer Nachfrage weiter betrieben. Während der Corona-Pandemie hatte er mehrere Schnelltest- und PCR-Testzentren eröffnet - und dann auch nicht wieder geschlossen. Sein Schnelltest-PCR-Gerät liefert das Ergebnis innerhalb einer Stunde. Außerdem bietet er Tests in einem Drive-Thru an. Im Interview erzählt Thorsten Pilgrim, warum er weiter so stark auf das Testen gesetzt hat.

SWR: Wie ist die Auslastung im Moment?

Thorsten Pilgrim: Die Auslastung ist im Moment bei 100 Prozent. Wir machen einen Test pro Minute und jede Minute war das Gerät die letzten Tage ausgebucht. Das heißt wir sind jetzt an der Maximalgrenze - am Freitag werden wir die Zeiten jetzt nochmal deutlich ausdehnen, um noch mehr Testkapazitäten anzubieten.

SWR: Werden derzeit vor allem Schnelltests nachgefragt?

Thorsten Pilgrim: Tatsächlich sind es gerade vor allem Schnelltests, die gefragt sind – aber wir haben ein spezielles Angebot, bei dem wir vor allem für Schüler und Beschäftigte an Schulen und Kindergärten unsere PCR-Geräte freihalten. Wenn die in der Schule oder dem Kindergarten morgens positiv im Schnelltest getestet werde, dann kommen sie sofort zu uns. Sie werden dann in das PCR-Programm mit aufgenommen und haben dann innerhalb von knapp 39 Minuten ihr Ergebnis. Das ist für Lehrkräfte, Eltern und Kinder sehr beruhigend – in der Hälfte der Fälle sind es nämlich falsch positive Schnelltestergebnisse.

SWR: Haben Sie geahnt, dass sich die Corona-Zahlen noch einmal so entwickeln?

Thorsten Pilgrim: Ich habe es schon geahnt. Wir hatten allein in dem Kreis der 60 bis 70 Menschen, die ich bei den Teststellen vor Ort im Einsatz habe, drei Impfdurchbrüche bei jungen Frauen. Alle hatte ich selbst geimpft. Daher wusste ich, dass der Impfstoff gut gelagert war und richtig verabreicht worden ist. Und trotzdem gab es diese Durchbrüche. Eine der infizierten Frauen war hochansteckend. Und da wusste ich schon – die Delta-Variante ist deutlich anstrengender, als wir das erwartet haben. Wenn wir das Problem lösen wollen, können wir das nur über das Testen von Geimpften. Ich habe in dem Zusammenhang schon vor vier oder fünf Wochen an das Sozialministerium geschrieben, mit der Bitte das Testen für die Geimpften und Genesenen kostenfrei zu machen. Deshalb habe ich die Teststellen offengelassen und auch die Betriebszeiten nur unwesentlich eingeschränkt. Das war zwischenzeitlich eher gemütliches Arbeiten – aber jetzt ist es schlau, denn jetzt haben wir ein Angebot, das extrem angenommen wird. Zudem haben haben wir eben schon alle Zulassungen durch die Gesundheitsämter.

SWR: Warum rechnen sich die PCR-Schnelltestgeräte für Sie und für andere nicht?

Thorsten Pilgrim: Das rechnet sich tatsächlich nicht wirklich – weil wir bei diesen Geräten immer nur einen Test durchlaufen lassen können . Eine moderne PCR-Maschine im Labor schafft 500 Tests in einer Stunde, aber braucht dann eben auch vier Stunden Laufzeit. Und bis das ganze Gerät ausgelastet ist dauert es eine gewisse Zeit. Bei unseren Geräten muss ich gestehen, dass das gar nicht meine Idee war. Wir sitzen hier in Gerlingen direkt an der Bosch-Zentrale und ich habe hunderte Eltern hier, die dort arbeiten. Die haben mir den Tipp gegeben. Bosch hatte ein Gerät auf den Markt gebracht, dass das ganze Labor sozusagen auf einen kleinen Chip reduziert. Und mit dem können wir innerhalb von wenigen Minuten eine valide und auch akzeptierte PCR-Tests durchführen. Und wir bekommen auch direkt den Wert mitgeliefert, wie ansteckend jemand wirklich ist. Der Nachteil ist aber, dass das wir mehrere Geräte brauchen, um viele Menschen testen zu können. Wir haben inzwischen 20 PCR-Testgeräte. Und der zweite Nachteil ist, dass die Kartuschen für die Geräte in der Anschaffung teurer war als das, was wir von der Kassenärztlichen Vereinigung für eine PCR bekommen. Das lösen wir im Moment so, dass sich die Gemeinden mit einer kleinen Pauschale an diesen Mehrkosten beteiligen, um einfach eine bessere Versorgung in der Region herbeizuführen.

