Die Transportwege für die Landwirte aus der Region sind deutlich länger geworden, das haben Recherchen des SWR ergeben. Wegen des geschlossenen Schlachthofs in Gärtringen bringt ein Milchbauer aus dem Kreis Ludwigsburg seine zwei Rinder, die er pro Woche schlachtet, nun in den Schwarzwald. Eine Ferkelzüchterin aus dem Kreis Böblingen berichtet, dass sie mitten in der Nacht aufsteht, um ihre Tiere nach Balingen (Zollernalbkreis) zum Schlachten zu bringen. Sie sei körperlich am Ende, sagt sie.
Landwirte wollen sich nicht öffentlich zeigen
Vor eine Kamera oder ein Mikrofon wollen die Landwirte lieber nicht. Der Grund: Sie werden angefeindet. Landwirte berichten von Drohanrufen, Drohbriefen und Hass-E-Mails, bis hin zu Morddrohungen. Eine Vertreterin des Landesbauernverbandes sagte, sie habe davon gehört, dass Familienangehörige eines Genossenschaftsmitglieds bespuckt worden seien. Gegen die Bauern werde gehetzt - nicht weil sie ihre Tiere misshandelten, sondern weil sie sie schlachten lassen, so die Verbandsvertreterin.
"Ich strenge mich 365 Tage im Jahr an, mit den Tieren gut umzugehen. Aber die Gesellschaft erwartet einen Kuschelzoo, der in der Landwirtschaft so nicht möglich ist - nicht bei diesen Preisen."
Unterdessen feilt die Gärtringer Schlachthofgenossenschaft an einem neuen Konzept für den Schlachthof. Das Landratsamt Böblingen teilte am Donnerstag mit, dass der Genossenschaftsvorsitzende Wilhelm Dengler dem zuständigen Landrat Roland Bernhard über die aktuellen Überlegungen für einen Neustart informiert habe: Demnach sollen im Schlachthof die baulichen Mängel vor einem erneuten Betrieb beseitigt werden. Der Landrat geht daher davon aus, dass mit einem Neustart eher in einigen Monaten und nicht schon in einigen Wochen zu rechnen ist.
"Mit den Veränderungen soll sichergestellt werden, dass ein menschliches Fehlverhalten künftig so gut wie möglich ausgeschlossen wird."
Ende September hatten Video-Aufnahmen aus dem Schlachthof in Gärtringen für einen Skandal gesorgt: Auf den Bildern der Organisation "Soko Tierschutz" sind brutale Misshandlungen von Tieren zu sehen. Die Tierschützer sprechen zum Beispiel von Schlägen mit Stangen und Elektroschockern.
Landratsamt wertet Videos von Tierschützern aus
Seit 2018 wusste das Landratsamt - die zuständige Aufsichtsbehörde - von Missständen. Es gab bereits Verweise und Verfügungen, zum Beispiel wegen baulicher Mängel und technischer Defekte an der Betäubungsanlage. Nach dem Bekanntwerden des Videomaterials von "Soko Tierschutz" ließ das Landratsamt den Schlachthof wenig später schließen. Aktuell wertet die Behörde noch das komplette Videomaterial der Tierschützer aus. Das werde jedoch noch einige Tage dauern, hieß es.