Interview: "Das hat sich angefühlt wie eine Ewigkeit!"

Erdbeben in Thailand: Ralf Weinberger aus Esslingen berichtet aus Bangkok

Stand

Von Autor/in Christoph Ulmer

Der Esslinger Ralf Weinberger wurde am Freitag im obersten Stock eines Hochhauses in Bangkok von dem starken Erdbeben in Thailand und Myanmar überrascht. Er ist bis heute tief beeindruckt - vom Beben wie von den Thailändern.

Wieso erlebt ein Esslinger das Erdbeben in Bangkok? Nun, Ralf Weinberger verleiht in der Neckarstadt Boote für Fahrten auf den kleinen Kanälen dort. Im Winter hat er nur Bürotätigkeiten - und die kann er von überall aus der Welt machen - vorzugsweise von dort, wo es warm ist. Das macht er so seit etwa 30 Jahren. Dieses Jahr ist der selbsterklärte "Winterflüchtling" in der thailändischen Hauptstadt Bangkok - und nun, kurz vor der Abreise, überraschte ihn dort in seiner Interims-Wohnung das heftige Erdbeben, das am Donnerstag Myanmar und den Norden von Thailand erschüttert hat.

SWR: Herr Weinberger, wie haben Sie selbst das Beben in Bangkok erlebt?

Ralf Weinberger: Bangkok selber liegt recht weit weg vom Epizentrum. Aber: Es war trotzdem ein Erdbeben, wie ich noch nie eins erlebt habe. Wir leben ja in Esslingen in der Nähe des Hohenzollerngrabens, wodurch es ja auch im Stuttgarter Raum immer mal wieder Erdstöße gibt. Aber, wie gesagt: Sowas habe ich noch nicht erlebt.

Ich habe da nur noch Sachen an mich gerafft. Dann bin ich ins Treppenhaus und die Treppe runtergerannt.

Ich wohne in Bangkok derzeit im obersten Stock eines Hochhauses - und dachte dort, ich falle vom Stuhl! Der Swimmingpool ist übergeschwappt, der war danach 40 Zentimeter leerer. Ich habe da nur noch Sachen an mich gerafft, was um mich herum war, und von was ich dachte, was ich brauchen kann. Dann bin ich ins Treppenhaus und die Treppe runtergerannt.

Was ging Ihnen in dem Moment durch den Kopf?

Ich will nicht sagen, dass ich generell keine Angst hatte. Aber in dem Moment war ich so im Abwicklungsmodus, dass ich gar keine Zeit hatte für Angst. Erst, als ich vor der Türe war und dachte: "Geschafft!", da habe ich realisiert, was alles hätte passieren können. Da kommen einem ja die Bilder von Erdbebengebieten wie in der Türkei in den Sinn, wo ganze Häuserzeilen, ganze Stadtteile einstürzen. Und dann steht man vor der Türe und realisiert, wie dort die Bäume schwanken.

In dem Moment war ich so im Abwicklungsmodus, dass ich gar keine Zeit hatte für Angst.

Denn das war ja mal ein Erdbeben! Oft ist da ja nur ein einzelner großer Erdstoß. Aber das, das ging Minuten lang. Das hat sich angefühlt wie eine Ewigkeit! Also nicht ein Erdstoß und dann beruhigt sich wieder alles - und vielleicht folgt dann noch ein Nachbeben. Sondern das hat sich angefühlt, wie wenn hinter einem jemand deinen Stuhl rüttelt, auf dem du sitzt. So wurde man mehrere Minuten lang am Stück durchgeschüttelt.

Welche konkreten Schäden gab es in ihrer Umgebung? Wie sieht es aktuell in Bangkok aus?

Ich bin erstaunt, welche Bau-Qualität in Thailand herrscht und wie streng das wohl kontrolliert wird. Ich bin nach dem Beben mit dem Motorrad herumgefahren. Ich habe keine heruntergefallenen Ziegel, Fassadenplatten oder Ähnliches entdeckt. Die Brücken und Hochstraßen wurden sofort gesperrt und geprüft. Mittlerweile ist alles wieder freigegeben. Das Haus, in dem ich wohne, habe ich auch inspiziert, etwa nach Rissen im Treppenhaus - da gibt's überhaupt nichts! Und ich sehe ja aus dem obersten Stock recht weit: Alle Häuser ringsum sind in Ordnung.

In Bangkok war ein im Rohbau befindliches Hochhaus bei dem Erdbeben von Myanmar und Thailand eingestürzt. Nun laufen dort die Suche nach Opfern und die Aufräumarbeiten.
In Bangkok war ein im Rohbau befindliches Hochhaus bei dem Erdbeben von Myanmar und Thailand eingestürzt. Nun laufen dort die Suche nach Opfern und die Aufräumarbeiten.

Ich habe auch Verbindungen in den Norden von Thailand, wo man näher am Epizentrum war, Richtung Myanmar also. Und meine Bekannten haben mir versichert, bei ihnen sei auch alles glimpflich abgegangen. Natürlich gibt es immer Schäden. Und wer auch im Moment des Bebens auf einer Leiter stand, der stand danach wohl nicht mehr oben. Und dann dieser Rohbau für ein Hochhaus, das eingestürzt ist und wovon man überall die Bilder gesehen hat: Solche Sachen sind schon passiert, auch in Thailand. Aber eben nicht in dem Ausmaß, wie wir es in Myanmar nun sehen.

Nun planen Sie aber, Bangkok zu verlassen - warum?

Tatsächlich bin ich in den letzten Zügen hier. Denn das Frühjahr beginnt jetzt ja in Deutschland und es gibt nichts Schöneres, als den Frühling bei uns zu erleben. Deshalb bin ich quasi schon mit einem Bein auf dem Rückweg - also: auf dem geplanten Rückweg! Es gab tatsächlich einige Leute, die panisch meinten, sie müssen nun unbedingt heimreisen. Doch das Erdbeben war am Donnerstag so um 14 Uhr Ortszeit - und mein größter Schaden seither ist meine Armbanduhr. Bei der Flucht nach draußen habe ich den Verschluss nicht richtig zugemacht und sie ist zwei Stockwerke tief hinuntergefallen.

Nach dem Erdbeben haben Helfer in Bangkok in einer Straße Zelte aufgeschlagen. Betroffene des Bebens werden hier medizinisch versorgt und bekommen Lebensmittel und Wasser. Weite Teile der Stadt kehrten aber rasch zum Alltag zurück.
Nach dem Erdbeben haben Helfer in Bangkok in einer Straße Zelte aufgeschlagen. Betroffene des Bebens werden hier medizinisch versorgt und bekommen Lebensmittel und Wasser. Weite Teile der Stadt kehrten aber rasch zum Alltag zurück.

Und schon am Freitagabend hatten Bars, Läden und Straßenstände wieder geöffnet. Ich habe den ganzen Tag im Park verbracht, der war voll mit Menschen. Jeder, der konnte, hatte sich zu irgendeinem Platz begeben, wo nichts über ihm zusammenstürzen kann. Tatsächlich ist nur das Handynetz kollabiert, weil alle den Freunden und Verwandten schreiben wollten, dass alles okay ist. Aber am Abend herrschte wieder Normalität. Wenn Sie am Abend nach Bangkok gekommen wären, ohne von dem Beben gehört zu haben, hätten Sie sich nur über die Staus gewundert - denn die ganzen Highways und Brücken waren da noch gesperrt. Es war für die allermeisten ein Schock, es gab ein Erstarren. Und dann war es aber auch überstanden.  

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