Luftaufnahme des Stuttgarter Hauptbahnhofs und der Baustelle des Bahnprojekts S21. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Bernd Weissbrod)

Vertrauliche Dokumente und Interviews

Zeitung berichtet über angeblichen Betrug bei Bahnprojekt S21

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Die britische Tageszeitung "Financial Times" schreibt über einen mutmaßlichen Betrug bei Stuttgart 21. Sie verweist dabei auf zwei "Whistleblower" bei der Bahn. Die Bahn widerspricht.

Einige leitende Angestellte der Deutschen Bahn hätten im Rahmen eines groß angelegten Betrugs Unternehmensgelder missbraucht. Diesen Vorwurf hätten zwei Mitarbeiter der Bahn erhoben, berichtet die britische Tageszeitung "Financial Times". Einer der beiden Mitarbeiter sei während der Ermittlungen zu den Vorwürfen entlassen worden. Der zweite sogenannte Whistleblower habe aus Angst den Kontakt zu den unternehmensinternen Untersuchern abgebrochen. Die Zeitung verwies bei ihren Recherchen auf Dokumente und Interviews mit in dem Fall vertrauten Personen.

Es geht um die neue Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie

Bei den Vorwürfen geht es um den Verdacht auf Missmanagement, Betrug und Korruption. Einige leitende Angestellte der Bahn hätten Unternehmensgelder missbraucht und unnötige Aufträge vergeben, so die Zeitung mit Verweis auf die Whistleblower. Diese angeblich unnötig vergebenen Aufträge sollen einen Rattenschwanz nach sich gezogen haben, so der Vorwurf der Informanten. Die Bahn habe nämlich in der Folge Kosten gehabt, damit das Ganze nicht auffliege. Es geht konkret um die Verlegung der Stadtbahnhaltestelle "Staatsgalerie" in Stuttgart. Die Vermutung der Zeitung: Wenn die Bahn für die Haltestelle Geld von der Stadt Stuttgart zurückgefordert hätte, dann hätte die Stadt Stuttgart eben möglicherweise auch etwas von den angeblich unnötig vergebenen Aufträgen mitbekommen. Das habe verhindert werden sollen. Und all das soll laut der Financial Times mit insgesamt 600 Millionen Euro Mitschuld sein an der Kosten-Explosion von Stuttgart 21.

Bahn weist Betrugsvorwürfe zu S21 als falsch zurück

Die Bahn hat auf SWR-Anfrage am Donnerstag mitgeteilt, dass sie die Berichterstattung der "Financial Times" als "nicht zutreffend" zurückweist. Die Deutsche Bahn sei allen Hinweisen nachgegangen und habe diese geprüft. Es seien dabei keine Rechtsverstöße festgestellt worden, hieß es von einem Berliner Bahn-Sprecher. Auch der Vorwurf, dass Hinweisgeber eingeschüchtert worden seien, sei "ebenfalls schlicht falsch". Das bestätige auch ein Urteil des Arbeitsgerichts in Stuttgart vom 1. Juli in diesem Jahr.

Die Deutsche Bahn teilte außerdem mit, dass sie dem Redakteur der Zeitung mehrfach gesagt habe, dass der Bahn kein Schriftstück eines Hinweisgebers vorliege, in dem auf einen Schaden von 600 Millionen Euro durch nicht regelkonforme Vergaben hingewiesen werde. Und weiter: "Bei der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH sind diverse Mechanismen installiert, die wirksam Vorfälle im Bereich der Korruption und Wirtschaftskriminalität verhindern." Konkret spricht die Bahn zum Beispiel von einem Compliance-Management, einem anonymen Hinweisgebersystem und regelmäßigen Berichten im DB-Aufsichtsrat.

Verkehrsminister Hermann fordert Informationen von der Bahn

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) forderte als Folge des Zeitungsberichts Aufklärung und Informationen von der Deutschen Bahn. "Wir zahlen ja fast eine Milliarde Euro bei der Neubaustrecke und fast eine Milliarde Euro bei Stuttgart 21. Da haben wir schon das Interesse zu wissen, wo das Geld hinkommt und ob alles rechtmäßig ausgegeben wurde", so Hermann im SWR-Interview. "Wir erwarten Aufklärung und Informationen von der Projektgesellschaft beziehungsweise von der Deutschen Bahn. Es kann sein, dass an der Sache was dran ist, es kann aber auch sein, dass nichts dran ist. Aber wir wollen aufgeklärt werden."

VCD: "Immer Gefahr von Korruption bei großen Bauprojekten"

Der baden-württembergische Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Matthias Lieb sagte im SWR zu den Korruptionsvorwürfen gegen die Bahn: "Bei großen Baumaßnahmen ist natürlich immer die Gefahr von Korruption. Und Stuttgart 21 war ab dem Beginn 2010 anfänglich sehr chaotisch gelaufen. Mit einer gewissen kriminellen Energie wäre es bestimmt leichter möglich als anderswo, Dinge zu drehen, das kann man hier nicht ausschließen."

Stadt Stuttgart will erst einmal Stellungnahme der Bahn abwarten

Die Stadt Stuttgart teilte auf Anfrage mit, dass sie die Berichterstattung über die Stuttgart 21-Korruptionsvorwürfe zur Kenntnis genommen und Kontakt mit dem Verkehrsministerium aufgenommen habe. Dieses sei bereits auf die Deutsche Bahn zugetreten. Demnach habe die Bahn angekündigt, die Projektpartner zeitnah zu informieren. "Aus Sicht der Stadt erschließt sich nicht aus der Berichterstattung, um welche Maßnahmen es angeblich gehen soll. Der Bericht der Deutschen Bahn an die Projektpartner wird abgewartet."

Stuttgart 21 kostet mehrere Milliarden Euro

Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm umfasst den Umbau des Hauptbahnhofs in der Landeshauptstadt samt Anschluss im Bereich Fildern (genannt S21) sowie die Neubaustrecke von Wendlingen am Neckar (Landkreis Esslingen) über die Alb nach Ulm. Nach letzten Schätzungen dürfte der Mega-Bau insgesamt mehr als zwölf Milliarden Euro kosten.

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SWR