Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit ist der Jugendschutz, hieß es zu Beginn der Verhandlung am Mittwoch. Die mutmaßlichen Täter waren zum Tatzeitpunkt 16 und 19 Jahre alt. Obwohl das Interesse der Öffentlichkeit an der Aufklärung der Krawallnacht zu Recht bestehe, so der Vorsitzende Richter am Landgericht, sei der Jugendschutz höher zu bewerten. Deshalb finden alle acht angesetzten Verhandlungstage ohne Publikum statt.
Nach den ersten Urteilen am Amtsgericht Stuttgart wegen der gewaltsamen Ausschreitungen in der Stuttgarter Innenstadt in der Nacht auf den 21. Juni wird nun auch einer der gravierendsten Fälle aus der Krawallnacht vor Gericht verhandelt. Vor dem Landgericht müssen sich zwei junge Männer wegen versuchten Totschlags verantworten.
Gegen den Kopf eines Studenten getreten
Die beiden Angeklagten aus Esslingen und Geislingen (Kreis Göppingen) sollen am Rand des Schlossplatzes einem am Boden liegenden Studenten gezielt gegen den Kopf getreten haben. Der 24-jährige Student hatte sich gegen die Randalierer gestellt und sie aufgefordert, keine Flaschen mehr zu werfen. Daraufhin wurde er von hinten attackiert und ging bewußtlos zu Boden. Die beiden Angreifer sollen ihr Opfer mit Fußtritten malträtiert haben. Dabei sollen sie nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft den Tod des Studenten zumindest billigend in Kauf genommen haben. Das Opfer erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma.
Zwei von über 120 Verdächtigen
Außerdem wird den Angeklagten Gewalt gegen Polizisten vorgeworfen. Die Jugendkammer plant mit mindestens acht Verhandlungstagen bis Anfang März. Die beiden Angeklagten gehören zu den mehr als 120 Verdächtigen, die die Polizei nach den Ausschreitungen, Plünderungen und Sachbeschädigungen in der Stuttgarter Innenstadt ermittelt hatte. Viele von ihnen sitzen noch in Untersuchungshaft, gegen Dutzende andere wurde der Haftbefehl gegen Auflagen ausgesetzt.
Erste Urteile gesprochen
Im November hatte das Amtsgericht Stuttgart zwei junge Männer in den ersten beiden öffentlichen Prozessen wegen besonders schweren Landfriedensbruchs zu Jugendstrafen von jeweils zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie die Scheiben von Polizeiautos zerstört hatten. Die Anwälte der beiden jungen Männer legten gegen die Urteile Berufung ein. Insgesamt erwartet das Amtsgericht bis zu 100 Prozesse zur Stuttgarter Krawallnacht.
Bei den nächtlichen Auseinandersetzungen im Juni 2020 hatten Dutzende, vor allem junge Männer, in der Stuttgarter City randaliert. Zahlreiche Polizeibeamte wurden verletzt und Schaufenster von Geschäften zerstört. Die Vorfälle sorgten bundesweit für Schlagzeilen und Debatten.