Jahrelang haben es Rechtsextreme im Schwäbisch-Fränkischen Wald geschafft, mit ihren Parolen zu landen - gerade im 4.200 Einwohner-Ort Althütte oben auf dem Höhenzug, ganz in der Nähe des beliebten Ebnisees. Dort haben Rechtsextreme mit rassistischen Flugblättern und dumpfen Aufkleber-Sprüchen immer wieder düstere Gedanken verbreitet.
Generell ist diese Szene im Rems-Murr-Kreis stark vertreten: Über 80 rechtsextremistisch motivierte Straftaten gab es dort 2021. Zudem haben gewalttätige Übergriffe überregional für Entsetzen gesorgt wie ein Brandanschlag auf ein Gartenhäuschen bei Winterbach 2011, in das Migranten nach einer Hetzjagd geflohen waren. Oder der Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Weissach im Tal vier Jahre später.

Rechtsextreme sprechen Jugendliche gezielt an, um sie zu rekrutieren
Doch der Kreis und insbesondere Althütte wehren sich gegen die Umtriebe. Auch Gabi Gabel. Die 59-Jährige ist Gymnasiallehrerin und seit Jahren eine Aufklärerin gegen Rechtsextremismus im Rems-Murr-Kreis. In Althütte ist sie auch Ansprechpartnerin für besorgte Eltern. Sie wird angefragt, wenn die Extremisten versuchen, neue Mitglieder zu rekrutieren. "Der Sohn einer Frau aus der Gemeinde wurde an der Bushaltestelle angesprochen", berichtet Gabel von einem Fall. "Er hat eine Kette geschenkt bekommen und es hat sich herausgestellt, dass es das Sonnenrad ist. Ein rechtsextremes, wenn auch nicht verbotenes Symbol - aber eben beliebt."
Erkennungszeichen identifizieren: Engagierte helfen Betroffenen
Der Lehrerin, die auch im Gemeinderat von Althütte sitzt, war gleich klar, dass der Sohn der besorgten Mutter an der Bushaltestelle einem Rechtsextremen auf Werbetour begegnet war. Immer wieder würden Jugendliche in Althütte zu Konzerten rechtsextremer Bands eingeladen.
"Ein 'Consdapel'-Sweat-Shirt geschenkt zu kriegen, muss bei Eltern die Alarmglocken wachrufen. Oder ein 'Masterrace'-T-Shirt (auf deutsch: 'Herrenrasse') wo gehört das wohl hin?"
Auch Gruppenerlebnisse mit gefährlichen Ritualen samt Nazi-Slogans waren öfter Thema. Gabel und andere im Ort konnten so schon in einigen Fällen rechtsextremes Gedankengut und Treiben enttarnen - auch was Kleider und Erkennungsmerkmale der Szene angeht.

Kein Platz für Propaganda im Biergarten
Über die Jahre ist man in Althütte sensibler geworden, wenn Rechte versuchen, Fuß zu fassen. "Eddies Biker Residenz" etwa, das am Rande von Althütte gelegene Biergarten-Lokal, war früher ein Ort, an dem sich rechte Gruppen gerne trafen. Wirt Edgar Weiher hat sich für den unkritischen Umgang mit rechtsextremen Gästen manche Kritik anhören müssen. Inzwischen macht der Biker-Wirt zumindest mal klar: Nazi-Aufkleber oder Propaganda-Material rechter Gruppen werden nicht toleriert.
"Es ist halt so, dass man hier keine Parteipolitik macht - egal in welche Richtung, ob links oder rechts."
Bürgermeister zeigt rechtsextreme Schmierereien konsequent an
Weghören und Wegschauen gibt es auch für den Bürgermeister von Althütte, Reinhold Sczuka, nicht. Dem Schultes, der für die CDU auch im Kreistag sitzt, haben rechtsextreme Störer immer wieder Arbeit gemacht. Sogar ein Kinderspielplatz wurde mal mit Parolen verschandelt. "Da gilt es dann, konsequent einzuschreiten, wenn einem so etwas im öffentlichen Raum auffällt", sagt Sczuka. Die Anzeige des Bürgermeisters brachte damals zwar keinen Hinweis auf die Täter. Doch die klare Kante hat klar gemacht: Solche Aktionen werden in Althütte verfolgt.

Hilfen für Jugendliche und Angehörige von Szene-Mitgliedern
Auch der Rems-Murr-Kreis hat reagiert. Seit einigen Jahren bietet seine Beratungsstelle "DeRex" Aufklärung für junge potentielle Szene-Sympathisanten oder auch Angehörige rechtsextremer Aktivisten. Für Althütte soll es noch in diesem Jahr einen Aufklärungsabend gegen Rechtsextremismus geben. "Das ist Präventionsarbeit, die man überall machen kann, unabhängig davon, wie hoch NPD-Wähler-Anteile sind, wie hoch AfD-Wähler-Anteile sind", sagt Gabel. "Man muss sich nicht schämen, wenn es im eigenen Ort sowas gibt, sondern wenn man nichts dagegen tut."
Todesdrohung per E-Mail und Attacken auf das Wohnhaus
Auch Alfred Denzinger engagiert sich gegen die rechtsextremen Umtriebe im Schwäbischen Wald. Er wohnt in Rudersberg, einem Nachbarort von Althütte. Dort betreibt er das linke News-Portal "Beobachter News". Er kennt auch die Kehrseite des Widerstands gegen Rechtsextreme in der Region: Er geriet 2017 selbst ins Fadenkreuz der rechtsextremen Szene. Zerstochene Reifen, ein Farbanschlag aufs Haus. Im Jahr 2019 folgten Morddrohungen, vom "Tod durch Verbrennen" war die Rede. Der Ton ist martialisch: Denzinger gehöre "verurteilt wegen feindlicher Agitation gegen das deutsche Volk", so steht es in einer Drohmail, die dem SWR vorliegt. Auch auf sozialen Netzwerken ging es zur Sache, etwa mit einem Steckbrief auf Facebook.
Linker Journalist kritisiert den Staatsschutz
Er sei der Polizei dankbar dafür, dass sie zeitweise in seiner Straße Streife gefahren sei. Doch das reiche nicht, kritisiert Denzinger, dessen Privathaus nach eigenen Angaben schon oft attackiert wurde: "Wenn ich die Mittel hätte, die der Staatsschutz, die Kriminalpolizei hat, dann hätte ich die Täter schon", sagt er. "Ich bin in meiner Recherche viel weiter gekommen als sie. Alle Ermittlungsverfahren wurden eingestellt, weil sie nicht weitergekommen sind." Er ist davon überzeugt, dass es im Rems-Murr-Kreis Rechtsextremisten gibt, die bewaffnet seien. Hier müssten die Behörden eingreifen.
Wird also trotz allem noch immer nicht genug getan? Die Kriminalpolizei in Waiblingen teilte dem SWR auf Anfrage mit, grundsätzlich reagiere die Behörde schnell, um Menschen und deren Eigentum zu schützen. Gerade bei Straftaten über das Internet könne es jedoch länger dauern, weil man dazu bei Internet-Anbietern anfragen müsse.