Als 8-Jähriger deportiert

Nazis verschleppten Stuttgarter Garry Fabian ins KZ Theresienstadt

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Christian Spöcker
Christian Spöcker, SWR  (Foto: SWR, SWR/Tim Benscheid)

Vor 80 Jahren wurden fast 1.100 jüdische Menschen aus dem heutigen BW deportiert. Kurz danach erlitt auch Gerhard Fabian dieses Schicksal. Als Überlebender begann er in Australien ein neues Leben.

Anlässlich des 80. Jahrestags der Deportation von mehr als 1.000 Jüdinnen und Juden ins KZ Theresienstadt hat der Holocaust-Überlebende und gebürtige Stuttgarter Garry Fabian das Rathaus seiner Geburtsstadt besucht. Am Sonntag will er gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Religion sowie von zahlreichen Organisationen und Initiativen daran erinnern, was am 22. August 1942 in Stuttgart geschah.

Nachdem das NS-Regime jüdische Menschen auf dem Killesberg in ein Sammellager gesteckt hatte, mussten sie an diesem Tag zu Fuß zum Inneren Nordbahnhof gehen. Von dort wurden sie ins KZ Theresienstadt deportiert. Garry Fabian war acht Jahre alt, als Nationalsozialisten ihn und seine Familie wenige Monate nach der Stuttgarter Deportation ebenfalls dorthin verschleppten.

Er überlebte und zog mit seinen Eltern nach Australien, wo er seit 1948 lebt. Dort erhielt die dortige Staatsbürgerschaft und legte zugleich seinen Vornamen Gerhard ab. Als er Ende der 80er-Jahre erstmals nach Deutschland zurückkam, habe er keine Verbindung zu seinem früheren Heimatland gespürt, sagte er am Donnerstag bei seinem Besuch im Stuttgarter Rathaus.

"Ich war ein Reisender in einem fremden Land."

Beim Anblick von Deutschen habe er sich immer gefragt, was diese während der Nazi-Zeit gemacht hätten. Durch mehrere Besuche, den Austausch mit Jugendlichen und die Verbindung mit Initiativen in der Landeshauptstadt sei das aber immer besser geworden. "Ich fühle mich sehr zuhause", sagte er am Donnerstag über sein heutiges Verhältnis zu Deutschland.

Sammellager auf dem Killesberg

Die Opfer der Stuttgarter Deportation am 22. August 1942 stammten aus 58 Orten im Gebiet des heutigen Baden-Württemberg. Besonders viele von ihnen lebten zuvor in Haigerloch (Zollernalbkreis, 135 Menschen), Dellmensingen (Alb-Donau-Kreis, 101 Deportierte) und Oberstotzingen (Kreis Heidenheim, 91 Jüdinnen und Juden). 48 der damals verschleppten Menschen überlebten das KZ. Die zweitägige Zugfahrt von Stuttgart in die damalige Tschechoslowakei war bereits die dritte große Deportation von jüdischen Menschen aus dem späteren Baden-Württemberg, diesmal vor allem von Alten und Kranken.

Juden wurden in Stuttgart zusammengetrieben

In der Otto-Umfrid-Straße im Stuttgarter Norden fuhren insgesamt zwölf solcher Züge ab. Im April 2022 wurde dort bereits an die Deportation von mehr als 440 Menschen ins Durchgangsghetto Izbica in Polen erinnert. Im Dezember 2021 jährte sich außerdem der Transport von etwa 1.000 Jüdinnen und Juden aus Württemberg und Hohenzollern ins Konzentrationslager nach Riga in Lettland.

Heute erinnert in Stuttgart die Gedenkstätte "Zeichen der Erinnerung" an die Züge, die für viele Menschen den Tod bedeuteten.

"Hotel Silber": Planungsort der Juden-Vernichtung

Stuttgart war nicht nur Startpunkt der Züge. In der Dorotheenstraße 10 organisierten die Nationalsozialisten damals die Deportation von jüdischen Menschen sowie von Regimegegnerinnen und -gegnern, genauso wie deren im Vorfeld stattfindende Verfolgung und Verhaftung. Vielen gilt das „Hotel Silber“ dort daher als Inbegriff des NS-Terrors in Württemberg.

Seither gab es zwischenzeitlich Pläne, das Gebäude abzureißen und dort stattdessen ein Einkaufsviertel zu bauen. Doch nach langem Kampf um den Erhalt des Gebäudes wurde im Dezember 2021 im „Hotel Silber“ schließlich eine Gedenk- und Erinnerungsstätte eröffnet.

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