Inklusion und Teilhabe werden in Baden Württemberg zwar groß geschrieben, denn das Kultusministerium setzt viel darauf, dass Eltern sich aussuchen dürfen, ob ihr behindertes Kind in eine sonderpädagogische oder eine normale Einrichtung gehen soll. Für Letztere braucht es allerdings oftmals zusätzliche Unterstützung. Und genau da beginnt für Eltern wie die der zweijährigen Uljana aus Stuttgart-Untertürkheim ein langer Kampf mit den Ämtern.
Tochter Uljana soll eine reguläre Kita besuchen können
Liuba Melnitschuk und Mykola Timoshchuk machen sich Sorgen um die Zukunft ihrer Tochter. Sie wollen, dass sie ein möglichst normal Leben führen kann. Uljana ist zwei Jahre alt und fast taub. Von Geburt an ist sie hörbehindert. In der Fachsprache heißt es: mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit, erklärt ihre Mutter. Ein Cochlea-Implantat soll ihr helfen, wenigstens ein bisschen zu hören. Ihre Eltern wollen, dass sie eine normale Kita besucht, trotz ihrer Behinderung. Doch dafür braucht sie Hilfe:
"Man kann das vergleichen mit einer Rollstuhl nutzenden Person, die erstmal eine Rampe braucht, um überhaupt zum Gebäude kommen zu dürfen. Daher braucht auch meine Tochter eine Assistenz, um erstmal teilhaben zu können."

Langer Behördenweg - keine besondere Betreuung
Vor eineinhalb Jahren stellte die Familie bereits einen Antrag auf Assistenz in der Kita. Ein in solchen Fällen eingesetztes Gremium, auch Teilhabekonferenz genannt, erkannte die Notwendigkeit. Der Antrag wurde bewilligt. Was seither fehlt, ist die Genehmigung der Stadt Stuttgart zur Finanzierung. Es folgte ein langer Schriftwechsel. Liuba Melnitschuk holt einen dicken Ordner aus dem Regal. Voll mit Briefen und ausgedruckten Emails. Sie hat sogar an die Sozialbürgermeisterin der Landeshauptstadt geschrieben - ohne Antwort. Auch auf wiederholte SWR-Anfrage kommt keine eindeutige Aussage. Am Ende heißt es schriftlich :
"Es besteht nach unserer Kenntnis bereits die Zusage eines städtischen Kindergartens. Die Aufnahme in diesen Kindergarten ist nicht von einer zusätzlichen Assistenz abhängig."
Austausch der Argumente bewirkt nur Stillstand
Keine Notwendigkeit auf Assistenz für Uljana, wenn es nach der Stadt geht. Auf diese Einstellung weist auch ein Brief des Sozialamts an Liuba Melnitschuk hin: "Für die Antragstellerin im jungen Alter bietet das Zusammensein und die Orientierung an anderen Kindern ohne gebärdensprachliche Assistenz im Kindergarten eine Chance auf weniger Separation", zitiert die Mutter. Damit stellt sich die Stadt gegen die Entscheidung der Teilhabekonferenz.
Die Eltern ziehen vor Gericht
Uljanas Eltern haben mittlerweile das Sozialgericht eingeschaltet, ihnen droht zum wiederholten Mal die Absage einer der in Stuttgart seltenen Kitaplätze.
"Das ist ein riesiger Zeitverlust für unsere Tochter. Sie benötigt eine soziale Umgebung . Wenn sie viele Monate zuhause bleibt, ohne die Chance auf Assistenz in der Kita, die die Gebärden können, bleibt so viel für sie auf der Strecke."

Das Sozialgericht sieht das offenbar auch so und beschließt: Die Stadt Stuttgart muss die Assistenz zumindest bis zur endgültigen Entscheidung bewilligen.
"Wir sind unsicher, wie die Behörde demnächst entscheiden wird. Wird sie überhaupt entscheiden?"
Es ist für die Familie nur ein kleiner Sieg in einem langen, zähen Ringen, das wohl noch weiter gehen wird. Liuba Melnitschuk sagt, sie könne verstehen, warum so viele Eltern dieses Ringen aufgeben.