Mehr als 320.000 Fälle von Long Covid beziehungsweise Post Covid sind von Kassenärztinnen und Kassenärzten von Januar bis September diagnostiziert worden. Das hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) auf SWR-Anfrage mitgeteilt. Für das vierte Quartal 2022 liegen noch keine Zahlen vor. Erfasst sind in der Statistik sowohl Post- als auch Long Covid-Fälle: Das sind Fälle, bei denen Symptome einer Covid-Erkrankung noch für mehrere Wochen nach der Infektion vorliegen, aber auch Fälle mit dauerhaften Symptomen.
Bei rund 30.000 Menschen haben die Kassenärztinnen und Kassenärzte nach einer Corona-Infektion die Nervenerkrankung Myalgische Enzephalomyelitis (ME) oder eine dauerhafte schweren Erschöpfung, das Chronische Fatigue-Syndrom (CFS), festgestellt.
Was versteht man unter Long Covid?
Long Covid ist kein einheitliches Krankheitsbild. Deshalb ist die Diagnose häufig auch so schwer. Es gibt über 200 Symptome für Long Covid. Sie betreffen häufig gleich mehrere Organe, wie Lunge, Herz, den Magen-Darm-Trakt, Nieren oder die Leber. Aber auch Nerven, Muskeln oder die Atemwege können betroffen sein. Viele Long Covid-Patienten leiden unter einem Chronischen Erschöpfungssyndrom und sind dadurch im Alltag erheblich eingeschränkt. Über die Ursachen gibt es bisher nur Vermutungen: Eine Theorie lautet, dass das Virus weiterhin im Körper ist und sich dort auch weiterverbreitet. Ein anderer Verdacht ist, dass das Coronavirus bereits im Körper schlummernde andere Viren aktiviert und somit Autoimmunerkrankungen wie beispielsweise das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) oder Gürtelrose auslöst.
Symptome verschwinden häufig von alleine
Nach aktuellen Daten liegt das Risiko an Post- oder Long Covid zu erkranken nach einer Infektion mit der Omikron-Variante bei etwa 4,5 Prozent. Bei vielen Patientinnen und Patienten verschwinden die Symptome mit der Zeit von selbst wieder. Wirksame Therapien gibt es derzeit aber noch nicht.
Lange nicht im Fokus der Forschung
Bisher wird nur wenig auf diesem Gebiet geforscht und auch Diagnose- und Behandlungsoptionen sind unzureichend. Das Bundesgesundheitsministerium will 100 Millionen Euro in die sogenannte Versorgungsforschung stecken. Außerdem sind eine Beratungshotline und eine Informationsplattform geplant. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat im Februar bekannt gegeben, dass sie den vier Uni-Kliniken Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm zwei Millionen Euro für die weitere Erforschung von Long Covid zur Verfügung stellen will.