Ein Bild von Saskia Esken (SPD) hat zuletzt mehr als 800 Herzen auf Instagram gesammelt. Damit hat sie mehr als doppelt so viele Likes erhalten wie sonst für ihre Bilder. Darauf zu sehen ist die baden-württembergische Spitzenkandidatin der SPD mit einem Sticker. "Auf den Kanzler kommt es an“, steht darauf. Esken bringt es auf einem der Wahlplakate der SPD an, auf dem Olaf Scholz prangt. In gewisser Hinsicht ist das Foto doppeldeutig. Es vereint ein Wahlkampfmittel in dem anderen: das analoge Plakat im digitalen Post auf Instagram.
Längst nutzen Parteien nicht mehr nur klassische Medien wie das Wahlplakat, Fernsehen oder Radio, um auf ihre Kandidatinnen und Kandidaten aufmerksam zu machen. Vor der anstehenden Bundestagswahl am 26. September gehen sie auch in den sozialen Netzwerken auf Stimmenfang. Das hat mitunter einen Vorteil: Politikerinnen und Politiker können sich auf Facebook und Instagram so darstellen, wie sie es möchten. Auch die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien aus Baden-Württemberg sind bei Social Media aktiv - manche mehr, manche weniger.
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Saskia Esken zeigt sich auf Fotos bürgernah
Saskia Esken befindet sich von den Abonnentenzahlen her im Mittelfeld: Auf Facebook haben sie rund 7.000 Nutzerinnen und Nutzer abonniert, auf Instagram sind es etwa 2.000 weniger. Sie veröffentlicht sowohl Videos als auch Fotos, überwiegend zu sozialen Themen wie bezahlbarer Wohnraum und stabile Renten. Auf den Fotos zeigt sie sich bürgernah: mal im eigenen Wahlkreis Calw/Freudenstadt mit SPD-Flyern an der Haustür der Wählerinnen und Wähler, mal im Austausch mit Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern. Auf Kommentare der Userinnen und User reagiert Esken sporadisch.
Auch die Spitzenkandidatin der Grünen, Franziska Brantner, ist in den sozialen Netzwerken vertreten. Bei Facebook mit rund 2.400 Abonnenten und Instagram mit etwa 3.500 Abonnenten folgen ihr deutlich weniger Menschen als der SPD-Spitzenkandidatin. Dafür ist Brantner wesentlich aktiver. Bei Instagram hat die Grünen-Politikerin mit 438 Posts - hauptsächlich zum Thema Klimaschutz - fast vier Mal so viele wie Esken. In den Tagen vor der Bundestagswahl veröffentlicht sie zudem auf Facebook täglich mehrmals Fotos, Videos und Livestreams von ihrer Wahlkampftour durch Baden-Württemberg. Man sieht sie mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) posieren, unterwegs mit dem Fahrrad und zu Besuch in einer Kita.
Alice Weidel hat mit Abstand die meisten Follower
Allerdings erreicht Brantner mit ihrer regen Aktivität nicht so viele Follower wie der Spitzenkandidat der FDP, Michael Theurer. Bei Instagram hat der Landesvorsitzende zwar mit rund 3.300 Leuten etwas weniger Abonnenten. Dafür sind es bei Facebook mehr: 27.800 Leute haben seine Seite mit "gefällt mir“ markiert. Auch Theurer teilt Fotos, wenngleich sie eher klassisch gestaltet und Botschaften versehen sind, die Wahlplakaten ähneln. Der FDP-Politiker veröffentlicht auch reine Nachrichten - und erhält im Gegensatz zu den Spitzenkandidatinnen der SPD und Grünen öfter Zuspruch in den Kommentaren. Theurer legt Wert auf wirtschaftspolitische Themen: Entlastung von Steuern, Investitionen in Bildung und Digitalisierung sowie Bürokratieabbau.
Der Spitzenkandidat der Linken, Bernd Riexinger, wirbt ebenfalls in den sozialen Netzwerken um Wählerstimmen. Vor allem bei Facebook betreibt er das mit etwas mehr als 23.000 Followern relativ erfolgreich. Riexinger postet regelmäßig Fotos - und zeigt sich dabei besonders häufig auf Demonstrationen.
Die vier Kandidatinnen und Kandidaten sind in den sozialen Netzwerken länger aktiv als Alice Weidel, die Spitzenkandidatin der AfD. Dennoch übertrifft Weidels Followerzahl die der anderen deutlich: Fast 385.000 Menschen folgen ihr bei Facebook, rund 70.500 sind es bei Instagram. Weidel hat bei Facebook so viele Followerinnen und Follower wie sonst keine andere Politikerin aus Deutschland. Auffällig ist: Die Co-Vorsitzende der AfD ist weniger aktiv wie ihre Kontrahenten und Kontrahentinnen. Dennoch erreichen ihre Posts im Schnitt mehrere tausend Nutzerinnen und Nutzer. Das deutet auf eine besonders engagierte Community hin.
Rolle von Social Media im Wahlkampf ist gewachsen
"Die AfD hat früh und intensiv auf Social Media gesetzt“, sagt Rüdiger Schmitt-Beck, Politikwissenschaftler an der Universität Mannheim. Über die sozialen Netzwerke hätte die Partei über Jahre einen alternativen Kommunikationskanal aufgebaut, um ihre Anhängerschaft direkt und ungefiltert zu erreichen. "Deswegen hat auch die AfD insgesamt eine viel größere Gefolgschaft in den sozialen Medien als die anderen Parteien, die sich diesem Kanal verspätet und weniger entschlossen zugewandt haben", so Schmitt-Beck.
Dabei ist die Rolle von Social Media gerade im Wahlkampf zur diesjährigen Bundestagswahl bedeutender als sonst, wie eine Studie der Universität Hohenheim und des Forsa-Instituts hervorhebt. Grund dafür sei die Pandemie. Während beispielsweise die direkte Ansprache oder Podiumsdiskussionen mit Zuhörerinnen und Zuhörer coronabedingt kürzer kommen, spiele sich die politische Diskussion vermehrt digital ab.
Inbesondere AfD, FDP und Linke werben online
Der Einfluss von Social Media sei dabei insbesondere bei jüngeren Generationen groß, so die Studienautoren. Vor allem die 18- bis 29-Jährigen wollen etwas über die Kandidatinnen und Kandidaten in den sozialen Netzwerken erfahren, hauptsächlich auf bildbetonten Kanälen wie Instagram und Youtube. Das Interesse an politischer Information auf Social Media ist der Studie zufolge auch parteiabhängig. Während AfD-, FDP-, Grünen und Linke-Anhängerinnen und -Anhänger sehr aktiv sind, nehmen Sympathisantinnen und Sympathisanten der Volksparteien SPD und CDU den Wahlkampf nach wie vor überwiegend über Wahlplakate und das Fernsehen wahr.
Zumindest auf den Social Media-Seiten des baden-württembergischen Spitzenkandidaten der CDU, Wolfgang Schäuble, spiegelt sich das wider. Wie ein Sprecher von Schäuble betont, halte man es zwar für wichtig, in den sozialen Netzwerken präsent zu sein. Viele Menschen erreicht Schäuble dort allerdings nicht. Er hat mit Abstand die wenigsten Follower unter den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten: Auf Instagram folgen ihm knapp 2.200 Menschen. Dort veröffentlicht er erst seit Juni 2021 regelmäßig Bilder - mal mit seinem Handbike, mal auch nur ein Zitat. Schäuble hat außerdem eine Facebookseite. Dort haben den dienstältesten Parlamentarier jedoch nur knapp 1.000 Leute abonniert.