SWR-Moderatorin Martina Klein: Herr Jaekel, wie ist der Vorverkauf für "Tina" angelaufen?
Stephan Jaekel: Er ist glänzend angelaufen. Wirklich, wirklich prima, dass schon hunderttausend Tickets verkauft sind! Die Meldung ist vier Tage alt. Wir sind - Stand heute - sogar noch ein bisschen drüber. Wir freuen uns! Das ist eine Schallmauer, die immer wieder ein Indiz dafür ist, dass eine Show beim Publikum besonders gut ankommt.
Die Pandemie hat das kommerzielle Musicaltheater schwer gebeutelt. Die Einnahmen waren auf Null gefahren, die Kosten aber liefen weiter. Umso wichtiger, dass das Geschäft wieder anläuft. Gucken wir mal auf Stuttgart, da war der Start mit "Tanz der Vampire". Hat das funktioniert?
Jaekel: Das hat prima funktioniert. Wir haben uns die "Vampire" ausgesucht, weil wir wussten, dass das ein Stück ist, das hier besonders gut und beliebt ist, und haben gedacht: Das spielen wir jetzt ein halbes Jahr. Denn ist es ja schon zum vierten Mal in Stuttgart zu sehen. Und - oh Wunder - anderthalb Jahre werden wir es spielen, weil es wirklich sein Publikum hat. Damit konnten wir also supergut anfangen und haben zwei, drei Monate später "Aladin" nachfolgen lassen. Und auch "Aladin" hat einen sensationellen Schlussspurt hingelegt. Stuttgart hat uns also nach der Pandemie ganz besonders schnell dazu geholfen, wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Also ein Pluspunkt für den Standort Stuttgart?
Jaekel: Absolut, absolut.
"Tina" lief bis 2022 mit Erfolg in Hamburg. Dann kam allerdings ein Musical, von dem sich die Branche und vor allem Stage-Entertainment viel erwartet hat: "Hamilton" - gefeiert am Broadway als Musical-Revolution. Aber in Hamburg wird das Musical nach einem Jahr Laufzeit noch 2023 abgesetzt werden. Heißt das, es hat nicht funktioniert?
Jaekel: Wir haben uns im deutschsprachigen Markt sehr an Laufzeiten gewöhnt, die aus der Anfangsphase des Musicals stammten. Zehn, zwölf Jahre "Cats" und "Phantom der Oper" in Hamburg schienen normal zu sein. Das ist aber nicht die Normalität. Natürlich hätten wir uns für "Hamilton", wo wir uns wirklich besondere Mühe gegeben haben mit der Übertragung ins Deutsche durch eine Kombination eines Musical-Übersetzers (Kevin Schröder) und eines Rappers (Sera Finale).
Die haben das wirklich fantastisch originell ins Deutsche übertragen, haben auch tolle Preise dafür bekommen. Wir haben schon gehofft, dass "Hamilton" länger als ein Jahr läuft, sind aber mit dem einen Jahr gar nicht unzufrieden. Es sind jetzt schon über 200.000 Menschen, die das Stück gesehen haben. Es werden dann circa 400.000 sein, wenn es dann am 15. Oktober seine letzte Aufführung feiert. Das ist eine beachtliche Menge an Gästen, die offensichtlich doch Interesse an diesem spannenden, für Deutsche nicht ganz einfachen Stoff haben.
Nach Stuttgart wird "Hamilton" vermutlich nicht kommen. Stattdessen beglückt uns hier zum wiederholten Male der Liane schwingende "Tarzan", "Aladin", "König der Löwen" oder "die Schöne und das Biest" aus dem Hause Disney. Muss man daraus schließen, dass das deutsche Publikum genau das sehen will, wenn es ins Musical geht: leichte Unterhaltung?
Jaekel: Natürlich ist das, was der Disney-Konzern in seiner Theatersparte bietet, beste Unterhaltung auf sehr hohem Niveau und eine Art von Unterhaltung, die nahbar und leicht ist. Und selbstverständlich ist es für uns als Privattheater-Unternehmen eine Zwangsaufgabe, kommerziell erfolgreich zu sein. Dabei müssen wir schauen, dass wir die Stücke, die uns viele, viele Zuschauer bringen, mit Innovation mischen.
Die Innovation, für die zum Beispiel "Hamilton" steht, werden wir dem Publikum immer wieder anbieten. Und dann sind wir auch gar nicht undankbar, wenn es "nur" 200.000 oder 400.000 Zuschauer sind. Das ist schon eine beachtliche Zahl. Noch mehr Leute kommen in Titel, die von schon länger im Markt bekannt sind. Das ist schon richtig. Da ist man als Zuschauer vielleicht auch schneller dabei, den "Ticket-Buchen-Knopf" zu drücken.
Bei "Tina" dürfte das nicht anders sein. Womit wir wieder bei der Premiere am Donnerstag in Stuttgart sind. Die Liste der prominenten Gäste ist lang, nur ein Name fehlt sehr: Tina Turner. Zur Deutschlandpremiere 2019 reiste sie noch an.
Jaekel: Das ist richtig. Sie hat uns die wärmsten Grüße ausrichten lassen. Und ich spreche für das gesamte Theater und für die ganze Firma: Wir haben großen Respekt vor ihrer Entscheidung. Persönlich zu kommen, ist für sie nicht mehr zu schaffen. Das ist vollkommen okay.
Wir freuen uns, dass sie uns ihren Segen gegeben hat, die Show überhaupt entwickeln zu dürfen. Denn es ist ja eine Eigenproduktion, das war schon klasse. Und wir haben uns seinerzeit natürlich auch sehr über ihren persönlichen Besuch gefreut. Heute ist es leider nicht mehr möglich.