Ab dem Frühling verbringt Familie W. (der richtige Name ist der Redaktion bekannt) ihre Zeit am liebsten gemeinsam auf ihrem Gartengrundstück in Stuttgart am Rande des Stadtteils Gaisburg. "Als meine Kinder noch klein waren, haben wir unseren Garten immer 'El Paradiso' genannt", erzählt Ina W. Sie hat das Gartengrundstück Ende der 80er-Jahre von ihren Eltern übernommen. Wegen der Reform der Grundsteuer hat sie nun aber Angst, ihr Garten-Idyll zu verlieren.
Denn statt den bisherigen 88 Euro soll sie künftig 2.280 Euro pro Jahr zahlen. Grund dafür ist die Berechnungsweise der neuen Grundsteuer: Das Grundstück fällt nun in die Bodenrichtwert-Zone eines städtischen Wohngebietes. Dabei hat "El Paradiso" keinen Wasser- oder Stromanschluss. Und es ist nur über ein angrenzendes Nachbargrundstück zugänglich.
Bodenrichtwert: Ein Gutachten aus eigener Tasche
Damit muss sich auch Ina W. aktuell auseinandersetzen. "Mein Grundstück ist wegen des Bauverbots im Grundbuch als landwirtschaftliches Grundstück ausgewiesen", erklärt sie. Der Gutachterausschuss der Stadt Stuttgart habe es aber in eine Bodenrichtwertzone mit der Nutzung "Wohnbauland" zugeordnet, was die Familie nun teuer zu stehen kommt.
Den Gutachterausschuss hat Ina W. schon kontaktiert. Die Antwort: Da die meisten Grundstücke in ihrer Zone eben als Wohnbauland ausgewiesen seien, könne eine Änderung ihres individuellen Bodenrichtwerts nicht erfolgen. Einspruch gegen ihren Bescheid hat Ina W. bereits eingelegt. Falls dieser jedoch scheitert, muss sie klagen. Dafür muss sie ein Gutachten in Auftrag geben, das einen niedrigeren tatsächlichen Wert nachweist. Bezahlen müsste sie das aus eigener Tasche. In ihrem Fall würde das rund 400 Euro kosten, sagt sie. "Ich muss für einen Fehler bezahlen, den ich nicht begangen habe."
Reform 2025 Neue Grundsteuer: Was tun, wenn der Bescheid kommt?
Zu den verschiedenen Verfahren zur Festlegung der neuen Grundsteuer 2025 gibt es viel Kritik. Auf Immobilienbesitzer und Mieter kommen oft hohe Kosten zu. Tipps, um sich zu wehren.
Stuttgart: Mehr als 5.000 Anfragen zur Grundsteuer
Der Ärger scheint auch bei anderen Bürgerinnen und Bürgern groß zu sein. Mehr als 5.000 E-Mails und Faxe seien bei der Stadt Stuttgart zu den Jahresbescheiden der Grundsteuer bisher eingegangen, erklärt die Verwaltung auf SWR-Anfrage. "Es war klar, dass die Reform Herausforderungen mit sich bringt", erklärt Jürgen Vaas, Leiter der Stadtkämmerei. "Was dies konkret heißt, sehen wir am immensen Postaufkommen."
Die meisten Beschwerden beziehen sich laut Stadt auf vier Dinge:
- die Erhöhung der Grundsteuer gegenüber dem Vorjahr,
- die prinzipielle Verfassungswidrigkeit der Landesregelung zur Grundsteuer,
- den im Vorfeld der Grundsteuerreform neu berechneten Bodenrichtwert
- und eben die Bodenrichtwert-Zonen.
Um alle Anfragen und Beschwerden abzuarbeiten, werden laut Stadt andere Aufgaben zurückgestellt. Zudem werde ein Experte befristet eingestellt, um die Mitarbeitenden in Hinsicht auf die neue Grundsteuer zu unterstützen.
Über einen besonderen Grundsteuer-Fall in Freiburg hat SWR Aktuell am 22.1.2025 berichtet:
Was wird aus dem Garten-Paradies am Rande von Stuttgart?
Ob das Gartengrundstück in Stuttgart-Gaisburg auch in Zukunft der Treffpunkt der Familie W. bleiben kann, weiß Ina W. noch nicht. "Rund 200 Euro im Monat wären das für meinen Garten, das ist viel Geld." Dabei gebe sie sich viel Mühe, "El Paradiso" nicht nur für ihre Familie zum Wohlfühlort zu machen, sondern auch für Bienen, Igel und Eidechsen: "In einer Stadt wie Stuttgart sind gerade solche Grünflächen doch wichtig", sagt sie.