Schwangerschaftstest (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/dpa-tmn | Mascha Brichta)

Werbeverbot gekippt

Arzt zu Abschaffung von Paragraf 219a: "Hauptprobleme bei Abtreibungen bleiben"

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Der Bundestag hat am Freitag den Paragrafen 219a abgeschafft. Was heißt das für Frauen, die vor einer Abtreibung stehen? Die größten Probleme bleiben, sagt ein Arzt aus Stuttgart.

Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches hat "Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft" verboten. Praxen und Kliniken in Deutschland war dadurch bisher etwa untersagt, ausführlich darüber zu informieren, welche unterschiedlichen Methoden es für den Abbruch gibt. Für Arzt Friedrich Stapf ist die Abschaffung des Paragrafen ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nur ein kleiner: "Wir dürfen jetzt halt auf der Webseite sagen, was und wie wir es machen."

Arzt musste Klinik wegen Abtreibungen verlassen

Friedrich Stapf setzt sich seit 45 Jahren dafür ein, dass bei Schwangerschaftsabbrüchen medizinisch alles in Ordnung gehe, dass Frauen nicht mehr verletzt würden oder schwere Gesundheitsfolgen hätten, sagt er im Interview mit dem SWR. Bis zum Jahr 2015 hat er in Stuttgart gearbeitet und nach eigenen Angaben 2.200 Abbrüche im Jahr vorgenommen - ein Fünftel der gesamten jährlichen Abbrüche in Baden-Württemberg.

Der 75-jährige Arzt macht immer noch Schwangerschaftsabbrüche - arbeitet aber mittlerweile in München. Denn in Stuttgart musste er 2015 aus den Klinikräumen - und fand in der Stadt keine anderen Räume.

Abtreibungsarzt Friedrich Stapf (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance,  dpa | Inga Kjer)
Friedrich Stapf hat von 1991 bis 2015 Abtreibungen in Stuttgart vorgenommen. Mittlerweile arbeitet er in München. (Archivbild)

Mehrfach hatten Abtreibungsgegner gegen seine Praxis demonstriert, das Ringen um den Erhalt damit erschwert. Im Netz wurde Friedrich Stapf damals "Massenmörder" und "Tötungsspezialist" genannt. Denn Abtreibung ist bis heute ein Tabuthema und wird hitzig diskutiert, nicht nur in Polen und den USA. Doch die Zahlen in Baden-Württemberg gehen zurück. Waren es laut Statistischem Bundesamt vor 20 Jahren noch über 14.000 Abtreibungen, sind es heute knapp 10.000. Dennoch ist die Versorgungssituation laut Markus Haist vom Berufsverband der Frauenärzte Baden-Württemberg angespannt. Es gebe zu wenige Praxen und zu wenige Kliniken im Land, die Schwangerschaftsabbrüche vornähmen. Friedrich Stapf gehört zu der Generation Ärzte, die das gemacht haben, die jetzt aber in Rente gehen oder schon in Rente sind.

Schwangerschaftsabbruch (Foto: SWR)
Protest gegen Schwangerschaftsabbrüche. Neben Demonstrationen vor der Klinik von Arzt Friedrich Stapf wurde dieser auch als "Massenmörder" im Internet bezeichnet. (Archivbild)

"Es gibt keinen Nachwuchs, weil in keinem Krankenhaus gewährleistet ist, dass der häufigste gynäkologische Eingriff, der Schwangerschaftsabbruch, durchgeführt wird. Das ist eigentlich empörend."

Klinikum Stuttgart bietet keine Schwangerschaftsabbrüche an

Das Land Baden-Württemberg ist dafür zuständig, die Versorgung von Frauen bei Schwangerschaften sicherzustellen. Doch nur ein kleiner Teil der Kliniken bietet Abbrüche an, das Klinikum Stuttgart beispielsweise nicht. Ein runder Tisch, den es seit ein paar Jahren gibt, soll Lösungsansätze finden. Markus Haist vom Berufsverband der Frauenärzte fordert die Einrichtung von OP-Zentren in Baden-Württemberg. So könne die Stigmatisierung der niedergelassenen Praxen eingedämmt werden. Außerdem brauche es eine gewisse Anonymität, einen geschützten Ort, an dem sich Frauen willkommen und gut behandelt fühlen. Und es brauche eine gewisse Routine und Erfahrung, wie Friedrich Stapf dem SWR sagte: "Es muss wohnortnah und konzentriert sein. Denn wenn in jeder Klitsche einer Schwangerschaftsabbrüche macht, ist es auch nicht so gut, weil es sollte schon jemand sein, der das öfters macht, damit er Erfahrung hat."

Weder Markus Haist noch Friedrich Stapf sind davon überzeugt, dass die Abschaffung des Paragrafen 219a den Versorgungsengpass löst. Es sei lediglich ein kleiner Schritt Richtung Normalität.

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SWR