Studentinnen suchen an der Universität in Freiburg mit Zetteln an einem Schwarzen Brett eine Wohnung. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Patrick Seeger)

WG-Zimmer dringend gesucht

Tausende Studierende zu Semesterbeginn in BW noch ohne Unterkunft

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Mirela Delić

Zu Beginn des neuen Semesters suchen immer noch tausende Studierende in Baden-Württemberg nach einem Wohnheimplatz oder einem WG-Zimmer. Die Not ist teilweise so groß, dass einige von ihnen auf Campingplätze ziehen.

Er ist nicht sehr anspruchsvoll, betont der Masterstudent Tim Schlosser. Ein kleines Zimmer mit 10 bis 15 Quadratmetern würde dem 21-Jährigen schon reichen. Wichtig: Über 500 Euro pro Monat darf es nicht kosten. Das ist sein Limit. Doch auch dafür sieht es auf dem Freiburger Wohnungsmarkt gerade schlecht aus.

Bisher hat er in Ulm gewohnt. Vor ein paar Wochen wurde er recht kurzfristig für den Studiengang Biochemie in Freiburg zugelassen. Seit Ende August sucht Schlosser deshalb dringend ein WG-Zimmer oder eine Wohnung. Doch die meisten Angebote sind längst weg. "Ich bewerbe mich bei fast jeder Wohnung, die online hochgeladen wird, aber es melden sich nur sehr wenige zurück", sagt der Student.

Tausende Studierende in BW suchen noch nach einer Unterkunft

Der 21-jährige Biochemiestudent ist nicht alleine. Konkrete Zahlen, wie viele Studierende gerade auf der Suche nach einer Unterkunft sind, sind schwer zu bekommen. Die meisten Studierenden suchen privat über Onlineportale wie "WG-Gesucht" oder über Freunde und Bekannte. Wer einen Platz in einem Wohnheim der Studierendenwerke ergattert hat, kann sich glücklich schätzen - denn das Angebot ist an vielen Standorten deutlich geringer als die Nachfrage.

Anfang des Semesters standen noch über 8.000 Studierende in Baden-Württemberg allein auf den Wartelisten für einen solchen Wohnheimplatz. Das haben sieben der acht Studierendenwerke in Baden-Württemberg - Stuttgart, Tübingen, Freiburg, Mannheim, Ulm, Karlsruhe und Bodensee - auf SWR-Anfrage mitgeteilt. Aus Heidelberg gab es zur genannten Frist keine Angaben.

Große Universitätsstädte wie Freiburg oder Stuttgart besonders betroffen

Auch Tim Schlosser hatte sich für ein Zimmer in einem Freiburger Wohnheim beworben. Doch er hatte kein Glück. Kein Wunder, denn besonders in den klassischen Universitätsstädten ist die Nachfrage hoch. In Freiburg musste laut Studierendenwerk 1.500 Bewerberinnen und Bewerbern abgesagt werden. "In Tübingen mussten wir schon Mitte August einen Bewerbungsstopp kommunizieren", sagte Philipp Mang vom Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim. 270 Studierende seien dort noch auf der Warteliste und hoffen im Nachrückverfahren doch noch einen Wohnheimplatz zu bekommen. In Karlsruhe sind es 1.050 und in der Stadt Stuttgart 2.020 Studierende.

Doch die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, denn unter den Bewerberinnen und Bewerbern befinden sich viele "Karteileichen". Wer Anfang Oktober noch auf einer Warteliste stand, wurde von den meisten Studierendenwerken angeschrieben und muss jetzt bestätigen, dass noch Interesse besteht. Das ist oft nur ein Bruchteil. Am Beispiel Mannheim bedeutet das: Zum 1. Oktober standen nach Angaben des dortigen Studierendenwerks noch 1.249 Bewerberinnen und Bewerber auf der Warteliste - bei nur acht freien Plätzen. Aktuell sind es 218, die sich bereits zurückgemeldet haben und weiterhin auf der Wohnungssuche sind.

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Bezahlbarer Wohnraum für Studierende - "Mangelware"

Dennoch zeigen die Zahlen einen Trend: Vielen Studierenden wird es weiter sehr schwerfallen, eine zu ihrem Budget passende Unterkunft zu finden - so auch Kaya Lange. Die 27-Jährige wohnt derzeit noch in Norddeutschland und beginnt ihr Masterstudium der Umweltwissenschaften Mitte Oktober in Stuttgart. Sie wünscht sich: "Eine kleine WG mit WG-erfahrenen Leuten, klein, möbliert, unmöbliert, alles egal". Nur die Nähe zur Uni Hohenheim sei ihr wichtig.

