Abstimmung bei SPD-Basis startet

Zustimmung zu Koalitionsvertrag? SPD in Baden-Württemberg ist unentschlossen

Stand

Von Autor/in Ruben Moratz

Der Koalitionsvertrag steht. Ab Dienstag können SPD-Mitglieder darüber abstimmen. Die Jusos im Land sind skeptisch. Scheitert die neue Bundesregierung, bevor sie loslegen kann?

Irgendwo zwischen Wut, Verzweiflung und Trotz: So ist zurzeit die Stimmung beim Nachwuchs der SPD. In Esslingen am Neckar hat der Juso-Landesvorsitzende Daniel Krusic zum Diskussionsabend eingeladen. "Was zum… Koalitionsvertrag?" steht über der Veranstaltung. Die Anspielung auf den empörten Ausruf "Was zum Teufel?" ist nicht zufällig. Etwa 20 Jungsozialisten aus der Region sind der Einladung gefolgt. Dass es Redebedarf gibt, ist an dem Abend überdeutlich.

Der Unmut ist groß, der Frust nach dem 16-Prozent-Wahlergebnis sitzt tief. Und in ihren Händen liegt nun gewissermaßen das Schicksal der Bundesrepublik. Denn die SPD-Mitglieder, in Baden-Württemberg sind es etwa 31.000, entscheiden, ob ihre Partei mit dem vorliegenden Koalitionsvertrag in die Regierung eintritt.

Kritik an vielen Punkten des Koalitionsvertrags

Daniel Krusic will dem Vertrag nicht zustimmen. Ihm missfällt vor allem, dass die Verhandler den Acht-Stunden-Tag aufweichen wollen. Geplant ist, stattdessen eine Wochenhöchstarbeitszeit einzuführen. Krusic befürchtet, dass Arbeitnehmer so künftig zu deutlich mehr als acht Stunden Arbeit pro Tag gedrängt werden. Andere bemängeln, dass Bildung viel zu kurz komme im Koalitionsvertrag: In nur sieben Zeilen ist das Thema abgehandelt. Dabei bräuchte es dringend eine echt Bildungsreform, finden die Jusos.

Besonders hart ins Gericht gehen die Nachwuchs-SPDler aber mit den Migrationsplänen von Schwarz-Rot: Das sei AfD-Linie und missachte die Menschenwürde. In Esslingen kommen die Jusos mit ihrem Landesvorsitzenden zu einem klaren Ergebnis: Sie lehnen den Koalitionsvertrag ab. Es müsse zwingend neu verhandelt werden.

Im SWR-Interview am Dienstagabend ging Partei-Chefin Saskia Esken auf die Kritik der Jusos ein und betonte: "Wir haben gut verhandelt." Die 63-Jährige geht davon aus, dass die Parteibasis dem Koalitionsvertrag zustimme. Ob sie einen Ministerposten in der neuen Regierung anstrebe, ließ Esken offen. Mehr dazu hier im Video:

SPD-Landeschef wirbt für Zustimmung

Andreas Stoch, der Landesvorsitzende der SPD, sieht das anders. "Die Einigung von CDU/CSU und SPD birgt viele Chancen für unser Land. Wir können die Probleme in unseren Schulen und Kitas anpacken, den Wohnungsbau stärken und Arbeitsplätze sichern", so Stoch auf SWR-Anfrage.

Der Heidenheimer, der selbst Oppositionsführer im Landtag ist, verweist auf möglicherweise chaotische Zustände, sollte die schwarz-rote Regierung in Berlin nicht zustande kommen. Es drohten dann Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung, denn eine Koalition mit der AfD hatte die CDU ausgeschlossen - obwohl sie rechnerisch möglich wäre. Diese drohende Instabilität könnten "auch die größten Kritikerinnen und Kritiker des Koalitionsvertrags nicht wollen", so Stoch.

Andreas Stoch, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, stellt die Ergebnisse der Fraktionsklausur vor.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch ist für Schwarz-Rot im Bund. Er verweist auf möglicherweise chaotische Zustände, sollte die Koalition nicht zustande kommen.

Jusos in ganz Deutschland trommeln gegen den Vertrag

Während der Vorstand der Jusos in Baden-Württemberg erst am Dienstagabend eine Wahlempfehlung abgeben will, üben andere Juso-Landesverbände schon deutliche Kritik: Zunächst preschten die Bayern und Schleswig-Holsteiner am Wochenende vor und riefen zu einem Nein beim Mitgliederentscheid auf. Am Montag legte dann der Bundesvorsitzende Philipp Türmer nach. Das, was im Koalitionsvertrag stehe, reiche inhaltlich nicht für eine wirklich andere Politik, so der Juso-Chef. Besonders bei den Themen Asyl, Migration, Arbeit und Soziales gehe der Vertrag den falschen Weg. Den Finanzierungsvorbehalt nannte Türmer eine "tickende Zeitbombe".

Viele Jusos in Baden-Württemberg fragen sich indes, ob man mit Friedrich Merz einen verlässlichen Partner habe. Zum Beispiel sagte Merz über die angekündigte Senkung der Einkommenssteuer für kleinere und mittlere Einkommen, einem Herzensanliegen für zumindest linke Sozialdemokraten: "Nein, die ist nicht fix." Dabei heißt es im Koalitionsvertrag: "Wir werden die Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken." Auch beim Mindestlohn dämpfte der designierte Kanzler die SPD-Erwartungen.

Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der CDUCSU-Fraktion im Bundestag und Saskia Esken (SPD), Vorsitzende der SPD, geben sich die Hand
Wird Saskia Esken (SPD) in der Regierung von CDU-Chef Friedrich Merz Ministerin? Noch ist das offen.

SPD-Parteichefin Esken zeigt Verständnis für Jusos - doch ihr Stuhl wackelt

Derweil geht Co-Parteivorsitzende Saskia Esken auf die Kritikpunkte der verärgerten Jungsozialisten ein. Diese hätten "zu Recht" Kritik am Koalitionsvertrag, sagte Esken dem SWR am Dienstag. "Denn der besteht natürlich aus Kompromissen mit der Union und ist nicht SPD pur", so die Parteichefin. Für sie selbst könne sie aber sagen, dass man dem Koalitionsvertrag "als Gesamtwerk" zustimmen könne. "Wir können uns darauf einlassen, gemeinsam mit der Union gute Politik für das Land zu machen", so Esken.

Die Position der Parteivorsitzenden ist intern stark umstritten. Insbesondere der baden-württembergischen Landesverband und der linke Flügel der SPD fragen sich: Was wird aus Saskia Esken? Die Kritik an der Co-Parteichefin war nicht nur wegen des desaströsen Wahlergebnisses zuletzt lauter geworden. Schon länger gilt Esken bei ihren Kritikern als zu blass und nicht ministrabel. Immer wieder wurde die Calwerin auch von Parteigenossen zum Rücktritt aufgefordert. Aber auch ein Ministeramt scheint für Esken nicht ausgeschlossen. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der SPD-Frauen, Maria Noichl, sprach sich am Wochenende dafür aus. Esken habe "große Verdienste, die wir ihr gar nicht hoch genug anrechnen können", so Noichl.

Jusos-BW-Chef Daniel Krusic kann sich keine Ministerin Esken vorstellen und fordert nach der Wahlniederlage einen personellen Neuanfang an der Parteispitze: "Wir haben genug andere fähige Personen in der SPD, die nicht Lars Klingbeil oder Saskia Esken heißen."

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