Oberleitungsschaden am Stuttgarter Hauptbahnhof (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Christoph Schmidt)

VCD kritisiert Kommunikation der Deutschen Bahn

Bahnexperte: Vermutlich dauert Bahn-Störung in Stuttgart länger

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INTERVIEW
Martina Klein

Nach dem Bahnchaos in Stuttgart sollen die Probleme möglichst bis Donnerstag behoben sein. Matthias Lieb vom VCD bezweifelt das im Interview und spart nicht mit Kritik an der Bahn.

Matthias Lieb ist der baden-württembergische Landesvorsitzende des Verkehrsclub Deutschland (VCD). Im Interview mit dem SWR sprach er am Montag über die Kommunikationspolitik der Bahn, fehlende Ersatzteile im Stellwerk und mögliche Zusammenhänge mit Stuttgart 21.

Matthias Lieb vom VCD (Foto: Verkehrsclub Deutschland VCD)
Der Landesvorsitzende vom VCD in Baden-Württemberg, Matthias Lieb, würde der Bahn beim Thema Kommunikationspolitik eine sechs geben. Er wünscht sich unter anderem mehr Personal, das fachkundig Auskunft geben kann. (Archivfoto)

SWR Aktuell: Herr Lieb, die Bahn gibt seit Samstag immer wieder den Hinweis, sich auf bahn.de oder über die Bahn-App zu informieren. Ist das die Kommunikation, die man sich als Fahrgast wünscht?

Matthias Lieb: Nicht wirklich. Denn da sieht man ja nur, dass die Züge ausfallen. Aber das hilft nicht wirklich weiter. Und die Züge, die fahren, sind teilweise auch verspätet, weil zu viele Fahrgäste dann mit den noch verbleibenden Zügen fahren wollen. Dadurch funktionieren eben auch Anschlüsse, die auf dem Papier funktionieren würden, nicht. Deswegen muss man auf jeden Fall stark nachsteuern, auch die Informationen verbessern, und nicht nur auf die App verweisen. Ich brauche auch vor Ort Personal, das fachkundig Auskunft geben kann.

Und daran mangelt es?

Lieb: Daran mangelt es, weil das natürlich auch alles in den letzten Jahren zurückgefahren wurde mit dem Hinweis: Wir haben doch die tolle App, da kann sich doch jeder informieren. Natürlich kann man sich da informieren, wenn der Betrieb normal läuft oder mit geringen Störungen. Wenn aber so eine massive Großstörung ist, dann brauche ich eben doch zusätzliche Informationen.

Welche Note würden Sie der Kommunikationspolitik der Deutschen Bahn geben?

Lieb: Nun, übers Wochenende war sowieso alles schwierig, weil noch weniger Personal da ist. Aber das war auf jeden Fall weniger als ausreichend, das war schon ungenügend.

Jetzt grübeln alle über die Ursache nach. Genannt wird ein Kurzschluss in einer Oberleitung. Kann dieser Kurzschluss wirklich die Ursache dafür sein, dass da ein ganzes Stellwerk zusammenbricht?

Lieb: In so einer Oberleitung sind 15.000 Volt und wenn die an der falschen Stelle rauskommen, nämlich am Stellwerk, kann es natürlich zu Problemen kommen. Und das war hier tatsächlich gegeben. Dieses Stellwerk ist aus dem Jahr 1978, also auch schon etwas älter. Da gibt es auch nicht so die Ersatzteile vorrätig. Außerdem hätte es 2025 sowieso außer Betrieb genommen werden sollen mit dem neuen Tiefbahnhof. Das heißt, da hat man in den letzten Jahren nicht mehr zu viel modernisiert. Aber das ist natürlich äußerst unbefriedigend. Auch, dass es wohl bis Donnerstag dauern sollte, bis alles wieder alles funktioniert. Mich würde es aber nicht wundern, wenn es tatsächlich noch länger würde, bis alle Fahrmöglichkeiten wiederhergestellt sind.

Also mit anderen Worten: Hat die Deutsche Bahn die Infrastruktur verrotten lassen und hängt das auch wiederum dann in weitestem Sinne doch mit Stuttgart 21 zusammen?

Lieb: Wir haben generell das Problem, dass der Bund - anders als in anderen Ländern wie Schweiz und Österreich - sehr wenig Geld für die Eisenbahn zur Verfügung stellt und dieses Geld dann teilweise eben auch in falschen Projekten verwendet wird und die Bestandsinfrastruktur vernachlässigt wurde. Das gilt insbesondere hier rund um Stuttgart, wo man seit 1994 auf den neuen Bahnhof hofft und deshalb in die alte Infrastruktur nicht mehr investiert hat.

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