"Die Zeit drängt", heißt es in dem Brief des baden-württembergischen Staatsministeriums über die Europäische Medizinprodukteverordnung (MDR), der dem SWR vorliegt. Die hohen Zulassungsvoraussetzungen stellen die Firmen im Land demnach vor zu große Herausforderungen. Nach Ansicht der Landesregierung besteht die Gefahr, dass Produkte vom Markt verschwinden - und letztendlich Patientinnen und Patienten nicht optimal versorgt werden können. Sogar Todesfälle seien denkbar.
Zertifizierung dauert zu lange
Vor allem für Medizinprodukte, die nur selten zum Einsatz kommen - wie Stents oder Katheter für Babys, ist die Verordnung ein großes Hindernis. Die Zertifizierung dauere zu lange und binde zu viel Arbeitskraft, heißt es im Brief. Ein Problem vor allem für die kleinen und mittleren Medizin-Unternehmen im Land - und damit für den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg, den die Landesregierung vorantreiben will.
Das grundsätzliche Ziel der Europäischen Medizinprodukteverordnung ist Patientensicherheit im Sinne des EU-Vorsorgeprinzips. Dabei müssen Hersteller unter anderem mehr Daten erheben und dokumentieren, Nachweise liefern und - je nach Risikoklasse und Innovationsgrad - klinische Studien veranlassen.
Lauterbach muss sich für Verbesserungen einsetzen
Mit dem Schreiben an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) möchte das Staatsministerium mit Blick auf die anstehende Sitzung des Rates für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) am 14. Juni 2022 für eine starke Position der Bundesregierung im Sinne der Medizintechnik-Unternehmen werben.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann Winfried (Grüne) sagte dem SWR, es seien gute Rahmenbedingungen nötig, damit innovative Gesundheitsprodukte künftig nicht außerhalb der EU entwickelt würden. Für Verbesserungen soll sich jetzt Bundesgesundheitsminister Lauterbach auf EU-Ebene einsetzen, so die Bitte der Landesregierung.
Gesundheitswirtschaft im Land legt zu
Während sich Kretschmann um den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg sorgt, geht es in der Gesundheitsindustrie im Land bergauf. Die Gesundheitswirtschaft ist im zweiten Corona-Jahr 2021 stärker gewachsen als die Gesamtwirtschaft. Damit glich die Branche zumindest teilweise eine Delle des ersten Pandemiejahres 2020 aus, wie das Statistische Landesamt am Mittwoch mitteilte.