Hat die Stadt Stuttgart bis zu 150 Millionen Euro an Vorauszahlungen für Hilfsmittel nicht abgerufen? Diesen Vorwurf erhebt der FDP-Landtagsabgeordnete Friedrich Haag. Dabei gehe es um finanzielle Mittel des Landes, die die Stadt zur Unterbringung von Geflüchteten hätte einsetzen können. Diese sind auch laut einem Schreiben des Ministeriums für Migration bisher nicht abgerufen worden. Die Stadt Stuttgart widerspricht, dass Gelder dadurch verloren gehen würden.
FDP-Abgeordneter: "Stadt hat Mittel nicht beantragt"
Angesichts der angespannten Finanzlage müsse die Stadt jede Möglichkeit nutzen, um ihre Liquidität zu sichern, sagt Friedrich Haag. Jedoch habe die Stadt jahrelang sogenannte Vorgriffszahlungen beim Land nicht beantragt. Bei diesen Zahlungen überweist das Land den Stadt- und Landkreisen formlos und prüfungsfrei 60 Prozent der Kosten für die vorläufige Unterbringung von Geflüchteten.

In einer kleinen Anfrage im Landtag hatte Haag beim Ministerium, das für Justiz und Migration zuständig ist, erfragt, wie viele Gelder die Landeshauptstadt in den vergangenen Jahren beantragt hat. In der Antwort von Justizministerin Marion Gentges (CDU) heißt es: "Die Landeshauptstadt Stuttgart hat von der Vorgriffszahlung in Höhe von 60 Prozent für die Jahre 2022, 2023 und 2024 bislang keinen Gebrauch gemacht." Laut Haag würden der Stadt so aktuell rund 100 bis 150 Millionen Euro entgehen.
Stadt Stuttgart: "Wir bekommen dadurch keine zusätzlichen Gelder"
Auf SWR-Anfrage bestätigt die Stadt Stuttgart, dass seit 2022 keine Vorgriffszahlungen beantragt wurden. Stadtsprecher Sven Matis betont hierbei aber: "Vorgriffszahlungen sind keine zusätzlichen Gelder, sondern lediglich eine vorzeitige Abschlagszahlung, die mit der späteren Endabrechnung verrechnet wird." Sprich: Laut der Stadt Stuttgart gehen dadurch keine Gelder verloren. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine habe man daher wegen des hohen Aufwands darauf verzichtet, diese Gelder vorzeitig zu beantragen. Dies wolle man nun aber nachholen.
Wir erhalten durch die Vorgriffszahlungen keinen Cent mehr vom Land, nur eben früher.
Stadt könnte Mittel noch abrufen
Auch das Ministerium für Migration weist im Antwortschreiben an Haag darauf hin, dass es keine Frist für die Beantragung gibt. Die Stadt Stuttgart sei hierzu mit dem Regierungspräsidium in engem Austausch. Darüber hinaus seien für die vorherigen Jahre 2019 bis 2021 bereits mehrere Millionen Euro an die Stadt ausgezahlt worden. Außerdem seien die "Vorgriffszahlungen" laut Ministerium kein verbindliches Angebot des Landes. Nicht alle Stadt- und Landkreise hätten bisher diese Möglichkeit in Anspruch genommen.
Wie viel Euro bekommt die Stadt vom Land?
Da sich die finanzielle Lage zugespitzt habe, will die Stadt Stuttgart nach eigenen Angaben nun tatsächlich noch die Vorgriffszahlungen abrufen. Auch wenn im Nachgang bei der Endabrechnung die Stadt nicht mehr Geld dadurch erhalte. Was die Höhe der abrufbaren Mittel angeht, widerspricht die Stadt Stuttgart dem FDP-Abgeordneten Friedrich Haag. Für das Jahr 2025 rechne man mit Vorgriffszahlungen in Höhe von rund neun Millionen Euro, für 2023 würden es knapp acht Millionen Euro und für 2024 etwas über neun Millionen Euro sein.
Dies liege unter anderem daran, dass die Vorgriffszahlungen vor allem für kurzfristige Unterbringungen gedacht sind, aber in Stuttgart beispielsweise keine Hallen-Notunterkünfte entstanden sind.
Großes Interesse an Infoveranstaltung Stuttgart: Bald Geflüchtete in ehemaliger Sportklinik Bad Cannstatt
In der alten Sportklinik in Stuttgart-Bad Cannstatt werden ab Juni Geflüchtete unterkommen. Auf einer Informationsveranstaltung hat sich die Stadt den Fragen der Nachbarschaft gestellt.
In den vergangenen Jahren waren die Haushalte in einem besseren Zustand, sodass eine Vorgriffszahlung nicht zwingend notwendig war. Da sich die finanzielle Lage eintrübt, rufen wir die Vorgriffszahlungen tatsächlich ab.
Stadt Stuttgart in finanziellen Schwierigkeiten
Seit Monaten ist klar: Die Stadt Stuttgart bekommt zunehmend finanzielle Schwierigkeiten. Jahrelang war die Stadt schuldenfrei. Doch mit Großprojekten, wie dem Bau des Rosensteinquartiers, der Sanierung der Staatsoper und durch Investitionen in Schulen und Infrastruktur muss die Stadt ein Haushaltsloch von über sieben Milliarden Euro füllen.
Unter anderem deswegen soll am kommenden Donnerstag ein Schuldengipfel im Rathaus tagen. Auch dort könnten nicht abgerufene, aber dringend gebrauchte finanzielle Mittel vom Land eine Rolle spielen.