Nach der Krawallnacht: Jugendliche Täter sprechen über Gewalt und Strafe. (Foto: SWR)

Präventionsvideo soll in Schulen gezeigt werden

Filmprojekt: Täter sprechen über Stuttgarter Krawallnacht

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Nicole Florié
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Philipp Pfäfflin

Wie haben Täter die Stuttgarter Krawallnacht erlebt? Haben sie aus ihren Strafen gelernt? Was würden sie heute anders machen? Ein Polizist hat die Täter für ein Filmprojekt interviewt.

Bei den Wiedergutmachungskonferenzen zwischen Opfern und Tätern der Stuttgarter Krawallnacht ist das Filmprojekt "Ausgetickt" entstanden. Darin haben fünf verurteilte Täter vor der Kamera über ihre Sicht der Stuttgarter Krawallnacht gesprochen.

Im Mittelpunkt des Films steht Luan. Der Stuttgarter Polizist hat die fünf Täter interviewt und wollte wissen, warum sie glauben, wie es zu der Gewalt kommen konnte. Die Antwort der jungen Leute: Sie hätten sich cool und durch die Coronamaßnamen gegängelt gefühlt. Dazu kamen Alkohol, Drogen und eine enorme Gruppendynamik.

"Wir haben uns in der Masse halt krasser und besser gefühlt als die Polizei."

Zerbrochene Schaufensterscheiben, geplünderte Geschäfte und Gewalt gegen Polizisten: Die jugendlichen Täter erzählen, dass ihnen erst später wirklich bewusst wurde, was sie getan hatten. Die Krawallnacht samt Festnahme und Verurteilung wurde für sie zum Einschnitt. Ein zu einer Bewährungsstrafe verurteilter junger Mann berichtet beispielsweise davon, wie er vor den Augen seiner Eltern von acht Sicherheitskräften festgenommen wurde: "Das ist nicht so cool. Du weißt nicht, ob du deine Familie nochmal siehst, ob du inhaftiert wirst oder nicht."

Polizist Luan interviewt die Täter der Stuttgarter Krawallnacht

Luan, der Polizist, der ursprünglich als Flüchtling aus dem Kosovo nach Deutschland kam und sich von der Hauptschule zum Oberkommissar hochgearbeitet hat, will wissen, was die Strafe mit den Jugendlichen gemacht hat. Er habe auf jeden Fall aus seiner Strafe gelernt, sagt einer der Jugendlichen. Er habe gemerkt, dass "dies nicht der Lauf des Lebens ist, den ich führen möchte".

"Die Zeit im Gefängnis hat mir geholfen."

Auch einen Tipp will einer der Täter anderen Jugendlichen geben: "Immer zweimal nachdenken, bevor du eine Sache angehst", sagt er und erklärt, dass er verstanden habe, wie wichtig es sei, immer "einen Schritt vorauszudenken".

Polizist: Aus den Jungs kann man keine Mutter Teresa machen

Einige der Interviewten saßen mehrere Monate im Gefängnis. Trotzdem waren sie bereit an dem Film mitzuarbeiten. Das hat den Polizisten Luan überrascht: "Weil viele würden sagen: Ne, da hab ich gar keinen Bock drauf. Ich hab schon eine Strafe kassiert, jetzt erst Recht nicht."

In Auftrag gegeben hat den Film die Kommunale Kriminalprävention der Stadt Stuttgart. Dazu gehören der Verein "Sicheres und sauberes Stuttgart", das Stuttgarter Jugendamt und der Verein "Starthilfe" sowie das Polizeipräsidium Stuttgart, das unterstützt und berät. Ellena Krämer vom Verein "Sicheres und sauberes Stuttgart", die das Projekt von Anfang an begleitet, freut sich, dass sich die jungen Menschen geöffnet haben und über ihre Taten, die Gewalt gegen Polizisten und was für sie folgte, zusammen mit Luan vor der Kamera nachgedacht haben. Doch sie und Luan machen sich nichts vor: "Aus den Jungs kann man keine Mutter Teresa machen."

Film über Täter der Krawallnacht soll in Schulen gezeigt werden

Der Film, der derzeit noch in der Endproduktion ist, soll nicht die Krawallnacht wieder aufrollen. Ziel ist die Prävention: So soll der rund neunminütige Film an Schulen, beispielsweise im Rahmen von Projekttagen, gezeigt werden und zu Diskussionen über Themen wie Gewalt, Werte und Respekt anregen. Die fünf jugendlichen Wiedergutmacher sowie Polizist Luan haben ehrenamtlich an dem Film teilgenommen.

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