
Durch den Kurpark von Stuttgart-Bad Cannstatt drehen einige Frau auf bunten Leihrädern schon ganz routiniert ihre Runden. Andere sind noch etwas wacklig auf ihren Rädern, brauchen manchmal noch die stützende Hand der Trainerin. Kein Wunder: In ihren Heimatländern hatten die Frauen aus Syrien, dem Iran oder Afghanistan nicht die Möglichkeit, das Fahrradfahren zu lernen. Die 31-jährige Lina Zhang ist ganz begeistert: "Nach dem Training - nach zwei Monaten - kann ich jetzt ganz gut fahren", erzählt sie. "Und ich freue mich drüber."
Staunen über fahrradfahrende Frauen
Projektkoordinatorin Zahra Farash kennt das Gefühl gut. Sie war 2018 eine der ersten Kursteilnehmerinnen der Initiative Bike Bridge (auf deutsch: Fahrradbrücke) in Stuttgart. Die 22-Jährige floh 2014 aus Afghanistan nach Deutschland, wo sie zum erstenmal sah, dass auch Frauen Fahrrad fahren. "Das war für mich ein Wunder, etwas ganz Neues", erinnert sie sich.
Bike Bridge will Brücken bauen
Heute koordiniert Farash bei Bike Bridge Stuttgart den Fahrradkurs für Geflüchtete, der in Kooperation mit dem Sportkreis Stuttgart angeboten wird. Die Idee dazu kam aus Freiburg. Dort hatten Frauen festgestellt, dass in einer Unterkunft für Geflüchtete fast nur Männer und Kinder auf dem Hof zu sehen waren. Aus Gesprächen mit den Frauen in der Unterkunft erfuhren sie, dass diese aber sehr wohl interessiert an sozialen Kontakten, Spaß und Mobilität waren. Die Idee zum Fahrradkurs wurde geboren.
Geflüchteten Frauen ein Gefühl von Freiheit vermitteln
Für Zahra Farash geht es bei den Fahrradkursen um mehr als nur darum, sich sportlich zu betätigen oder mobiler zu sein. Sie will, dass die Frauen "das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit haben, das wir in unseren Ländern nicht hatten - aber hier haben wir es."
"Das ist auch Integration"
Viele der geflüchteten Frauen hatte nie Sportunterricht. Vor allem am Gleichgewichtssinn fehlt es. Deshalb machen die Trainerinnen mit den Frauen auch entsprechende Übungen. Dabei wird auch viel gelacht. Und das gemeinsame Lernen und Erleben verbindet die Frauen. Das kann Seraj aus Afghanistan nur bestätigen. Für die 23-Jährige ist Bike Bridge tatsächlich eine Brücke zur Gesellschaft. "Der Kurs ist mir wichtig", erzählt sie. "Ich kann andere Leute kennenlernen und Kontakte machen. Das ist auch Integration!"