Antonio Olivier steht in der Küche in Bietigheim (Kreis Ludwigsburg). Mit einer weißen Schürze, einer Kopfbedeckung und Kunststoffhandschuhen wäscht der Gastronom eine Frucht, die viele Menschen wohl noch nie probiert haben: die Haskap-Beere. "Ausschauen tut sie ja wie eine Heidelbeere", erklärt er. Doch sie schmecke etwas säuerlicher und aromatischer. Heidelbeeren seien weniger aromatisch als früher, findet er, die Haskap-Beere habe hingegen "noch wirklich einen intensiven Geschmack".

In seinem Lokal "Eissalon Olivier" mit zwei Standorten, das er zusammen mit seinem Bruder Tiziano und der ganzen Familie seit Mitte der 1950er-Jahre betreibt, verarbeitet er nach eigenen Angaben pro Jahr 15 Kilo der Haskap-Beere zu Eis. "Es ist eine Sisyphusarbeit: Sie müssen jede Beere anschauen, es gibt auch zermatschte oder nicht so gute, aber das ist bei allen Beeren so", erklärt er. Das Haskapbeeren-Eis hat außerdem - genau wie die Beere selbst - immer eine kurze Saison: von ungefähr Mitte Mai bis Ende Juni.
"Jetzt probieren wir mal die `Maibeere`", sagt eine Kundin des Eislokals über die Sorte mit der Haskap-Beere. Denn weil sie bereits im Mai reif wird, ist sie auch unter diesem Namen bekannt. "Schmeckt lecker - fruchtig", sagt sie nach dem ersten Probieren. Zuerst glaubt sie, sie habe im "Eissalon Olivier" irrtümlich Erdbeer-Eis bekommen. Doch der Verkäufer versichert, es sei tatsächlich eine Kostprobe der Haskap-Beeren-Sorte. Ihr Fazit: Bei Hitze werde sie möglicherweise eine Kugel davon zur Erfrischung kaufen, aber an ihr Lieblingseis mit Kaffee- oder Kokosgeschmack komme es nicht ran.

Haskap-Beere seit 2019 in der EU als Lebensmittel erlaubt
Nachdem die EU die Haskap-Beere 2019 als Lebensmittel zugelassen hat, sind nach und nach immer mehr Menschen auf den Geschmack gekommen. Bei neuartigen Lebensmitteln werde immer geprüft, ob sie sicher seien, erklärt Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Beim Genehmigungsverfahren für die Haskap-Beere innerhalb der EU habe auch eine Rolle gespielt, dass sie in Japan schon seit vielen Jahren sicher verzehrt werde.
Die Haskap-Beere enthält ihren Angaben zufolge unter anderem viel Vitamin C, außerdem Vitamin A, Vitamin E und verschiedene Mineralstoffe wie beispielsweise Magnesium, Calcium und Eisen. Das mache aber keinen Unterschied zu vielen anderen heimischen Beeren: "Diese wertvollen Inhaltsstoffe sind in der Haskap-Beere, aber auch in anderen Beeren, die wir hier zu Hause schon länger kennen", sagt die Ernährungsexpertin.
Aus einem Gespräch entstand eine neue Eissorte
Gastronom Antonio Olivier entdeckte die Haskap-Beere eher durch Zufall: Er kauft seine Erdbeeren bei der Obstgarage Munz aus Bietigheim-Bissingen. Landwirt Ulrich Munz baut seit vier bis fünf Jahren auch die Haskap-Beere an. "Er hat mir die mal zum Probieren gegeben, dann sind wir ins Gespräch gekommen und ich habe gesagt, wenn er mal eine größere Menge hat, würde ich gerne mal Eis daraus machen."

Munz lebt vor allem vom Verkauf von Erdbeeren und Äpfeln, außerdem baut er Kirschen, Himbeeren und Gemüse an. Die Haskap-Beere komme bei Kundinnen und Kunden seines Hofladens gut an, sagt er. Um noch mehr auf den Geschmack zu bringen, stellt er in seinem Hofladen "Probierschälchen" bereit - und wer bei ihm eine Portion Haskap-Beeren kaufen will, bezahlt dort für 250 Gramm aktuell 4,50 Euro.

Verbraucherzentrale: "Superfood" ist reines Marketing
Gastronom Antonio Olivier ist von der Haskap-Beere überzeugt: "Ist halt eine Powerfrucht, eine Vitaminbombe seinesgleichen." Auch auf Social Media loben manche die Beere in den höchsten Tönen und sprechen von einem "Superfood". Die Verbraucherzentrale hält aber nichts von solchen Lobeshymnen und warnt vor zu großen Versprechen. "Superfood ist ein Marketingbegriff, der ist nicht rechtlich geregelt und es geht einfach darum, diese Produkte besonders gut zu verkaufen", sagt Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Generell könne jedes Lebensmittel als Superfood verkauft werden, wenn man den entsprechenden Inhaltsstoff hervorhebe. "Insofern ist die Haskap-Beere ein tolles Lebensmittel, eine leckere Beere. Sie kann unseren Speiseplan bereichern, aber keine Wunderwirkungen erzielen." Sie schütze als einzelnes Lebensmittel nicht vor Erkrankungen, heißt es von der Verbraucherzentrale. Zugleich stellt sie mit Blick auf Werbung klar: Werbeaussagen, die sich auf die Vorbeugung, Heilung oder Linderung von Krankheiten beziehen, seien für alle Lebensmittel und somit auch für die Haskap-Beere verboten.