Die Debatte über Stände und Fahrgeschäfte auf dem Frühlingsfest Stuttgart nimmt noch einmal an Fahrt auf. Denn nachdem die Grünen-Fraktion im Gemeinderat beantragt hatte, die Stadt müsse ihrer Ansicht nach sexistische oder diskriminierende Zeichnungen und Figuren künftig verbieten, zeigte Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) wenig Verständnis für die Forderung. Die Grünen reagierten darauf empört und legten ihm indirekt eine Fortbildung zum Thema Sexismus nahe.
Nopper: Gemeinderat ist "keine Zensurbehörde"
In einer Stellungnahme Noppers heißt es, er rate "zur Gelassenheit, zu Maß und Mitte sowie zur Konzentration auf das, was wirklich wichtig ist".

"Der Gemeinderat sollte keine Zensurbehörde, kein Hoher Rat der Tugend- und Sittenwächter, der Inquisitoren und Diskriminierungsfahnder werden."
Darüber hinaus nimmt Nopper die Schaustellerinnen und Schausteller beim Frühlingsfest in Schutz: Sie befinden sich nach seiner Ansicht "nach zwei Jahren der Pandemie in einem wirtschaftlichen Überlebenskampf und müssen ihre Kräfte auf existenzielle Themen konzentrieren".
Diese Darstellungen sind nach Ansicht der Grünen sexistisch oder diskriminierend:
CDU Stuttgart ebenfalls gegen Forderung der Grünen
Mit seinem Statement schließt sich Nopper der Position des Stuttgarter CDU-Kreisvorsitzende Thrasivoulos Malliaras an, der neben seinem politischen Amt zugleich beruflich Noppers Referent ist. Malliaras hatte sich bereits am Dienstag auf Twitter ablehnend zu den Forderungen der Grünen-Gemeinderatsfraktion geäußert. "Ganz ehrlich: Lasst doch mal das Frühlingsfest einfach Frühlingsfest sein. Man muss Jahrmarkt-Kultur nicht verstehen oder mögen, aber man sollte sie einordnen können. Wer das nicht kann, greift offensichtlich zur CancelCulture", schrieb er.
Grüne legen Nopper indirekt eine Fortbildung zum Thema Sexismus nahe
Die Grünen reagierten empört auf Noppers Statement. Der Diskriminierungsschutz sei aus ihrer Sicht eine städtische Aufgabe. Den Grünen gehe es dabei nicht um Zensur, sondern "schlicht darum, ob diese Darstellungen noch mit dem Grundverständnis einer diskriminierungsfreien Werbung in Einklang zu bringen ist".
Es sei dringend, dass die Gleichstellungsstelle der Stadt eine Fortbildungskampagne zum Thema Sexismus mache. "Gerade aus dem Statement des Oberbürgermeisters springt einen die Unwissenheit und unsägliche Verwechslung von Sexualität und Lust im Gegensatz zu Sexismus als sexualisierte Diskriminierung förmlich an", heißt es in einer Mitteilung der Grünen.
Offen ist, wie eine Abstimmung im Stuttgarter Gemeinderat ausgehen würde, wenn es um die Forderung der Grünen geht, die Stadt solle solche Abbildungen verbieten. Dabei geht es auch um Darstellungen von Menschen aus anderen Kulturen.
Noppers CDU könnte im Gemeinderat überstimmt werden
Die CDU und die Grünen stehen sich im Stuttgarter Gemeinderat als die beiden größten Fraktionen gegenüber: Die Grünen verfügen über 16 Sitze und Stimmen, die CDU kommt auf zwölf. Andere Fraktionen sind daher in Stuttgart auch bei anderen Entscheidungen das "Zünglein an der Waage", sodass im Vorfeld von Abstimmungen immer nur schwer abgeschätzt werden kann, wie diese ausgehen.
Ob sich der Gemeinderat in einer Abstimmung für oder gegen das Verbot solcher Frühlingsfest-Motive entscheiden würde, würde daher davon abhängen, wem sich die sechs anderen Parteien, Wählervereinigungen oder Zusammenschlüsse anschließen würde. Dazu gehören unter anderem die SPD (sieben Stimmen) und die FDP (fünf Stimmen).
Grüne und CDU: Treffen auf dem Cannstatter Festgelände
Am Mittwoch hatten sich Vertreterinnen und Vertreter von Grünen und CDU ein Bild von den kritisierten Ständen und Fahrgeschäften gemacht. Bei dem Treffen sagte Stadträtin Jitka Sklenářová (Grüne) dort dem SWR, es sei nicht damit getan, dass Schausteller-Betriebe wie der von Sabine Ernst die blanken Brüste von Stand-Figuren überkleben ließen. Stattdessen sei eine größere Debatte über das Thema nötig. Auch der CDU-Kreisvorsitzende Thrasivoulos Malliaras war vor Ort. Bei einer Umfrage des SWR unter Besucherinnen und Besuchern des Frühlingsfests äußerten sich die meisten eher kritisch über die Position der Stuttgarter Grünen.
Diese wollen sich am Donnerstag mit Vertreterinnen und Vertretern von Schausteller-Betrieben treffen. Für Freitag plant der Stuttgarter Verwaltungsausschuss "Wirtschaft und Wohnen" außerdem eine Besichtigung auf dem Frühlingsfest.