Lange wurde darüber diskutiert, nun ist es so weit: Ab sofort können Menschen in ganz Deutschland für je neun Euro monatlich den Nahverkehr nutzen. Die Aktion ist auf drei Monate begrenzt, also bis Ende August.
In der Praxis lauern Fallstricke, zeigen Bernice Tshimanga und Martin Rottach vom SWR-Studio Stuttgart:
Wir geben einen Überblick zu den wichtigsten Aspekten bei diesem Thema in der Region Stuttgart.
Wie und wo kann ich das 9-Euro-Ticket in der Region Stuttgart kaufen?
Das 9-Euro-Ticket kann nicht nur online, sondern auch an Fahrkartenautomaten und in Reisezentren der Bahnhöfe gekauft werden, so die Deutsche Bahn. Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) verweisen auf die eigene App, außerdem auf die VVS-App und als Fahrkarte zum Ausdrucken auf der Homepage der SSB. Außerdem ist der Fahrschein nach Angaben des VVS über die Ticket-Automaten, in der Region Stuttgart beim Busfahrer - allerdings nicht in den Bussen der SSB - und in den Verkaufsstellen erhältlich.
Wo gilt das 9-Euro-Ticket?
Es gilt nicht nur im Verbundgebiet des VVS. Stattdessen kann man es den gesamten Kalendermonat über in ganz Deutschland im Nahverkehr verwenden. Dazu zählen Straßen- und Stadtbahnen, U- und S-Bahnen, Stadt- und Regionalbusse und Regionalzüge (RB, RE, IRE).
Reisende können also mit dem 9-Euro-Ticket zum Beispiel zum Bodensee oder nach Sylt fahren. Nach Überlingen sind sie im Nahverkehr von Backnang mit einer guten Verbindung übrigens 3,5 Stunden unterwegs. Dafür muss man drei Mal umsteigen. Nach Westerland auf Sylt ist es von Stuttgart Hauptbahnhof in rund 14,5 Stunden zu schaffen, mit sechs Mal umsteigen.
Darf ich mit dem 9-Euro-Ticket auch mit dem ICE reisen?
Nein, der Fernverkehr (zum Beispiel ICE, IC/EC oder Flixtrain) kann mit dem 9-Euro-Ticket nicht genutzt werden. Eine Ausnahme bilden die Intercity-Züge der Gäubahn (Stuttgart-Horb-Singen). Hier gilt das 9-Euro-Ticket. Darauf hatten sich das Verkehrsministerium und die Deutsche Bahn geeinigt.
Welche Bauarbeiten behindern derzeit den ÖPNV?
Die Deutsche Bahn-Tochter DB Netz AG hat angekündigt, bis Mitte Juni Strecken zu reparieren. Der private Bahn-Konkurrent SWEG Bahn Stuttgart kritisiert an der Aktion zwischen Stuttgart-Zuffenhausen und Kornwestheim, dass die Bahn diese "große Baumaßnahme ausgerechnet zum Start des 9-Euro-Tickets durchführt". SWEG rechnet mit "Ärger und Frust" unter seinen Fahrgästen.

Was bedeuten die Bauarbeiten der Bahn für Regionalzüge in Stuttgart?
Die SWEG teilt mit, dass Fahrten des RE 12 (Heilbronn - Tübingen) zwischen Heilbronn Hbf und Stuttgart bis 17. Juni ausfallen.
Für die Strecke zwischen Bietigheim-Bissingen und Stuttgart müssen Fahrgäste des RB 17a (Karlsruhe - Stuttgart), des RE 17b (Heidelberg - Stuttgart) sowie des RB 17c (Bruchsal - Stuttgart) für die gesamte Dauer der Bauarbeiten die S-Bahnlinie S5 nehmen. Nur der Zug 19542 (RB 17 a, ab Stuttgart um 5:15 Uhr) kann demnach wie üblich fahren.
Die Züge der Linie RB 18 (Osterburken - Stuttgart) werden bis zum 10.06. zwischen Esslingen (Neckar) und Ludwigsburg umgeleitet, sodass die Halte Stuttgart-Bad Cannstatt und Stuttgart Hauptbahnhof entfallen müssen.
Die SWEG rechnet wegen des 9-Euro-Tickets "mit einem Anstieg des Fahrgastaufkommens im Stuttgarter Netz/Neckartal, was wiederum zu einer hohen Auslastung der verbleibenden Verbindungen führen kann. Gruppenanmeldungen sowie Fahrradmitnahmen sind in den kommenden Monaten nur beschränkt möglich." Weitere Details will das Unternehmen auf seiner Website bekannt geben.
S-Bahnen in der Regionen Stuttgart fahren nicht wie üblich
Von Bauarbeiten sind außerdem bis zum 22. Juni die S-Bahnlinien S4, S5, S6 und S60 betroffen. Details dazu bietet der VVS auf seiner Website.