Auch sie hat keinen Wohnheimplatz bekommen. Die kosten laut Studierendenwerk in Stuttgart durchschnittlich 309 Euro. Auf dem freien Wohnungsmarkt kann man von so einer Miete zumeist nur träumen. Viele WG-Zimmer in Stuttgart kosten mittlerweile über 700 Euro. Das könnte sich die Studierende nur schwer leisten.

Dass es immer schwieriger und teurer wird, geeigneten Wohnraum zu finden, bestätigen Studien: Laut einem Report des Finanzkonzerns MLP und des Instituts der deutschen Wirtschaft waren 2021 Wohnungen in den untersuchten Städten im Schnitt 5,9 Prozent teurer als im Vorjahr. Das betrifft auch studentisches Wohnen. Im Falle von WG-Zimmern sind es sogar 9,4 Prozent mehr als 2020.

Das Deutsche Studentenwerk (DSW), der Dachverband der Studierendenwerke in Deutschland, spricht von einer "extrem angespannten" Situation: "Bezahlbarer Wohnraum für Studierende ist absolute Mangelware", sagte Matthias Anbuhl vom DSW.

Wohnungssuche nach Coronavirus-Pandemie schwerer geworden

Was die Lage dieses Jahr besonders schwer macht: Einige Studierende holen Umzüge nach, die sie wegen der Pandemie auf Eis gelegt hatten. Denn über die letzten zwei Jahre mussten viele Studierende wegen der coronabedingten Online-Vorlesungen nicht am Studienort wohnen. Das ändert sich wieder, bestätigt beispielsweise das Studierendenwerk Stuttgart. "Pandemiebedingt war in den vergangenen zwei Jahren ein Nachfragerückgang zu verzeichnen", sagte Pressesprecherin Anita Bauer. "Heute, zum Wintersemester 2022/23 befindet sich die Nachfrage nach studentischen Wohnplätzen wieder auf einem hohen Niveau."

"Die Studierenden sind zurück an den Hochschulen."

Das DSW fordert mehr finanzielle Unterstützung für Studierende und den verstärkten Bau von mehr Wohnraum. Pläne vom Bund dafür gibt es bereits. Die Ampel will 2023 ein Programm für junges Wohnen inklusive studentisches Wohnen an den Start bringen.

Bei den Studierendenwerken in Baden-Württemberg steht in den nächsten drei Jahren ebenfalls der Ausbau der Wohnheimplätze auf dem Plan. Nach Angaben des Wissenschaftsministeriums ist vor allem die Bereitstellung geeigneter Baugrundstücke eine Herausforderung. Das Land stellt den Studierendenwerken demnach landeseigene Grundstücke zu günstigen Konditionen zur Verfügung.

Außerdem, so das Ministerium, unterstütze man die Studierendenwerke im Land zu Beginn der Wintersemester bei Kampagnen, die private Vermieter anwerben sollen. So gewonnene Angebote werden dann auf Wohnplatzbörsen veröffentlicht.

Auch einige Städte, wie etwa Freiburg, rufen mit einer Plakataktion dazu auf, mehr Wohnraum für Studierende zur Verfügung zu stellen. Und auch dieses Jahr werden wieder Notunterkünfte für Studierende eingerichtet, die ganz leer ausgegangen sind.

Camping statt Wohnheim?

Doch auch die Studierenden werden kreativ bei der Suche nach Alternativen: Auf dem Freiburger Campingplatz Hirzberg mischen sich immer mehr von ihnen unter die Dauercamper. "Die Studenten suchen dringend eine Wohnung und in ihrer Not fragen sie bei uns an", sagte Julien Röslen, der Betreiber des Campingplatzes. "Wir stellen eine erhöhte Anfrage fest, aber können nicht alle bedienen." Viele wohnen dort in Wohnwagen oder in selbst ausgebauten Transportern - passend zum aktuellen Trend "Vanlife".

Für Tim Schlosser in Freiburg und Kaya Lange in Stuttgart wäre das erstmal nichts. Sie hoffen weiter, dass es mit einem üblichen WG-Zimmer klappt. Solange das noch dauert, können sie zum Glück erstmal beide bei Freunden unterkommen.

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