Der Untersuchungsausschuss soll schon am Donnerstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Er trägt jetzt den Titel "Inspekteur der Polizei & Beförderungspraxis". Das geht aus Mitteilungen der CDU- und Grünen-Fraktionen vom Mittwochnachmittag hervor. Sie hatten den vorgesehenen Namen "Machtmissbrauch" vor der Abstimmung kritisiert. Dieser könne nur als Provokation verstanden werden und mute hysterisch und aggressiv an, so der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Deuschle. Der Titel solle den Fokus eher auf die Beförderungspraxis in der Polizei lenken.
Die Abgeordneten beschlossen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses am Mittwochmorgen einstimmig. Als Vorsitzende des Untersuchungsausschusses wählten sie Daniela Evers (Grüne), Stellvertreter ist Boris Weirauch (SPD). Außerdem setzten die Regierungsfraktionen einen Zeitrahmen für den Ausschuss fest. Er soll bis längstens September 2023 dauern. Nach SWR-Informationen wird der Untersuchungsausschuss von der Landesregierung einen Bericht anfordern, der Grundlage für die weitere Arbeit ist. Möglicherweise sollen noch vor der Sommerpause erste Zeugen gehört werden.
Rülke spricht von "einmaligem Skandal in der Landesgeschichte"
Mit dem Untersuchungsausschuss gelte es, einen einmaligen Skandal in der Geschichte des Landes aufzuklären, so der Chef der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke vor der Abstimmung. Monatelang seien Staatsanwaltschaft, Medien und die Öffentlichkeit im Unklaren gelassen worden. Und dann plötzlich sei der Innenminister "aus dem Gebüsch" gekommen und habe erklärt: "Ich war es selbst. Der Täter ist überführt, aber er kann nicht bestraft werden, weil ich ja die Möglichkeit habe, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu überwinden."
Hildenbrand: "Werden uns an Aufarbeitung beteiligen"
Der Grünen-Innenpolitiker Oliver Hildenbrand kritisierte den Umgang der Opposition mit der Affäre. Mit Blick auf sexualisierte Gewalt sei der Wunsch nach Aufklärung sehr groß. In der öffentlichen Debatte seien solche übergeordneten Fragestellungen aber aus dem Blick geraten, weil der Fokus auf das Handeln des Innenministers verlegt worden sei.
"In einem Untersuchungsausschuss geht es nicht um Skandalisierung und Effekthascherei, sondern um Aufarbeitung - daran werden wir uns beteiligen."
Antrag kam noch am Dienstagabend auf die Tagesordnung
SPD und FDP hatten den Untersuchungsausschuss beantragt. Dabei soll es einerseits um die Vorwürfe des sexuellen Machtmissbrauchs des baden-württembergischen Polizeiinspekteurs gehen und die Frage beantwortet werden, wie er überhaupt in diese Position kam. "Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass die Besetzung der Position nicht so vonstatten gegangen ist, wie das erforderlich und üblich ist. Das ist aufzuklären", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Rülke im Vorfeld, für den der Untersuchungsausschuss "unausweichlich" war.
Stoch: "Sehr problematische Verhaltensweisen des Innenministers"
Doch geht es vor allem auch um die Rolle von Strobl bei der Aufarbeitung des Falles. Der Innenminister habe Recht gebrochen, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch. Man wolle mit dem Untersuchungssausschuss Transparenz schaffen, Rechtsverletzungen offen darlegen und dafür sorgen, dass auf Ebene der Landesregierung Konsequenzen gezogen werden.
"Wir werden uns natürlich in diesem Untersuchungsausschuss auch mit den sehr problematischen Verhaltensweisen des Innenministers, Herrn Strobl, beschäftigen", so Stoch. "Wir wollen vor allem wissen, wer zu welchem Zeitpunkt von diesen Verhaltensweisen von Herrn Strobl Kenntnis hatte."