Zum Start des 9-Euro-Tickets: Bahn bereitet Bauprojekt vor
Außerdem hat die Deutsche Bahn angekündigt, bis 10. Juni zwischen Stuttgart-Zuffenhausen und Stuttgart-Feuerbach Gleis- und Weichenarbeiten vorzubereiten, die dann im Herbst stattfinden sollen. Das habe Folgen für Fernverkehrszüge wie den ICE und den IC.
Probleme auf touristischen Strecken PRO BAHN: 9-Euro-Ticket könnte BW-Strecken überlasten
Mit dem 9-Euro-Ticket will der Bund Pendlerinnen und Pendler entlasten. Doch der Fahrgastverband PRO BAHN warnt vor einer Überlastung touristischer Strecken.
Wie lange kann ich das 9-Euro-Ticket nutzen?
Das Ticket soll in der Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2022 gelten und das jeweils für einen Kalendermonat, also zum Beispiel vom 1. Juni bis 30. Juni. Wer es erst am 15. des Monats kauft, der kann es nur bis zum letzten Tag des Kalendermonats nutzen. Für den Juli und August können dann weitere 9-Euro-Tickets gekauft werden. Die Deutsche Bahn teilt mit, dass man über ihre App das Ticket auch direkt für drei Monate kaufen könne.

Kann ich Kinder, Hunde und Fahrräder mit dem 9-Euro-Ticket mitnehmen?
Kinder unter sechs Jahren können kostenlos mitfahren. Sie benötigen keine Fahrkarte, so die Deutsche Bahn. Ältere benötigen eine eigene Fahrkarte, also ein eigenes 9-Euro-Ticket.
Hunde darf man innerhalb des VVS-Gebiets mit dem 9-Euro-Ticket kostenlos mitnehmen. Reisende, die ihre Tiere auch in anderen Regionen und den Verkehrsverbünden dort mitnehmen wollen, sollten sich aber vorab über die jeweiligen Regelungen informieren. Wenn in einem Tarifgebiet die Mitnahme von Hunden kostenfrei möglich ist, ist dies auch im Aktionszeitraum des 9-Euro-Tickets möglich.
Auch bei Fahrrädern gelten die Regelungen der jeweiligen Verkehrsverbünde. Die Deutsche Bahn rechnet damit, dass es von Juni bis August in den Zügen sehr voll wird. Sie empfiehlt daher, lieber am Zielort ein Fahrrad auszuleihen. Außerdem gebe es keine Garantie, dass man die Fahrräder bei vollen Zügen auf jeden Fall mitnehmen dürfe.

Bekomme ich in Bus und Bahn überhaupt einen Sitzplatz?
Der VVS in Stuttgart warnt, dass es zu machen Zeiten in Bussen und Bahnen etwas enger werden könnte.
"Gerade am Wochenende und in den Pfingst- und Sommerferien werden die Bahn natürlich voller sein als unter der Woche."
Generell falle die Aktion mit dem 9-Euro-Ticket aber auf die Sommermonate. Das bedeute, dass im Vergleich zum Winter weniger Menschen mit den Zügen unterwegs seien. Außerdem seien die Busse und Bahnen des VVS im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie immer noch 20 bis 30 Prozent weniger stark ausgelastet.
Die Deutsche Bahn in Stuttgart teilte auf Anfrage mit, in Zeiten der Pandemie seien weit mehr als 700 neue und modernisierte Züge im Regionalverkehr eingesetzt worden. Sie geht davon aus, damit auch den Zeitraum des 9-Euro-Ticket stemmen zu können.

Fahren Busse und Bahnen wegen der vielen Leute öfter?
Nein, sagt der VVS. Der Grund ist, dass die Stadtbahnen in Stuttgart schon täglich im 10-Minuten-Takt im Einsatz seien. Bei den S-Bahnen in der Region sei das montags bis samstags im 15-Minuten-Takt und bei den Metropolexpresszügen täglich im 30-Minuten-Takt der Fall. Züge häufiger fahren zu lassen sei nicht möglich, weil die Streckeninfrastruktur durch das bestehende Angebot weitgehend ausgelastet sei.
Aber es wird trotzdem mehr Sitzplätze geben. So verstärkt die S-Bahn Stuttgart beispielsweise ihre Züge. So soll durch den Einsatz eines zweiten S-Bahn-Fahrzeugs das Platzangebot vor allem in der Nacht und an Wochenenden verdoppelt werden. Auch soll es mehr Personal in den Werkstätten und beim Reinigungspersonal geben, teilte die Deutsche Bahn mit.
Was ist, wenn ich schon eine Monats- oder Jahreskarte vom VVS habe?
Abonnentinnen und Abonnenten müssten nichts weiter unternehmen, teilt der Verkehrsverbund mit. Sie bekommen demnach von Juni bis August statt des normalen Preises nur neun Euro pro Monat abgebucht. Wer sein Jahres- oder Semesterticket im Voraus bezahlt hat, bekommt eine Erstattung. Die muss allerdings beantragt werden, da hier keine persönlichen Daten vorliegen.
Auch für Inhaberinnen und Inhaber von Firmentickets soll das Angebot der Bundesregierung gelten: Sie zahlen also wie alle anderen VVS-Stammkundinnen und -kunden nur neun Euro im Monat.
Was halten unabhängige Verkehrs-Fachleute vom 9-Euro-Ticket?
Der Fahrgastverband Pro Bahn rechnet mit einem Chaos: "Das ist eine Schnapsidee", kritisiert der BW-Landesvorsitzende Stefan Buhl das 9-Euro-Ticket. Er rechnet mit einem Gedränge in Bahn, Bus und Stadtbahn, aber auch auf der Nahverkehrsstrecke von Stuttgart in Richtung Bodensee.