Wer in Stuttgart versucht, am Donnerstagvormittag an einen Schnelltest zu kommen, braucht Durchhaltevermögen. Die ersten zwei Schnelltestpunkte haben geschlossen. Eine Apotheke in Degerloch bietet seit diesem Tag keine Tests mehr an, ein Schnelltestzentrum an der Stadtmitte ist ebenfalls geschlossen.
Im Schaufenster hängt ein Schild mit dem Hinweis: "Wir sind ab morgen (1.7.2022) gerne wieder für Sie da." Den heutigen Tag benötige das Zentrum für die Umstellung der Systeme – "aufgrund der neuen Testverordnung". Ein älterer Herr steht ratlos vor dem Schild. "Ohne Test komme ich nicht zu meiner Mutter ins Pflegeheim", sagt er.
Viele Testzentren nicht mehr vorhanden
Der nächste Versuch führt zum Schlossplatz. Das Testzentrum, das von Google Maps angezeigt wird, ist nicht auffindbar. Dasselbe gilt für ein anderes Testzentrum nahe der Königstraße. Offenbar haben viele Anbieter inzwischen zugemacht, werden auf dem beliebten Online-Kartendienst aber noch angezeigt. Einen Treffer gibt es dann endlich im Einkaufszentrum Königsbau-Passagen, ganz oben im dritten Stock. Hier werden Schnelltests angeboten – und zwar umsonst, wie ein Mitarbeiter der Teststelle sagt. "Es kostet erst ab morgen", sagt er.
Später komme sein Vorgesetzter, um zu besprechen, wie es ab Freitag weitergeht.
Verordnung schwer verständlich
Das Beispiel zeigt, das offenbar auch unter den Anbietern Verwirrung herrscht, was an diesem Donnerstag wirklich gilt. Die "Dritte Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Testverordnung" beendet die kostenfreien Schnelltests für alle.
Sie ist vom 29. Juni datiert. Am Ende heißt es: Diese Verordnung tritt "am Tag nach der Verkündung in Kraft" – allerdings mit Ausnahme einiger Teile, die wiederum erst zum 1. Juli in Kraft treten. Für Laien ist die Verordnung nur schwer zu verstehen.
Wer muss Schnelltest bezahlen?
Die offizielle Linie der Bundesregierung lautet: Ab dem 30. Juni werden die Testkapazitäten "gezielter" eingesetzt. Kostenlose Tests gibt es ab diesem Donnerstag nur noch für Risikogruppen, für Menschen, die mit besonders gefährdeten Gruppen zu tun haben und für diejenigen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.
Als zweite Stufe gibt es einen 3-Euro-Test, ihn bekommt man zum Beispiel anlässlich von Familienfeiern oder Innenveranstaltungen oder bei roter Corona-Warnapp. Wer einen solchen Test will, muss unterschreiben, dass er zu diesem Zwecke gemacht wird.
Apotheker: "Blankes Chaos"
"Es herrscht das blanke Chaos", sagt der Apotheker Björn Schittenhelm aus Holzgerlingen im Kreis Böblingen.
Schittenhelm kritisiert: Die geänderte Verordnung führe zu viel Bürokratie. Denn ob jemand Anrecht auf einen kostenlosen Test hat, müsse dem Anbieter glaubhaft gemacht werden, so Schittenhelm.
"Das ist die nächste Frechheit. Wie will man so etwas beweisen? Wir versuchen es jetzt so zu lösen, dass beim Null-Euro-Test eine Bescheinigung vorzulegen ist", sagt Schittenhelm. So fordert es das Bundesgesundheitsministerium – und bietet auf seiner Website sogar ein Musterformular an, das Angehörige vom Pflegeheim unterschreiben lassen und anschließend beim Testzentrum für einen kostenlosen Test vorlegen sollen.
Betrug mit Schnelltests in Milliardenhöhe
Der Grund dafür, dass mit kostenlosen Tests für alle Schluss ist: Die Kosten für die Steuerzahler sind hoch. In Deutschland wurden nach früheren Angaben an die kommerziellen Betreiber der Teststationen bereits 10,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Ermittler gehen dabei von einer Betrugssumme von mindestens einer Milliarde bis hin zu 1,5 Milliarden Euro aus.
Auch der Apotheker Björn Schittenhelm will die Kosten für die Allgemeinheit senken, hätte sich aber ein anderes System gewünscht: Tests nur noch von Ärzten, Apothekern und der "Blaulicht-Familie" durchführen lassen – und nur noch bei Menschen mit Symptomen und solchen, die Kontakt zu vulnerablen Gruppen haben. "Dann hätten wir meines Erachtens die Kosten locker halbiert", sagt Schittenhelm. "Jetzt haben wir nicht Fisch, nicht Fleisch."