Überwachungskamera an Hauswand (Foto: IMAGO, by-line = Christoph Hardt via www.imago-images.de)

Reaktion auf Stuttgarter Krawallnacht 2020

Mehr Kameras: Stuttgart erhöht Videoüberwachung in der Innenstadt

Stand

Die Stadt Stuttgart filmt nun stärker, was Passanten in der Innenstadt tun. CDU-Politiker zeigen sich begeistert. Kritiker warnen, das werde der Atmosphäre in der Stadt schaden.

Jetzt ist es soweit: Die Stadt setzt in der Stuttgarter Innenstadt seit Freitagabend 23 zusätzliche Überwachungskameras ein. Sie filmen an sieben zentralen Orten der Stadt das nächtliche Geschehen. Bis Ende August sollen darüber hinaus Kameras an einem weiteren Standort dazukommen, sodass es dann insgesamt 30 Kameras verteilt auf acht Standorte seien, teilte die Stadtspitze mit. Hintergrund der Aktion ist die Stuttgarter Krawallnacht 2020, die sich bald zum zweiten Mal jährt.

Wo filmen die Kameras in der Stuttgarter Innenstadt?

Wenn Ende August wie geplant alle Kameras laufen, befinden sich nach Angaben der Stadt zwei der Standorte im Oberen Schlossgarten, vier im Bereich Schlossplatz/Planie/ Königstraße und zwei weitere am Kleinen Schlossplatz.

Schon seit Juni 2021 nutzt die Polizei fünf Kamerastandorte des Finanzministeriums. "Zwei der Kameras erfassen seither den Schlossplatz bis hin zur Freitreppe am Kleinen Schlossplatz. Die weiteren Kameras erfassen den Bereich des Eckensees und den Durchgang zwischen dem Neuen Schloss und dem Kunstgebäude", teilte die Stadt mit. Hinweisschilder sollen die Menschen dort darauf aufmerksam machen, dass sie gefilmt werden könnten.

So könnte ein Hinweisschild Schild aussehen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Paul Zinken)
So könnte ein Hinweisschild zur Videoüberwachung aussehen (Symbolbild).

Wann laufen die Kameras?

Die Kameras laufen nach Angaben der Stadt an Wochenenden zwischen Freitag und Sonntag sowie vor Feiertagen. Sie zeichnen dann jeweils zwischen 20 und 6 Uhr auf. "Hintergrund ist, dass es in diesem Zeitraum in der Vergangenheit verstärkt zu Straftaten in der Innenstadt gekommen ist", teilte die Stadt mit. Speziell geschulte Polizistinnen und Polizisten werten die Bilder in Echtzeit aus. Automatische Gesichtserkennung komme aber nicht zum Einsatz, teilten die Behörden dem SWR mit. Die Aufnahmen werden demnach nach 72 Stunden gelöscht, falls bis Ablauf dieser Frist kein Anlass dafür besteht, sie für Ermittlungen zu verwenden.

Während der übrigen Zeiten seien die Kameras ausgeschaltet. Dann befänden sie sich außerdem in einer Position, in der sie nicht filmen könnten: "Haben die Kameras diese Position eingenommen, ist auch für Passanten durch ein rotes Kreuz an den Kameras sichtbar, dass sie nicht in Betrieb sind", heißt es von der Stadt.

Überwachungskameras sind an einem Mast vor dem Finanzministerium in Richtung Eckensee angebracht. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow)
Überwachungskameras sind an einem Mast vor dem Finanzministerium in Richtung Eckensee angebracht.

Wird man in Stuttgart jetzt bei Demos oder in der Kneipe gefilmt?

Die Stadt teilt dazu mit, dass "private Bereiche, Versammlungen und Veranstaltungen" von den Kameras grundsätzlich nicht gefilmt würden. Sie habe mit dem BW-Datenschutzbeauftragten auch vereinbart, dass weitere "besonders schutzwürdige Bereiche wie Gewerbe- und Gastronomiebetriebe" sowie deren Außenbereiche "so verpixelt werden, dass auf den Bildern keine Personen identifizierbar sind."

Neue Kameras in der Stuttgarter Innenstadt - was soll das bringen?

Die Stadtspitze verspricht sich davon, dass Behörden besser auf Gefahren reagieren können: "Optimierte Videobeobachtung rund um den Schlossplatz bringt uns allen mehr Sicherheit", sagte Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) zur Begründung. Die Stadt teilte außerdem mit, sie habe den Datenschutzbeauftragten des Landes in die Planungen eingebunden.

Was hat die Stuttgarter Krawallnacht 2020 damit zu tun?

Das Land und die Stadt hatten nach der sogenannten Krawallnacht im Juni 2020 eine Sicherheitspartnerschaft vereinbart und einen Zehn-Punkte-Plan aufgestellt. Die neuen Kameras sollen der Polizei helfen, mutmaßliche Täter zu ermitteln und schnell einzugreifen. Es kontrollieren nun außerdem mehr Polizisten im Stadtzentrum, auch mehr Beleuchtung und die Videoüberwachung gehören dazu.

Rückblick: Das ist in der Krawallnacht 2020 geschehen (Archiv vom Juni 2021)

Was sagen Befürworter der Videoüberwachung in der Stuttgarter City?

Neben CDU-Oberbürgermeister Nopper ist unter anderem auch sein Parteikollege Thomas Strobl vom Sinn der Maßnahme überzeugt. Der CDU-Landeschef und baden-württembergische Innenminister sprach angesichts der zusätzlichen Kameras von einem "Meilenstein auf dem gemeinsamen Weg zu noch mehr Sicherheit in der Stuttgarter Innenstadt".

Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, nimmt an einer öffentlichen Sitzung des Innenausschusses im Landtag von Baden-Württemberg teil. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliancedpa  Marijan Murat)
Innenminister Thomas Strobl zeigte sich begeistert von mehr Kameras in Stuttgart.

Was sagen Kritiker?

Mehr Kameras sorgen dagegen nach Ansicht des Linken-Politikers Luigi Pantisano nur bei manchen Menschen für ein stärkeres Sicherheitsgefühl: "Vielleicht in einer weiß geprägten Polizeibehörde oder in konservativen Politikkreisen", sagte der Stuttgarter Stadtrat im SWR.

Portraitbild von Luigi Pantisano, OB-Kandidat in Konstanz (Foto: Pressestelle, Pressebild Luigi Pantisano. Bild: Christoph Musio)
Luigi Pantisano

"Aber es gibt die, die sich in dem öffentlichen Raum aufhalten, Jugendliche, people of colour, schwarze Menschen, verschiedenste Menschen, die sich eben nicht sicherer fühlen durch eine Videoüberwachung."

Sie würden sich stattdessen beobachtet fühlen und sich nicht mehr frei entfalten können, kritisiert Pantisano. Stuttgart sei eine liberale Großstadt, in der Menschen sich frei bewegen könnten. Eine Videoüberwachung führe dazu, dass sich Menschen einschränkten. Mehr Kameras schaden daher aus Pantisanos Sicht der Stadt.

Stand
AUTOR/IN
SWR