Maria Kolesnikowa steht hinter Gitterstäben und nimmt an ihrer Gerichtsverhandlung teil. Maria Kolesnikowa ist fast ein Jahr nach ihrer Festnahme im Zuge der Proteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko zu elf Jahren Haft verurteilt. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/BelTA/AP | Ramil Nasibulin)

Revisionsantrag gescheitert

Künstlerinnen aus Stuttgart kämpfen für belarussische Aktivistin Kolesnikowa

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Maria Kolesnikowa muss in Lagerhaft. Das hat ein Gericht in Belarus an Heiligabend bestätigt. Stuttgarter Künstlerinnen protestieren dagegen - auch mit einem emotionalen Kurzfilm.

Die zwei Stuttgarter Künstlerinnen Jasmin Schädler und Viktoriia Vitrenko haben eine sowohl digitale als auch analoge Weihnachtsaktion zugunsten ihrer in Belarus inhaftierten Kollegin Maria Kolesnikowa gestartet. Bis zum orthodoxen Weihnachtsfest am 6. Januar wollen Schädler und Vitrenko mit einem Kurzfilm und einer Postkarten-Aktion in der Region Stuttgart auf das Schicksal ihrer Kollegin und Freundin sowie weiterer Oppositioneller in Belarus hinweisen.

Kolesnikowa zu elf Jahren Lagerhaft in Belarus verurteilt

Kolesnikowas Revisionsantrag gegen eine im September verhängte Lagerhaft von elf Jahren war an Heiligabend abgelehnt worden. Die 39-jährige Bürgerrechtlerin ist eine der bekanntesten Figuren der belarussischen Protestbewegung gegen Machthaber Alexander Lukaschenko. Bevor sie sich der Opposition in ihrer Heimat anschloss, hatte sie lange als Kulturmanagerin in Stuttgart gearbeitet. Der Prozess und das Urteil vor drei Monaten wurden international scharf kritisiert, auch Deutschland forderte die Freilassung der Oppositionellen.

Postkarten an Oppositionelle

Die Postkartenaktion richtet sich direkt an Inhaftierte in Belarus: In Stuttgart und Esslingen liegen entsprechende Karten aus, bereits mit einem Grußwort versehen auf Belarussisch und Deutsch. Jeder kann noch persönliche Zeilen hinzufügen und die Postkarten direkt in den Briefkasten werfen. "Viele fragen, ob sie mehrere Karten bekommen, um sie weiter zu verteilen", erzählt die Stuttgarter Künstlerin und Freundin von Kolesnikowa, Jasmin Schädler. Zusammen mit ihrer gemeinsamen Freundin Viktoriia Vitrenko wollen sie durch diesen Schneeballeffekt in kurzer Zeit "1.000 Postkarten an 1.000 Inhaftierte" versenden.

"Die Idee ist eben, in beide Richtungen zu informieren", sagt Jasmin Schädler. Einmal sollen hier in Stuttgart die Leute informiert werden über die Situation in Belarus - auf einfache und schnelle Art und Weise. Zum anderen sollen so auch die in Belarus Inhaftierten an der Weihnachtsstimmung teilnehmen können. "Um ihnen zu zeigen, dass sie nicht in Vergessenheit geraten sind hier bei uns."

Die Demokratiebewegung als Kurzfilm

Zudem weist ein Kurzfilm im Internet auf die Lage der belarussischen Opposition hin. Die Künstlerinnen und Künstler bezeichnen den Film absichtlich als Märchenerzählung. Denn ein Märchen habe für gewöhnlich ein positives und versöhnliches Ende, so Jasmin Schädler. Und dieses Ende erhoffe man sich auch für Belarus. Außerdem sei die Demokratiebewegung ja nicht neu, die gab es schon in den letzten Jahrzehnten. Daher setze der Film auch ganz bewusst in den 90er-Jahren an.

Für die Freiheit der Freundin im Gefängnis kämpfen

Auch während der Feiertage stehen Jasmin Schädler und ihre Freundin Viktoriia Vitrenko im engen Austausch. Gerade zur Weihnachtszeit sei es für sie eine Selbstverständlichkeit, sich für die Freundin in Gefangenschaft einzusetzen.

"Wir glauben, dass eben dieses Weihnachtsgefühl den Inhaftierten in Belarus fehlt. Und das wollen wir den Inhaftierten in Belarus geben. Einfach Liebe aus Stuttgart nach Belarus."

Noch vor wenigen Jahren haben die drei Freundinnen in Stuttgart zusammen Theaterprojekte aufgeführt und Kunstaktionen gestartet. Die Nachricht, dass ihre Freundin festgenommen wurde, habe sie geschockt. "Zuerst weint man", erzählt Viktoriia Vitrenko. "Man versteht es nicht. Warum ist das so ungerecht in dieser Welt?" Aber es sei auch der Ansporn gewesen, ihrer Freundin zu helfen.

"Vielen fehlt das, was wir in Deutschland haben, und das ist die Demokratie. Man muss die Menschen, in meinem Fall Maria, meine Freundin, einfach unterstützen. In allem, was sie tut. In allem, was ich für sie tun kann."

Stuttgarter Kunstprojekt will Sparten zusammenbringen

Die drei Künstlerinnen Jasmin Schädler, Viktoriia Vitrenko und eben Maria Kolesnikowa sind die Macherinnen hinter der Stuttgarter Initiative InterAKT. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, "Künstler*innen aus verschiedenen Sparten zu interdisziplinären Projekten" zusammenzubringen. Im Fokus stehen dabei "Diskussion und Reflexion zu sozialpolitischen und technologischen Themen". Jüngstes Projekt war eine Konzertperformance zu den Themen Liebe und der Freizügigkeit sowie den damit verbundenen körperlichen Gefahren wie HIV.

Auszeichnung "Stuttgarter Friedenspreis" für Kolesnikowa 

Maria Kolesnikowa soll auch den "Stuttgarter Friedenspreis 2021" erhalten. Das Bürgerprojekt "Die AnStifter" will damit Kolesnikowas Engagement für mehr Bürgerrechte in Belarus würdigen. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung wurde wegen der aktuellen Corona-Lage auf das Frühjahr 2022 verschoben.

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