Wie sieht es jetzt vor Ort aus?

Ein Jahr nach dem verheerenden Hochwasser in Rudersberg

Stand

Starkregen und Überschwemmungen haben den Rems-Murr-Kreis und speziell Rudersberg vor einem Jahr schwer getroffen. Das Wasser ist weg, viele Schäden sind beseitigt - aber die Angst bleibt.

In der Nacht auf den 3. Juni 2024 versank Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) im Hochwasser. Der Starkregen verwandelte die Straßen in kürzester Zeit in reißende Flüsse. Bald zwei Meter hoch stieg das Wasser. Es lief in Keller, Wohnungen und Geschäfte. Wie sieht es ein Jahr danach vor Ort aus?

Verhinderte ein neuer Damm Schlimmeres?

11.700 Einwohnerinnen und Einwohner hat Rudersberg. Die Spuren jener Nacht sind auch ein Jahr später nicht zu übersehen. Hier sind noch Scheiben abgeklebt, dort zeugen helle Streifen auf dem Putz oder an den Schaufenstern vom Wasserstand in jener Nacht. Beschäftigte von Volksbank und Kreissparkasse arbeiten weiter in Containern. Die Sparkasse will im Juli ins sanierte Geschäft zurück.

Der Bäcker verkauft noch aus dem Wagen heraus. Die Apotheke ist nach der Kernsanierung bereits weiter und hat geöffnet. Andere haben es nicht geschafft: der Schreibwarenladen, der Friseur, die Kneipe. Am Dachstuhl eines Fachwerkhauses in der Hauptstraße frisst gerade ein Bagger. Kurz vor der Katastrophen-Nacht ist ein neuer Damm eröffnet worden, der wahrscheinlich noch Schlimmeres verhindert hat. Nicht sehr weit von Rudersberg, in Miedelsbach, einem Stadtteil von Schorndorf, ertranken in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni 2024 zwei Menschen.

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Allein in Rudersberg ist laut dem Bürgermeister Raimon Ahrens (parteilos) ein Schaden in Höhe von rund 150 Millionen Euro entstanden. Dazu zählten Schäden der öffentlichen Infrastruktur, an Landes- und Kreisstraßen, an Gebäuden von Gewerbetreibenden und Privatpersonen sowie Schäden an der Wieslauftalbahn. Die Gemeinde Rudersberg gilt als einer der am stärksten vom Hochwasser im vergangenen Juni betroffenen Orte in Baden-Württemberg. Mehr als 1.000 Haushalte waren betroffen; etwa die Hälfte der öffentlichen Einrichtungen wurde beschädigt.

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Ausmaß der Zerstörung in Fotobuch festgehalten

Für Metzger Werner Hinderer ist es ein Wunder, dass seine Metzgerei heute wieder offen hat. Er zeigt auf die Wassermarke neben dem Eingang seines Geschäftes. Die Linie liegt deutlich über seinem Kopf. "Das reicht für mich zum Ertrinken", sagt er. Der Metzgermeister weiß noch genau, wie es damals war.

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"Für uns war das sehr schwer zu akzeptieren. Wir achten jeden Tag auf Hygiene. Wir putzen, reinigen, desinfizieren. Und plötzlich ist alles voll mit Schlamm und Dreck." Das Ausmaß der Zerstörung hat er in einem Fotobuch eingefangen. Da schwimmen Paprikaschoten in Spülbecken, die überschwemmt worden sind und Küchengeräte stehen mehrere Fuß hoch in Schlamm.

Metzgermeister Werner Hinderer in Rudersberg
Metzgermeister Werner Hinderer in Rudersberg: "Ein Wunder, dass hier vor einem Jahr niemand gestorben ist!"

"Ein Wunder, dass niemand in Rudersberg gestorben ist"

Innerhalb von Minuten stand das Wasser fast zwei Meter hoch. Es sei ein Wunder, dass vor einem Jahr in Rudersberg niemand gestorben ist, findet Werner Hinderer. Auch wenn alles wieder von Schlick und Schlamm befreit wurde, die Wieslauftalbahn wieder fährt, die Straßen repariert und Autos und Hausrat weggeräumt wurden: Bis heute sind die Spuren von Starkregen und Hochwasser in dem Ort sichtbar. Es gibt weiterhin viele leerstehende und beschädigte Geschäfte.

Kampf mit den Versicherungen

Unter anderem ist seither wegen Versicherungsfragen kaum etwas passiert. Ein Problem, das auch Gastwirt Heiko Schad hat. Sein Eiscafé wurde zerstört - er kämpft bis heute mit seiner Versicherung: "Grundsätzlich ist es immer die Verzögerung der Gutachter. Die Gutachter sind, ich sage mal, vielleicht überarbeitet. Um irgendetwas freizugeben, braucht man Monate", sagt er resigniert.

Wir haben viel schon wieder aufgebaut, aber wir haben auch noch einiges vor uns.

Auch Rudersbergs Bürgermeister Raimon Ahrens und die Gemeindeverwaltung haben bis heute noch nicht alle Schäden des Starkregens aufgearbeitet. "Die Gemeinde Rudersberg hat im letzten Jahr schon wieder viel aufgebaut, aber wir haben auch noch einige Arbeiten vor uns", erzählt Ahrens. Das betreffe vor allem drei Bereiche: die Unternehmen, die private und die öffentliche Infrastruktur. "Die Arbeit geht uns nicht aus!"

Metzger Hinderer: "Es gab auch positive Erfahrungen"

Metzger Werner Hinderer stand zwar ein halbes Jahr nach der Katastrophe wieder hinter seiner Theke. Aber es sei alles schon eine riesige Kraftanstrengung gewesen. Manches sieht Hinderer aber auch positiv: "Wir waren relativ schnell und die Ersten, die alle Handwerker zuerst gekriegt haben. Und die Versicherung hat gesagt: 'Ihr seid versichert, macht, alles gut.' Das war auch eine tolle Erfahrung. Und ansonsten haben wir halt die Ärmel hochgekrempelt." Trotzdem wird ihm der Starkregen von vor einem Jahr für immer im Gedächtnis bleiben. Bei vielen anderen Rudersberger Bürgerinnen und Bürgern bleibt die Angst. Vor allem jetzt, wo es teils schon wieder stark regnet.

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