"Mach deinen Gegner zu deinem Mitarbeiter" - das könnte sich Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) gedacht haben, als er sich für Martin Körner (SPD) als neuen Chefstrategen entschieden hat. Denn Körner ist nicht irgendwer, sondern war bisher als Chef der SPD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat bekannt. In dieser Position war er schon aufgrund seines politischen Amts einer der härtesten Kritiker des CDU-Oberbürgermeisters - das gehört als Anführer einer der Oppositionsfraktionen schließlich sozusagen zur Stellenbeschreibung dazu.
Gestern politische Rivalen, ab jetzt beide im "Team Nopper"
Körner wäre selbst gerne anstelle von Nopper Stuttgarts Oberbürgermeister geworden. Aber ungefähr drei Wochen vor dem zweiten Wahlgang, bei dem Nopper für die CDU schließlich den Sieg holen sollte, hatte Körner im November 2020 die Reißleine gezogen: Im ersten Wahlgang hatte er als SPD-Kandidat weniger als zehn Prozent der Stimmen geholt.
Junge Union lehnt Noppers Entscheidung ab
Die Jugendorganisation von Noppers eigener Partei, die Junge Union, lehnt die Entscheidung des Oberbürgermeisters ab.
"Dass Körner, der als OB-Kandidat nicht einmal zehn Prozent der Stimmen erhalten hat, jetzt die Stadtpolitik der nächsten Jahre planen soll, obwohl seine Ideen von der Stadtbevölkerung eindeutig abgelehnt wurden, erscheint sehr fragwürdig", sagte der JU-Kreisvorsitzende Leonard Rzymann. "Der Bürger hat nicht Frank Nopper gewählt, um Martin Körner zu bekommen."
Rockenbauch: OB will nur noch repräsentieren
Auch von den Grünen und vom Linksbündnis im Stuttgarter Gemeinderat gibt es Kritik. Körners Ernennung sei noch lange kein Plan, um die großen Herausforderungen der Klimakrise, der Mobilität und des Wohnens strategisch anzupacken, sagte der Grünen-Kreisvorstand der "Stuttgarter Zeitung".
Dort äußerte sich auch Hannes Rockenbauch, Fraktionsvorsitzender des Linksbündnisses Linke/SÖS/Piraten/Tierschutzpartei im Stuttgarter Gemeinderat. Nopper habe einen erfahrenen Kommunalpolitiker gesucht, der ihm die Kartoffeln aus dem Feuer hole, während der OB sich aufs Repräsentieren zurückziehen wolle, so Rockenbauch.
Ein Schachzug, mit dem wohl niemand gerechnet hat
Auch andere Beobachter sind erstaunt über die Personalentscheidung von Nopper. Einer vergleicht die Entscheidung mit dem Fall, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Widersacher Friedrich Merz engagieren würde, der schließlich Chef der oppositonellen Bundes-CDU ist.
Auch auf Twitter reagieren manche mit Kopfschütteln, so zum Beispiel Daniel Abbou, früher Pressesprecher des damaligen BW-Wirtschaftsministers Nils Schmid (SPD).
Das sagt Martin Körner selbst über seinen neuen Job für Nopper
"Wir beiden haben dasselbe Ziel: Eine gute Zukunft für die Stadt Stuttgart und daran arbeiten wir gemeinsam", hat Körner im SWR gesagt. Er rechne mit einer Zusammenarbeit über mehrere Jahre hinweg.
Die Arbeitsteilung zwischen seinem künftigen Chef und ihm sehe ungefähr so aus: "Er ist der, der entscheidet, ich bin der, der Rat geben kann und bei der Umsetzung unterstützen kann." Seinen Posten als SPD-Fraktionschef gebe er auf, weil beides nicht zusammenpasse. Tempo 30 in Stuttgart werde "sicherlich nicht unser erstes Thema sein", sagt Körner über bevorstehende Projekte. Stattdessen wolle man sich in nächster Zeit zum Beispiel um die Opernsanierung kümmern.
Wer ist Martin Körner und was hat er bisher gemacht?
Martin Körner hat Volkswirtschaftslehre (VWL) studiert und danach unter anderem bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gearbeitet. Der 51-Jährige kommt aus Schwäbisch Hall, wie die Website der Stadt Stuttgart informiert. Er ist Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten, darunter dem der BW-Bank, und im Ausschuss "Stuttgart 21/Rosenstein".