Stadtdekan Christian Hermes beim Katholikentag (Foto: Pressestelle, DRS)

"Wir glauben uns die Welt nicht schön"

Nach dem Katholikentag: Stadtdekan Hermes hofft auf Reformen

Stand

Stuttgarts Stadtdekan Christian Hermes zieht nach dem Katholikentag im SWR-Interview Bilanz. Angesichts der niedrigen Teilnehmerzahlen müsse man das Konzept seiner Ansicht nach überdenken.

SWR: Es steht das große Aufräumen und Bilanzieren an. Manch einer hat vielleicht auch nochmal ein stilles Gebet gesprochen oder Halleluja gerufen, dass es vorbei ist. Wofür betet man denn jetzt, für einen Geldsegen?

Stadtdekan Christian Hermes: Wir haben ganz viel gebetet die letzten Tage. Es war ein großes Ereignis für die, die dabei waren. Und schade für alle, die nicht dabei waren. Über die Teilnehmerzahlen kann man viel spekulieren, warum das jetzt so gekommen ist. Ich glaube, man muss das Konzept Katholikentag auch mal überdenken. Aber was mich am meisten freut: Es war ein großes Fest des Glaubens. Es wurden die ernsten Themen ernst diskutiert - auf hohem Niveau. Und unsere katholische Kirche in Stuttgart, das wurde mir so oft bescheinigt, hat sich als innovativ, authentisch und auf der Höhe der Zeit gezeigt.

Wenn man auf die nüchternen Zahlen in der Kasse guckt, war es aber eher eine Pleite, oder?

Pleite würde ich jetzt nicht sagen. Der Aufwand steht für mich auch in einem nicht ganz ausgeglichenen Verhältnis zur Besucherzahl. Da muss man sehr ernsthaft drauf schauen. Das kann nicht einfach so weiterlaufen. Das wird in Erfurt schon mal überhaupt nicht möglich sein, das mit dieser Finanzierung von zehn Millionen zu machen. Es steht uns auch an, da bescheidener zu sein. Das wurde auch gefordert, übrigens auch von der ZDK-Präsidentin. Das muss sich dann vielleicht auch im nächsten Katholikentag zeigen. Ich bin eigentlich dafür, dass wir sowieso jetzt mal darüber nachdenken, das vielleicht mit der evangelischen Kirche zusammen zu machen. Das wäre doch ein tolles Zeichen.

Es sollte bei dem Katholikentag auch um Rückenwind gehen bei den großen Krisenthemen in der Kirche, aber auch in der Welt. Gibt es dafür überhaupt Raum angesichts von 1.500 Veranstaltungen?

Das war tatsächlich eine Riesenzahl von Veranstaltungen. Aber es gab wirklich Highlights. Es gab für Diskussionen über das Thema Klimawandel, über die ethischen Themen wie beispielsweise Suizidbeihilfe. Es gab große Veranstaltungen auch zum Thema Ukraine. Der Bundeskanzler war da, auch der Bundespräsident. Ich habe gehört, dass viele sehr beeindruckt waren. Also dass wirklich auf hohem Niveau und einer großen Ernsthaftigkeit diskutiert wurde, aber eben nicht hoffnungslos. Wir glauben uns die Welt nicht schön, sondern wir schauen die Probleme an und versuchen, aus unserem christlichen Geist, aus dem Geist des Evangeliums, heraus etwas beizutragen zur Lösung.

Sie sind ja auch beim Synodalen Weg dabei, also der Reformbewegung innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Nach diesem großen Treffen jetzt von Katholiken hier in Stuttgart: Was überwiegt, Frust oder Hoffnung, dass sich was ändert in der Kirche?

Also gespürt habe ich, dass der Druck im Kessel enorm ist. Da sind die gekommen, das muss man ganz klar sagen, die eine Hoffnung haben und die kirchliche Veränderungen erwarten. Und ich hoffe, dass die Bischöfe, die da waren und alle anderen vernommen haben und gespürt haben, dass die Reformen, die wir jetzt tun können, getan werden müssen in den deutschen Diözesen. Da ist viel mehr möglich, als bisher gemacht wird, dass wir nicht die Menschen vertrösten können und dass wir die großen Themen, die wir weltkirchlich lösen müssen, wirklich jetzt in den großen synodalen Prozess, den Papst Franziskus ausgerufen hat, einbringen müssen. Und es gibt keine Zeit mehr. Sonst laufen uns die Leute weiterhin davon.

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