Überall in Baden-Württemberg sind Teile der Infrastruktur veraltet und marode, weil über Jahrzehnte nicht viel investiert wurde. Abhilfe schaffen könnte ein für ganz Deutschland geplantes Sondervermögen für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro. Außerdem soll die Schuldenbremse für die Länder gelockert werden. Beides steht so im Sondierungspapier von Union und SPD, die die neue Bundesregierung stellen wollen. Am Mittwoch beraten die Bundesländer bei einer Ministerpräsidentenkonferenz darüber. Am Donnerstag soll das Finanzpaket ins Plenum des Bundestags eingebracht werden.
Verkehrsministerium will Geld für Bahn und Straßen
Bisher hält sich die Landesregierung bedeckt, wohin das Geld fließen könnte. Bedarf gibt es aber genug. "Das Sondervermögen muss zu einem deutlichen Zuwachs bei der Sanierung und Erneuerung von Bahn und Straße führen", teilte etwa Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auf SWR-Anfrage mit. Der Fokus muss für ihn dabei auf der Bahn liegen.
Das Verkehrsministerium verweist aber auch auf rund 660 Brücken im Land, die neu gebaut oder wieder in Stand gesetzt werden müssen. Das sei etwa jede zehnte Brücke. Manche Brückentypen gelten bei Experten zudem als "tickende Zeitbomben", weil von außen nicht sichtbar ist, ob das Material noch in Ordnung ist oder nicht. An der Südtangente in Karlsruhe wird so eine Brücke zum Beispiel gerade saniert. Auch die Donau-Brücke der Bundesstraße 27 bei Donaueschingen (Schwarzwald-Baar-Kreis) gehört laut Regierungspräsidium Freiburg zu den gefährdeten Brücken.
Noch viele Fragen zum Sondervermögen offen
Man nutze bisher die zur Verfügung stehenden Mittel möglichst effektiv, um die Verkehrsinfrastruktur nachhaltig zu sichern, so der Verkehrsminister. "Aber auch die aktuellen Unwetterschäden an Landesstraßen bringen uns finanziell weiter in Bedrängnis." Das Sondervermögen könnte aus Sicht von Hermann hier eine große Entlastung bringen. Noch seien aber viele Fragen offen, so der Grünen-Minister.
So viel Geld könnte BW bekommen
Auch wie viel Geld Baden-Württemberg am Ende bekommen könnte, steht noch nicht fest. Von dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für Infrastruktur sollen 100 Milliarden an die Länder gehen. Das Finanzministerium in Stuttgart geht derzeit davon aus, dass dieses Geld über den Königsteiner Schlüssel aufgeteilt werden wird. Das hieße, dass 13 Milliarden Euro verteilt auf zehn Jahre ins Land fließen könnten. Es gibt aber auch andere Ideen in Berlin, zum Beispiel bestimmte Projekte finanziell zu fördern.
Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte bereits am Wochenende gemeinsam mit zwei Ministern aus anderen Bundesländern gefordert, den Anteil des Sondervermögens für die Länder zu verdoppeln. Etwa 60 Prozent der staatlichen Infrastrukturinvestitionen würden von Ländern und Kommunen erbracht, sie sollten aber nur 20 Prozent der Mittel aus dem Sondervermögen erhalten, teilten die drei Grünen mit. Die Verteilung des Sondervermögens müsse den tatsächlichen Investitionsanteilen Rechnung tragen. Im Hinblick auf die Schuldenbremse will Bayaz abwarten, welche konkreten Änderungen des Grundgesetzes geplant sind und was das für das Land bedeutet.
Bayaz' Amtskollegin im Wirtschaftsministerium, Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), bezeichnete die geplanten Investitionen in die Infrastruktur als wesentliche Grundlage für den Standort Baden-Württemberg und seine Wettbewerbsfähigkeit. Die Gelder seien eine Investition in die Zukunft, sagte sie dem SWR:
Fraktionen im BW-Landtag wollen in Bildung investieren
Die Fraktionen im Landtag würden alle einen Teil des Geldes in die Bildung investieren. Dabei geht es unter anderem um die Erneuerung oder Sanierung von Schulgebäuden. Viele von ihnen wurden in der Nachkriegszeit in einfacher Bauweise errichtet. An der Albert-Schweitzer-Schule in Herrenberg (Kreis Böblingen) bröckelt nun zum Beispiel der Putz und durch die Wände ziehen sich tiefe Risse. Sanierung und Neubau sind schon beschlossen, aber das Geld fehlt.
Die Grünen-Fraktion will außerdem mehr für den Klimaschutz aufbringen, was schon jetzt Streitthema in der grün-schwarzen Landesregierung ist. Die SPD im Landtag macht sich für massive Investitionen in den Wohnungsbau stark. Aus Sicht der CDU-Fraktion braucht das Gesundheitswesen mehr Geld. Es geht dabei um Baumaßnahmen an Krankenhäusern und Pflegeheimen, aber genauso um die Digitalisierung. Zusätzliches Geld aus dem Sondervermögen begrüßen alle Fraktion. FDP und AfD im Landtag machen aber auch klar, dass sie die Schuldenbremse in Baden-Württemberg aufrechterhalten wollen.
Kommunen wollen mehr vom Kuchen abhaben
Der Gemeindetag Baden-Württemberg wünscht sich eine stärkere Gewichtung der Mittel in Richtung der Städte, Gemeinden und Landkreise. "Schließlich wird dort der größte Teil der öffentlichen Infrastruktur verantwortet", teilte ein Sprecher auf SWR-Anfrage mit. Man gehe hier von einem Investitionsstau in Höhe von rund 22 Milliarden Euro aus.
Pläne von Union und SPD Was bringt das Finanzpaket den Ländern?
Bei der Ministerpräsidentenkonferenz beraten die Bundesländer heute über das geplante Finanzpaket von CDU/CSU und SPD. Obwohl die Länder davon profitieren würden, ist ihre Zustimm…
Der Städtetag Baden-Württemberg fordert eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung der kommunalen Infrastruktur, insbesondere für den sozialen Wohnungsbau, die Digitalisierung von Schulen und den ÖPNV. In Tübingen hat der Gemeinderat wegen eines Haushaltslochs beispielsweise im Januar beschlossen, in Zukunft beim Busverkehr zu sparen. Teilweise werden Haltestellen gestrichen, auf manchen Linien fahren Busse seltener. Auch der städtische Zuschuss beim Deutschlandticket fällt nun kleiner aus.
Auch Klimaschutzmaßnahmen müssten planbar und finanzierbar sein, schreibt der Städtetag Baden-Württemberg auf SWR-Anfrage. "Städte dürfen nicht länger mit befristeten Programmen und unsicheren Finanzierungszusagen allein gelassen werden."