Automatisierung der Landwirtschaft

Wie ein Roboter aus Karlsruhe bei der Spargelernte mithelfen soll

Stand

Von Autor/in Jochen Braitinger, Geli Hensolt

Roboter statt Erntehelfer: So stellt sich ein Karlsruher Start-up die Zukunft auf Spargelfeldern im Land vor. Und auch auf einem Wachtelhof bei Heilbronn könnte ein Roboter helfen.

Bis die grünen Stangen in der Gemüseabteilung im Supermarkt liegen, ist einiges an Arbeit nötig. Vor allem die Ernte des Spargels ist aufwendig und mühsam - und es fehlen Erntehelfer, auch in der Landwirtschaft in Baden-Württemberg. Da wäre es praktisch, wenn ein Roboter die Arbeit bei der Spargelernte erledigen könnte.

Das dachten sich auch junge Studenten aus dem Umfeld des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Hohenheim. Sie begannen an einer Maschine zu tüfteln, die mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) den Spargel auf den Feldern ernten soll.

Nun steht der Prototyp ihres Start-ups Prefiro - ein Kasten auf vier kleinen Rädern - auf dem Feld von Spargelbauer Thomas Meier in Stutensee-Staffort (Landkreis Karlsruhe). Ein Schneidkopf fährt nach unten, packt eine dünne grüne Stange und schneidet sie präzise ab. Dann fährt die Maschine mit dem Spargel nach oben und befördert ihn in eine Plastikbox.

Ein Roboter soll bei der Spargelernte unterstützen.
Ein Roboter soll bei der Spargelernte unterstützen. In der Mitte der Schneidkopf über der Box, in der der Spargel landet.

Bilderkennung für eine präzise Spargelernte per Roboter

Damit die Ernte präzise funktioniert, kommen Bilderkennung und maschinelles Lernen zum Einsatz. "Eine Kamera erkennt den Spargel und wir bekommen ein Bild", erklärt Prathik K. Murthy die dahinterliegende Bilderkennung. Er ist Software-Entwickler bei Prefiro. "Die künstliche Intelligenz markiert die Form des Spargels. So bekommen wir zum Beispiel die Krümmung und die KI teilt dem Robotersystem mit, wo sich der Spargel auf dem Feld befindet." Seit einem halben Jahr bringen die Tüftler ihrem Ernteroboter das Sehen und Denken bei, um zum Beispiel Größe und Durchmesser des Spargels selbständig herauszufinden.

Ein Bilderkennungsalgorithmus erkennt auf einem Foto von einem Spargelfeld, wo ein grüner Spargel in welcher Größe wächst.
Ein Bilderkennungsalgorithmus erkennt auf einem Foto von einem Spargelfeld, wo ein grüner Spargel in welcher Größe wächst.

Allerdings: Zwischen den Spargelstangen wächst auch Unkraut. Das vom Spargel zu unterscheiden, ist ein wichtiger Lernprozess - für Mensch und KI. Als Mensch bekomme man das oft genug erklärt, sagt Prefiro-Mitgründer Frieder Matter. "Nur lernen wir (Menschen, Anm. d. R.) das deutlich schneller und mit weniger Informationen." Der Computer muss mit mehr Informationen gefüttert werden, etwa zu Form und Farbe.

Jedes Mal, wenn wir auf dem Feld sind, nehmen wir neue Daten auf - und dann werden unsere Modelle immer besser.

So lernt die KI auch im Test bei Thomas Meier ständig dazu. "Jedes Mal, wenn wir auf dem Feld sind, nehmen wir neue Daten auf und dann werden unsere Modelle immer besser und verstehen immer besser, was der Spargel auf dem Feld überhaupt macht", sagt Prefiro-Co-Gründer Lorenzo Di Leo.

Ein Prototyp, der auf dem Acker stetig dazulernt

So zieht Thomas Meiers Traktor den Prototypen langsam über das Feld, damit dieser noch einiges von dem Landwirt lernt. Um - so die Hoffnung der Entwickler - bald genauso gut Spargel zu erkennen wie menschliche Erntehelfer.

Bei der händischen Ernte stoßen wir irgendwann mal an die Grenze, die Kosten laufen uns davon. Da muss irgendwas passieren.

Eine Hoffnung auch für Thomas Meier, bei dem aktuell vier bis fünf Beschäftigte den grünen Spargel ernten: "Bei der händischen Ernte stoßen wir irgendwann mal an die Grenze, die Kosten laufen uns davon. Da muss irgendwas passieren", sagt Meier und ergänzt mit Blick auf den Roboter auf seinem Feld: "Ich denke, wir sind momentan am Anfang der Entwicklung."

