Ein Denkmal von Kaiser Wilhelm I. auf dem zentralen Stuttgarter Karlsplatz ist mit einem roten Tuch verhüllt.  (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Anstoß für Umgang mit Erinnerungskultur

Stadt Stuttgart begrüßt Verhüllung der Kaiser-Wilhelm-Statue beim Katholikentag

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Oliver Linsenmaier
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Auf SWR-Anfrage hat sich die Stuttgarter Verwaltung zur Verhüllung der Reiterstatue von Kaiser-Wilhelm geäußert. Dabei kam heraus: Die Stadt hat die Aktion finanziell unterstützt.

Die Stadt Stuttgart hat nichts gegen die umstrittene Verhüllung der Kaiser-Wilhelm-Statue auf dem Karlsplatz während des Katholikentags 2022 einzuwenden - im Gegenteil. Vielmehr hat das Stuttgarter Kulturamt die Aktion der Künstler-Gruppe "ReCollect" mit 2.000 Euro gefördert. Das erklärte ein Sprecher am Mittwoch auf SWR-Anfrage.

Erklärende Tafel soll angebracht werden

"Wir sehen, dass die Aktion zu einer Auseinandersetzung mit der Person des Kaiser Wilhelm I. führt und befürworten, wenn daraus ein konstruktiver Diskurs entsteht", sagte er. Dabei ist die Stadt Stuttgart nicht einmal für die Statue verantwortlich. Der Karlsplatz und damit auch das Reiterdenkmal sind Eigentum des Landes Baden-Württemberg. Dennoch hat die städtische Koordinierungsstelle für Erinnerungskultur zusätzlich zu der 2.000-Euro-Förderung für 300 Euro eine Tafel anfertigen lassen. Auf dieser sind die geschichtlichen Hintergründe des Denkmals erläutert. Sie soll am 28. Mai für einen gewissen Zeitraum angebracht werden.

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Bereits am vergangenen Freitag wurde die mitsamt Sockel rund acht Meter hohe Reiterstatue mit einem riesigen roten Tuch verhüllt. Bis zum Ende des Katholikentags am Sonntag wollen "ReCollect" und die Organisatoren des Katholikentags damit einen Denkanstoß gegeben. "Wir verhüllen, weil wir darauf aufmerksam machen wollen. Das ist ein rotes Tuch", sagte Ralf Häußler, Mitorganisator des Katholikentags, dem SWR. "Wir wollen das Denkmal nicht stürzen, sondern zu einem Ort des Nachdenkens machen."

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Statt Kaiser Wilhelm I. sehen die Gäste des Katholikentags auf dem Karlsplatz nur ein rotes Tuch. Ein Landtagsabgeordneter sagt, dass es so nicht weitergehen könne.

Schließlich finden auf dem Karlsplatz die internationalen Veranstaltungen des Katholikentags statt. Dazu passt für die Verantwortlichen das Denkmal Kaiser Wilhelms I. nicht, der aus ihrer Sicht dem Nationalismus und der Kolonialisierung im Deutschen Reich den Weg bereitete. Das habe man nicht verschweigen, sondern thematisieren wollen, erklärte Häußler. Denn auch wenn die Kolonialzeit vorbei sei, werde Afrika noch heute ausgebeutet. Daher wird es auf dem Karlsplatz in den kommenden Tagen auch mehrere Veranstaltungen zu dem Thema geben.

Historiker ordnet Rolle von Kaiser Wilhelm I. ein

Markus Himmelsbach, Experte für Kolonialismus am Stuttgarter Linden-Museum, kann die Kritik an Kaiser-Wilhelm I. nachvollziehen. Er habe dazu beigetragen den Grundstein für die deutsche Kolonialpolitik zu legen, sagte der Historiker dem SWR. Auch wenn er nicht so aktiv und aggressiv wie sein Nachfolger Wilhelm II. gehandelt habe, so sei unter Wilhelm I. der Großteil des deutschen Kolonialbesitzes erworben worden, sagte Himmelsbach.

"Er hat wirklich den Weg für die ganze Kolonialpolitik bereitet."

Rückbau der Kaiser-Wilhelm-Statue für Stadt vorerst kein Thema

Die Stadt Stuttgart möchte sich zur Rolle von Wilhelm I. nicht äußern beziehungsgweise diese nicht bewerten. Zumindest wurde eine entsprechende SWR-Frage nicht beantwortet. Etwas klarer ist die städtische Pressestelle an anderer Stelle: "Aus Sicht der Stadt steht daher auch ein möglicher Rückbau nicht im Fokus, sondern die Beschäftigung der vielfältigen Stadtgesellschaft mit dem Denkmal und mögliche Arten der Kontextualisierung des Denkmals."

Das stärke das Verständnis für Geschichte und der "multiperspektivischen Erinnerungskultur" und sei damit Teil eines wichtigen demokratischen Prozesses, teilte der Sprecher weiter mit. Ohnehin ist für die Stadt die aktuelle Debatte Ausdruck einer lebendigen Erinnerungskultur, durch die sich Stuttgart auszeichne.

Kaiser Wilhelm I. auf dem Karlsplatz in Stuttgart ohne rotes Tuch (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Christoph Schmidt)
So sieht das unverhüllte Denkmal auf dem Karlsplatz in Stuttgart aus. (Archivbild)

Stadt arbeitet an Netzwerk für Erinnerungskultur

Die Koordinierungsstelle Erinnerungskultur versuche aktuell, ein Netzwerk zum Thema Erinnerungskultur ins Leben zu rufen, führte der Sprecher weiter aus. Mit diesem soll dann unter anderem der Umgang mit Denkmälern diskutiert werden. Darüber hinaus sollen Lösungen gesucht werden, wie diese kontextualisiert, also in einen besseren Zusammenhang gestellt werden können. Im Blick hat man dabei den Bismarckturm oder das Löwen-Denkmal für das Grenadierregiment Königin Olga im Schlosspark.

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