Scharfe Kritik an Ministerpräsident Kretschmann
Rülke ging noch einen Schritt weiter und kritisierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) scharf. "Das sind Zustände, die wir uns in einem demokratischen Rechtsstaat eigentlich nicht wünschen und wir uns auch die Frage nach der Rolle des Ministerpräsidenten stellen", sagte er. Dessen Aufgabe sei es, dafür zu sorgen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit machen könne, so Rülke. Das sei nicht der Fall.
"Auch hier ist es notwendig, mit einem Untersuchungsausschuss Druck auszuüben, damit die Gewaltenteilung in diesem Land wieder funktioniert, damit es einer Regierung nicht gelingt, den Rechtsstaat aus den Angeln zu heben."
Das unterstrich auch der innenpolitische Sprecher der SPD im Landtag, Sascha Binder. "Der Ministerpräsident sieht nichts, hört nichts und sagt nichts. Deshalb ist es höchste Zeit, dass das Parlament aufklärt", sagte Binder.
FDP-Innenexpertin Julia Goll ergänzte: "Es geht nicht nur um die strafrechtliche Seite, sondern es geht auch um die politische Seite. Wer trägt hier die politische Verantwortung und sind Personen, die so handeln wie offenbar gehandelt wurde, politisch noch tragbar?"
Verletzung von Dienstgeheimnissen? Kretschmann sieht "politische Belastung" durch Strobl-Affäre
Ministerpräsident Kretschmann hat die Affäre um Innenminister Strobl und ein von ihm durchgestochenes Anwaltsschreiben als "politische Belastung" bezeichnet. FDP und SPD wollen nun einen Untersuchungsausschuss auf den Weg bringen.
Rülke will notfalls vor den Verfassungsgerichtshof
Des weiteren geht Rülke davon aus, dass die Regierungsfraktionen versuchen werden, "die Arbeit dieses Ausschusses zu behindern". Der Verdacht liege nahe, dass Strobl vieles zu verbergen habe. Daher werde man das Ganze "gegegebenfalls vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes durchsetzen".
Grüne und CDU wollen sich an Aufklärung beteiligen
Doch glaubt man den Grünen und der CDU, wird das nicht nötig sein. Sie wollen sich nach eigenen Angaben an der Aufklärung beteiligen. "Natürlich wird sich auch unsere Fraktion an einer fairen und transparenten Aufarbeitung der Vorkommnisse beteiligen und in einem Untersuchungsausschuss einen Beitrag zur Aufklärung leisten", teilte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Daniel Lede Abal, mit.
Andreas Deuschle (CDU), sagte der Deutschen Presse-Agentur, man werde den Ausschuss "unaufgeregt, gelassen und natürlich konstruktiv" angehen. Man respektiere das Recht der Opposition, einen Ausschuss einzusetzen. "Wie auch immer der konkrete Gegenstand des Untersuchungsausschusses lautet: Wir werden die Thematik sauber aufklären und uns dabei aber nicht von der Hysterie und dem oppositionellen Marktgeschrei von SPD und FDP anstecken lassen."
Was bisher geschah Die Affäre um Thomas Strobl und den Polizeiinspekteur von BW
Immer lauter werden die Vorwürfe gegen den Innenminister - auch der BW-Datenschutzbeauftragte hat sich geäußert. Dabei stand Strobl zunächst gar nicht im Fokus der eigentlichen Affäre.
Druck auf Strobl weiter hoch
Mit dem Untersuchungsausschuss halten die beiden Oppositionsparteien den Druck auf Strobl weiter hoch. Der CDU-Politiker hat ein Schreiben des Anwalts eines ranghohen Polizisten an einen Journalisten weitergeleitet. Gegen den Beamten wird wegen sexueller Belästigung ermittelt, er ist vom Dienst suspendiert.
Darum geht es konkret bei der Affäre um Innenminister Strobl:
Die Opposition hält Strobl vor, mit der Weitergabe des Schreibens mehrere Gesetze gebrochen zu haben. Nachdem Strobl Anfang Mai die Weitergabe des Schreibens eingeräumt hatte, leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts der Weitergabe verbotener Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen ein.