Der baden-württembergische Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Hans-Jürgen Kirstein, hält die Verurteilung zweier Teilnehmer der Stuttgarter Krawallnacht nach Jugendstrafrecht für nicht ausreichend. Man könne nicht nachvollziehen, "dass in beiden Fällen bei bereits volljährigen Personen nach dem Jugendstrafrecht geurteilt wurde", teilte Kirstein am Mittwoch mit.

Tags zuvor hatte das Amtsgericht Stuttgart einen 18- und einen 19-Jährigen in den ersten beiden öffentlichen Prozessen zur Krawallnacht wegen besonders schweren Landfriedensbruchs zu Jugendstrafen von jeweils zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die beiden hatten im Juni während der nächtlichen Krawalle in der Landeshauptstadt die Scheiben von Polizeiautos zerstört. Das Gericht ging in seinen Urteilen weit über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinaus.
GdP: Urteile nach Jugendstrafrecht könnten zu mild sein
Kirstein äußerte: "Unabhängig von Person und Straftat fordern wir grundsätzlich, dass volljährige Straftäter nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Alles andere ist für uns nicht nachvollziehbar und legt die Vermutung nahe, dass Urteile nach dem Jugendstrafrecht möglicherweise zu mild ausfallen können."
Die Deutsche Polizeigewerkschaft hingegen hatte die Haftstrafe gegen den 18 Jahre alten Randalierer bereits kurz nach dem Urteil am Dienstag begrüßt. Das Urteil sei ein klares und deutliches Signal und werde zur Abschreckung beitragen, sagte der Landesvorsitzende Ralf Kusterer. "Wer Straftaten begeht, muss dafür die Härte des Gesetzes spüren." Dazu werde der Strafrahmen ausgeschöpft. Die Höhe der Strafe sei wesentlich zur Vermeidung von Gewalt und Kriminalität, so Kusterer weiter.

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Der Anwalt des 18-Jährigen will nach eigenen Angaben Berufung einlegen. Insgesamt erwartet das Amtsgericht bis zu 100 Prozesse zur Krawallnacht. Bereits wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht angeklagt sind unter anderem ein damals 16-Jähriger und ein 19-Jähriger, die einem am Boden liegenden Studenten gezielt gegen den Kopf getreten haben sollen.
Hitzige Debatten nach der Krawallnacht
Bei den nächtlichen Auseinandersetzungen im Juni hatten Dutzende vor allem junge Männer in der Stuttgarter Innenstadt randaliert. Es wurden zahlreiche Beamte verletzt und Schaufenster zerstört. Die Vorfälle sorgten weit über Stuttgart hinaus für Schlagzeilen und hitzige Debatten, auch weil der Anteil der Beteiligten mit Migrationshintergrund weit über dem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Stuttgart liegt.

Sozialarbeiterinnen verwiesen nach den Krawallen darauf, dass sie aus Gesprächen erfahren hatten, dass viele der beteiligten Jugendlichen es als unfair und respektlos empfanden, häufig auf Drogen oder zuletzt die Einhaltung der Corona-Regeln kontrolliert zu werden. Die Stadt hat bereits angekündigt, die mobile Jugendarbeit zu stärken, um künftige Ausschreitungen zu verhindern. Auch soll im nächsten Jahr eine Videoüberwachung am Eckensee in der Innenstadt, von dem die Krawallen ihren Ausgang nahmen, installiert werden.