Vierte Corona-Welle in Baden-Württemberg

Kliniken unter Druck: Erste Krankenhäuser fragen Hilfe der Bundeswehr an

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Christina Erdkönig

Kündigungen und Krankheitsfälle in den Kliniken in BW: Wegen Personalnotstands in der vierten Corona-Welle fragen Kliniken die Unterstützung der Bundeswehr an.

"Die Personalsituation in den RKH-Kliniken kann durchaus als dramatisch bezeichnet werden", sagt die stellvertretende Pressesprecherin der RKH-Kliniken Dorothee Hüppauf in Markgröningen (Kreis Ludwigsburg). "Viele erfahrene Intensivpflegerinnen und -pfleger haben in den letzten Monaten gekündigt. Außerdem fallen gerade viele Beschäftigte krankheitsbedingt aus. Nicht nur wegen Corona, sondern wegen Magen-Darm-Infekten oder der Grippe."

70-80 Bundeswehrsoldaten angefragt

Die Regionalen Kliniken Holding (RKH), die unter anderem Krankenhäuser in Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen und Markgröningen betreiben, haben deshalb um Unterstützung der Bundeswehr gebeten. Es gehe darum, die Mitarbeiter der RKH-Kliniken zu entlasten, die ihre Grenzen längst überschritten hätten, hieß es. 70-80 Bundeswehrsoldaten wurden angefragt. Die Anfrage sei über das baden-württembergische Sozialministerium erfolgt.

"Wir brauchen vor allem Hilfe bei den Eingangskontrollen in die Kliniken. Außerdem brauchen wir Unterstützung bei den vielen Abstrichen für Corona-Schnelltests, die wir täglich bei neuen Patienten und Beschäftigten in den Krankenhäusern machen müssen."

"Wenn die Bundeswehrsoldaten da sind, kann das medizinische Fachpersonal, das derzeit die Abstriche macht, wieder zurück in die direkte Arbeit mit den Patienten", hofft Hüppauf. Die medizinischen Fachangestellten (MFA) würden dringend in der direkten Patientenbetreuung benötigt.

Zwei Sanitäter der Bundeswehr helfen in Ravensburger Klinik

Diese Woche beginnen bereits zwei Bundeswehrsoldaten des Sanitätsregiments in Dornstadt (Alb-Donau-Kreis) im St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg ihren Einsatz. Das Ravenburger Klinikum gehört zum Oberschwabenklinik-Verbund (OKS). Die beiden Sanitäter sollen dort im medizinischen Bereich eingesetzt werden und das dortige Personal unterstützen.

Im Oberschwabenklinik-Verbund, zu dem die Krankenhäuser in Ravensburg, Bad Waldsee und Wangen im Allgäu gehören, sei die Personalsituation sehr angespannt, teilte der OKS-Sprecher Winfried Leiprecht mit.

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Auf den Intensivstationen spitzt sich die Lage zu, das medizinische Personal kommt langsam an seine Grenzen. In den Häusern der Oberschwabenklinik (OSK) helfen ab sofort Bundeswehrsoldaten aus.

Gute Erfahrungen mit Bundeswehrsoldaten in Oberschwaben

Im April und Mai waren dort bereits sechs Bundeswehrsoldaten im Einsatz. Durch die Unterstützung der Soldaten, die ausgebildete Pflegefachkräfte und Notfallsanitäter waren, konnten damals auf der sogenannten Intermediate Care-Station drei bis vier zusätzliche Betten belegt werden. "Die Integration der Bundeswehrsoldaten in den Klinikbetrieb war sehr unkompliziert. Das waren Profis, die zum Teil schon in Afghanistan im Einsatz waren", so Leiprecht. Die Intermediate Care-Station ist eine Überwachungsstation und gilt als Vorstufe zur Intensivstation. Dort werden Covid-Patienten beobachtet, bevor entschieden wird, ob sie auf die Intensivstation verlegt werden müssen.

Bundeswehr hilft in Gesundheitsämtern

Im Landeskommando der Bundeswehr in Stuttgart sind bereits in den letzten Wochen mehrere Amtshilfeanträge von Landkreisen in Baden-Württemberg eingegangen. So helfen zum Beispiel zehn Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten im Gesundheitsamt des Landratsamtes des Enzkreises in Pforzheim bei der Kontaktnachverfolgung von Menschen, die corona-positiv getestet wurden. Zehn weitere helfen ebenfalls bei der Kontaktnachverfolgung im Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises.

Außerdem seien von der Stadt Stuttgart zur Unterstützung in Schnelltestzentren und in einem Impfstützpunkt insgesamt 94 Soldatinnen und Soldaten angefragt worden, teilte Oberstleutnant Markus Kirchenbauer, Pressesprecher des BW-Kommandos, am Dienstag dem SWR mit. Dabei gehe es um administrative Aufgaben. Kirchenbauer betonte, die Bundeswehr stelle in der vierten Welle in ganz Deutschland 6.000 Soldatinnen und Soldaten bereit. Je nach Entwicklung der Pandemie könne die Hilfe aber noch ausgeweitet werden.

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