SWR: Das Glück an ihren Standorten ist also, dass sich die Kommunen beteiligen und Bosch mit dem Hightech-Angebot vor der Türe ist?

Tatsächlich ist uns Bosch unglaublich entgegengekommen. D die Geräte sind sehr teuer - wir durften sie mieten und ausprobieren. Dabei lernen aber auch alle sehr viel. Wir haben im Moment eine Kapazität von circa 200 – 250 PCR-Tests pro Tag. Auch da ist jeder Termin ausgebucht. Das hängt natürlich damit zusammen, dass gerade die Eltern – wenn ein Kind positiv getestet wird – sofort wissen wollen: Ist der Rest der Familie ist auch krank? Das führt zu einem hohen Inanspruchnahmeverhalten der PCR-Tests – gerade, weil die Testergebnisse schnell da sind. Deswegen hat das Gesundheitsamt in Ludwigsburg im Übrigen unser Konzept hier nachgebaut, sodass sich das auch schon verbreitet.

SWR: Von Tag zu Tag neue Bestimmungen - blicken Sie selbst bei all den neuen Regelungen noch durch?

Ich mache tatsächlich gefühlt nichts anderes, als irgendwelche neuen Verordnungen zu lesen. Das Thema, das uns im Moment am meisten umtreibt, ist die 3G-Regelung am Arbeitsplatz. Dadurch, dass die Ungeimpften jetzt einen täglichen negativen Test brauchen, um in ihre Arbeitsstätte hinein zu kommen, hat das natürlich einen unglaublichen Schub bei der Nachfrage ergeben – und zwar jeden Tag! Der Verordnungsgeber hat das zum Glück so geregelt, dass der Arbeitgeber dafür auf den Bürgertest verweisen darf: Den Test gibt es kostenlos. Aber er muss eben einen Termin haben. Und das ist im Moment die zentrale Herausforderung, die wir haben, weil es keine Termine mehr gibt. Und wenn, dann nicht am Morgen vor der Arbeit. Ich habe daher auch die Gemeinden mit den Teststationen gebrieft, denn die Autoschlangen werden auch hier länger werden. Wir müssen im Lauf der nächsten Woche zwei weitere von diesen Test-Containern aufstellen, weil das natürlich ein Angebot ist, das sich bewährt, wenn man große Massen an Menschen da durchschleust. Wir können 60 bis 80 Schnelltests pro Stunde in einem Container schaffen und wir versuchen das Angebot jetzt noch zu erweitern.

SWR: Was würden Sie sich von der Politik wünschen?

Drastisch ausgedrückt: Ohne Lockdown und Impfpflicht wird es nicht klappen. Was ich nicht schließen würde sind die Arbeitsplätze, Schulen und Kindergärten, denn da haben wir wirklich gute Testsysteme laufen. Wenn wir die schließen würden, hätten wir keine Einblicke in das Infektionsgeschehen mehr. Von daher plädiere ich für einen Plan mit Augenmaß – im Sinne von Kontaktbeschränkungen, nicht das Schließen der Schulen und Kindergärten. Das hat der Gesetzgeber aber - glaube ich - auch so vorbereitet. Und eigentlich war ich ein absoluter Gegner der Impfpflicht – aber ich habe jetzt auch so viele geimpft und so viel gesehen, dass ich glaube, wir bekommen es anders nicht hin.

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SWR