Coronatest im Testzentrum (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Matthias Bein)

Ende der kostenlosen "Bürgertests"

Schnelltest für Corona kostenpflichtig: Chaos in Stuttgart

Stand
AUTOR/IN
Siri Warrlich
Profilbild von Siri (Foto: SWR DASDING)

Ab diesem Donnerstag kosten Corona-Schnelltests Geld. Doch es gibt viele Ausnahmen, die Verordnung ist für Laien kaum verständlich. An Stuttgarter Testzentren führt das zu Chaos.

Wer in Stuttgart versucht, am Donnerstagvormittag an einen Schnelltest zu kommen, braucht Durchhaltevermögen. Die ersten zwei Schnelltestpunkte haben geschlossen. Eine Apotheke in Degerloch bietet seit diesem Tag keine Tests mehr an, ein Schnelltestzentrum an der Stadtmitte ist ebenfalls geschlossen.

Schnelltestzentrum in Stuttgarter Innenstadt (Foto: SWR)
An diesem Donnerstag gibt es hier keine Tests: Schnelltestzentrum an der S-Bahnhaltestelle Stadtmitte in Stuttgart.

Im Schaufenster hängt ein Schild mit dem Hinweis: "Wir sind ab morgen (1.7.2022) gerne wieder für Sie da." Den heutigen Tag benötige das Zentrum für die Umstellung der Systeme – "aufgrund der neuen Testverordnung". Ein älterer Herr steht ratlos vor dem Schild. "Ohne Test komme ich nicht zu meiner Mutter ins Pflegeheim", sagt er.

Schild an Schnelltestzentrum in Stuttgart (Foto: SWR)
Ein Schild an einem Testzentrum in Stuttgart

Viele Testzentren nicht mehr vorhanden

Der nächste Versuch führt zum Schlossplatz. Das Testzentrum, das von Google Maps angezeigt wird, ist nicht auffindbar. Dasselbe gilt für ein anderes Testzentrum nahe der Königstraße. Offenbar haben viele Anbieter inzwischen zugemacht, werden auf dem beliebten Online-Kartendienst aber noch angezeigt. Einen Treffer gibt es dann endlich im Einkaufszentrum Königsbau-Passagen, ganz oben im dritten Stock. Hier werden Schnelltests angeboten – und zwar umsonst, wie ein Mitarbeiter der Teststelle sagt. "Es kostet erst ab morgen", sagt er.

"Heute Morgen war noch eine Firma hier, die 40 Mitarbeiter testen ließ. Wahrscheinlich hat der Chef gesehen, dass es heute noch kostenlos ist."

Später komme sein Vorgesetzter, um zu besprechen, wie es ab Freitag weitergeht.

Verordnung schwer verständlich

Das Beispiel zeigt, das offenbar auch unter den Anbietern Verwirrung herrscht, was an diesem Donnerstag wirklich gilt. Die "Dritte Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Testverordnung" beendet die kostenfreien Schnelltests für alle.

Sie ist vom 29. Juni datiert. Am Ende heißt es: Diese Verordnung tritt "am Tag nach der Verkündung in Kraft" – allerdings mit Ausnahme einiger Teile, die wiederum erst zum 1. Juli in Kraft treten. Für Laien ist die Verordnung nur schwer zu verstehen.

Menschen stehen in einer Schlage vor einem Corona-Testzentrum (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Während der Pandemie waren in ganz Deutschland Tausende Testzentren aus dem Boden geschossen.

Wer muss Schnelltest bezahlen?

Die offizielle Linie der Bundesregierung lautet: Ab dem 30. Juni werden die Testkapazitäten "gezielter" eingesetzt. Kostenlose Tests gibt es ab diesem Donnerstag nur noch für Risikogruppen, für Menschen, die mit besonders gefährdeten Gruppen zu tun haben und für diejenigen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.

Als zweite Stufe gibt es einen 3-Euro-Test, ihn bekommt man zum Beispiel anlässlich von Familienfeiern oder Innenveranstaltungen oder bei roter Corona-Warnapp. Wer einen solchen Test will, muss unterschreiben, dass er zu diesem Zwecke gemacht wird.

Apotheker: "Blankes Chaos"

"Es herrscht das blanke Chaos", sagt der Apotheker Björn Schittenhelm aus Holzgerlingen im Kreis Böblingen.

"Bei Spahn hatten wir wenigstens 72 Stunden Vorlaufzeit, um unsere Systeme und unser Team umzustellen. Bei Lauterbach sind es weniger als 24 Stunden. Das ist einfach unfassbar."

Björn Schittenhelm, Apotheker in Holzgerlingen (Kreis Böblingen) (Foto: privat)
Björn Schittenhelm ist Apotheker in Holzgerlingen

Schittenhelm kritisiert: Die geänderte Verordnung führe zu viel Bürokratie. Denn ob jemand Anrecht auf einen kostenlosen Test hat, müsse dem Anbieter glaubhaft gemacht werden, so Schittenhelm.

"Das ist die nächste Frechheit. Wie will man so etwas beweisen? Wir versuchen es jetzt so zu lösen, dass beim Null-Euro-Test eine Bescheinigung vorzulegen ist", sagt Schittenhelm. So fordert es das Bundesgesundheitsministerium – und bietet auf seiner Website sogar ein Musterformular an, das Angehörige vom Pflegeheim unterschreiben lassen und anschließend beim Testzentrum für einen kostenlosen Test vorlegen sollen.

Betrug mit Schnelltests in Milliardenhöhe

Der Grund dafür, dass mit kostenlosen Tests für alle Schluss ist: Die Kosten für die Steuerzahler sind hoch. In Deutschland wurden nach früheren Angaben an die kommerziellen Betreiber der Teststationen bereits 10,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Ermittler gehen dabei von einer Betrugssumme von mindestens einer Milliarde bis hin zu 1,5 Milliarden Euro aus.

Auch der Apotheker Björn Schittenhelm will die Kosten für die Allgemeinheit senken, hätte sich aber ein anderes System gewünscht: Tests nur noch von Ärzten, Apothekern und der "Blaulicht-Familie" durchführen lassen – und nur noch bei Menschen mit Symptomen und solchen, die Kontakt zu vulnerablen Gruppen haben. "Dann hätten wir meines Erachtens die Kosten locker halbiert", sagt Schittenhelm. "Jetzt haben wir nicht Fisch, nicht Fleisch."

Mehr zum Thema

Baden-Württemberg

Neue Verordnung greift auch in BW Corona-Test ab 30. Juni kostenpflichtig: Wer muss zahlen und wer nicht?

Die kostenlosen Corona-Schnelltests für alle Bürgerinnen und Bürger werden abgeschafft. Doch es gibt Ausnahmen. Wer darf sich künftig wie und wo testen lassen? Die wichtigsten Antworten.

Baden-Württemberg

Unmut bei Apothekern - Forderung nach Planungssicherheit Wie geht es weiter mit den Corona-Testzentren in Baden-Württemberg?

Ende Juni soll es vorbei sein. Dann soll es keine kostenlosen Bürgertests mehr geben. Doch die Apotheker in Baden-Württemberg schlagen Alarm. Denn im Herbst könnten Tests wieder wichtig werden.