Der Roboter soll Spargel noch schneller ernten

Das räumt auch Lorenzo Di Leo ein. "Was die Motoren können, das schöpfen wir noch gar nicht aus. Also, wir sind noch nicht bei den Geschwindigkeiten, die das System schon kann", sagt er. Aktuell brauche der Roboter für den Ernteprozess fünf bis zehn Sekunden pro Spargelstange, "wir wollen aber langfristig auf eine Sekunde runter", so Di Leo.

Bei der Spargelernte wird auf einem Feld ein Roboter getestet.
Die Entwickler von Prefiro mit ihrem Ernteroboter auf dem Feld von Landwirt Thomas Meier

Mit Fördergeld aus zwei Programmen - "EXIST" vom Bundeswirtschaftsministerium und "Junge Innovatoren" vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg - arbeiten die jungen Gründer weiter an ihrem Spargelroboter. "Unser großes Ziel ist, dass wir 2026 die erste Maschine kommerziell beim Landwirt haben und er sie selber einsetzen kann", sagt Lorenzo Di Leo. Viel Zeit zum Training auf dem Feld hat der Ernteroboter erst mal nicht mehr: Mitte Juni endet in Baden-Württemberg die Erntezeit für Spargel.

Ein Roboter-Arm für den Wachtelhof

Der KI-gestützte Erntehelfer auf dem Spargelfeld ist nicht das einzige Projekt, das sich darum kümmert, wie Roboter künftig in der Landwirtschaft mithelfen könnten. Mit fehlenden Fachkräften hat auch Nico da Silva zu kämpfen, er führt einen Wachtelhof in Obersulm (Kreis Heilbronn) und sortiert dort Wachteleier. Die guten packt er in einen Eierkarton, die kaputten sortiert er aus - in Handarbeit. Etwa 1.000 Eier pro Woche.

Das kostet viel Zeit - in der da Silva als Chef Wichtigeres zu tun hätte, als stundenlang Eier zu sortieren. "Es gibt Tage, da bin ich nur im Stall und packe den ganzen Tag die Eier", berichtet da Silva. Da käme ein Roboter gerade recht, um ihn abzulösen. Ein Roboter wie der D-Bot von Delta Electronics, einem taiwanesischen Unternehmen mit Niederlassung in Stuttgart.

Ein Roboter-Greifarm von Delta
Der Roboter-Greifarm D-Bot von Delta

Deutschlandchef Michael Mayer-Rosa führt vor, was der D-Bot kann. Er sagt dem langen weißen Greifarm: "Pick Delta cube", also "Nimm Delta-Würfel" - und genau das macht der Roboter dann auch: Die Greifer am Ende des Arms packen aus einer Schale, die vor dem Greifarm steht, einen Würfel mit der Aufschrift "Delta".

Auch das Sortieren von Wachteleiern könnte D-Bot lernen, sagt Mayer-Rosa. Der Roboter würde entsprechend programmiert und mit Kameras und Sensoren ausgestattet - dann bekomme er das hin.

Fachkräfte fehlen? Ein Roboter "made in Baden-Württemberg" soll helfen

Delta könnte also einen D-Bot speziell für da Silva produzieren. Tatsächlich überlegt der Wachtelhof-Chef, ob er sich einen solchen Roboter zulegen soll - denn "Wachtelland" steht vor dem Problem, keine Mitarbeitenden zu finden, die so gut wie der Chef die Eier sortieren und verpacken können.

Genau dieses Problem - fehlende Fachkräfte in kleinen und mittelgroßen Unternehmen - will Delta Electronics mit seinem D-Bot angehen. Dort sei der Bedarf an Automatisierung groß, zumal in den kommenden Jahren viele Menschen in Rente gehen würden, sagt Mayer-Rosa. Zwar kostet ein Roboter erstmal viel Geld, aber langfristig könne die Produktion dadurch schneller und somit auch günstiger werden.

Delta stellt seine Roboter in Baden-Württemberg her, in Metzingen (Kreis Reutlingen). Auch weil sich die Kunden das laut Michael Mayer-Rosa wünschen - aus Datenschutzgründen. Die Kunden wollten sicher gehen, dass ihre Daten in Deutschland blieben. Zumal, wenn Roboter in Zukunft mit künstlicher Intelligenz gesteuert werden sollen. Dafür braucht man sehr viele Daten - und da sei "made in Baden-Württemberg" ein Wettbewerbsvorteil, sagt Mayer-Rosa.

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