Der Schriftzug "Amt" ist auf einer Computertastatur hinter einem Netzwerkkabel zu sehen. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Büttner)

Krieg in der Ukraine

Erst mal zum Amt: Wie ukrainische Geflüchtete in der Region Stuttgart ankommen

Stand

Immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine kommen in der Region Stuttgart an. Viele stehen vor bürokratischen Hürden, was die Anmeldung und die Suche nach Wohnungen angeht

Viele Geflüchtete, die aus der Ukraine in der Region Stuttgart ankommen, sind traumatisiert, erschöpft und haben nur das Nötigste bei sich. Um hier Hilfe zu bekommen, einen Platz zum Schlafen, etwas zu essen und vor allem Geld, müssen sie zunächst auf die Ämter und jede Menge Formulare ausfüllen.

Hilfe beim Ausfüllen von Formularen

In der Landeshauptstadt Stuttgart müssen die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft als erstes ins Bürgerbüro. Ähnlich wie bei einem normalen Umzug. Im Stuttgarter Stadtteil Münster ist dafür in der Stadtteilbibliothek ein sogenanntes Pop-up-Bürgerbüro entstanden.

Dort hilft unter anderem Daniela Käser beim Ausfüllen der Formulare. Fragen zum Familienstatus oder ob man alleine angereist ist, müssen beantwortet werden. Viele Geflüchtete, darunter auch eine ältere Dame, die alleine aus der Ukraine gekommen ist, würden gerne Deutsch lernen und eine Arbeit finden, um etwas Geld zu verdienen.

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Fragen nach Anmeldung und Arbeitserlaubnis

Eine Übersetzerin berichtet dem SWR, sie helfe nicht nur mit der Sprache, sondern erklärt auch, wie man sich in Stuttgart anmeldet, Geld und eine Arbeitserlaubnis bekommt.

Sabine Bachhofer und Daniela Käser vom Bürgerbüro in Stuttgart-Münster versuchen, neben der Bearbeitung der Formulare auch auf die Situation der Menschen einzugehen.

"Es ist eine Ausnahmesituation. Man merkt den Leuten an, sie sind einfach dankbar, dass sie hier sind, dass sie hier Hilfe bekommen und sich anmelden können."

Es sei sehr berührend, wenn man mit den Menschen spreche und die Schicksale erfahre. "Das lässt einen nicht kalt. Das ist der krasse Unterschied zum normalen Alltag im Bürgerbüro", so Daniela Käser.

"Rundum-Service" im Sozialamt angeboten

Nach der Anmeldung geht es weiter zum Sozialamt. Hier versucht der Leiter der Abteilung Flüchtlinge, Daniel Benneweg, alle erforderlichen Schritte möglichst einfach zu gestalten. Man habe alles unter einem Dach: die Ausländerbehörde, den Bereich soziale Leistungen und den Bereich Unterkünfte. An einem Standort könne man somit einen "Rundum-Service" anbieten, sagt Benneweg.

Das Sozialamt möchte pragmatische Lösungen finden, und trotzdem: für alles stehen die Flüchtlinge an. An Spitzentagen waren schon 400 Leute da, um Hilfe zu bekommen.

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"Gut organisiert aber schwer zu verstehen"

Die meisten Geflüchteten sind trotzdem sehr dankbar für die Hilfe. Man bekomme gute Kleidung und sehr gutes Essen. Die Menschen seien sehr freundlich und herzlich, erzählt eine Ukrainerin dem SWR. Eine andere sagt, es ist sei alles sehr gut organisiert aber schwer zu verstehen. Die Tochter könne zum Glück Englisch, sonst wäre es noch schwieriger, so die Frau.

Anspruch auf Asylleistungen

Danach geht es weiter geht es zur Stadtkämmerei. Hier gibt es sowas wie das erste Taschengeld. Die Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, haben Anspruch auf Hilfe nach dem Asylgesetz. In den vergangenen acht Tagen wurden dort nach Angaben der Behörde rund 800.000 Euro ausgezahlt. Die Stadt Stuttgart hat aktuell etwa 2.400 Menschen untergebracht, vor allem in Hotels, aber auch in angemieteten Hallen.

Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) würde sich wünschen, dass die Kommunen etwas weniger allein gelassen werden. Denn das sei alles auch schon mal kontrollierter abgelaufen. In der letzten Flüchtlingswelle habe es eine glasklare Regelung gegeben, so Fuhrmann, einen Verteilungsschlüssel. "Man wusste damals, wie viele Menschen kommen würden und man konnte sich darauf einstellen." Das habe man momentan nicht. Fuhrmann würde sich wünschen, dass die Geflüchteten kontrollierter verteilt werden. Das würde allen helfen, so Fuhrmann weiter - vor allem auch den Landkreisen.

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Wohnungssuche gestaltet sich schwierig

Organisierteres und schnelleres Handeln wünscht sich auch Viktor Wiese aus Schorndorf (Rems-Murr-Kreis). Er ist ehrenamtlicher Helfer und in der Immobilienbranche tätig. Nach eigener Aussage hat er schon 16 bis 17 Familien aus der Ukraine geholfen. Zeit- und kräfteraubend dabei sei vor allem die Bürokratie, schildert Wiese im Gespräch mit dem SWR.

Bis vor kurzem habe er drei Familien privat bei sich wohnen lassen und dort auch gemeldet. Allein die Anmeldung bei den Behörden ziehe sich ewig, so Wiese. Die Ämter im zuständigen Landratsamt in Waiblingen schieben seiner Ansicht nach die Verantwortlichkeiten zu den Gemeinden, diese wieder zum Landratsamt - nötige Formulare seien nicht vorhanden.

Ungeklärter Aufenhaltsstatus kostet Zeit

Das Problem dabei ist laut Wiese der Aufenthaltsstatus der Geflüchteten. Keine Anmeldung bedeutet: ungeklärter Aufenthaltsstatus. Ist der nicht geklärt, gibt es auch keine Sozialleistungen und damit auch keine Wohnung, die vom Jobcenter gezahlt wird, berichtet Wiese.

Wiese schildert außerdem, er habe derzeit einen privaten Vermieter an der Hand, der gerne so schnell wie möglich an ukrainische Geflüchtete vermieten würde. Der Vermieter sei auf die Mieteinahmen angewiesen. Wiese wiederum habe die passende Familie dazu. Das Problem: Wann diese Leistungen vom Amt erhält, ist ungewiss. Deshalb entscheidet sich der Vermieter laut Wiese wohl für andere Mieter.

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