Schopper: "Es kann überall vorkommen, an jeder Schule"

Schulen in BW rüsten sich mit Konzept gegen sexualisierte Gewalt

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Janey Schumacher
Janey Schumacher

Laut BW-Kultusministerin sind pro Klasse ein bis zwei Schüler von sexualisierter Gewalt betroffen. Ein Schutzkonzept soll mehr Sicherheit bringen. Dass nicht mehr Geld fließt, sorgt für Kritik.

Mit Leitfäden, Fortbildungen und Interventionsplänen soll sexualisierte Gewalt an den Schulen in Baden-Württemberg besser bekämpft werden. Ein entsprechendes verbindliches Schutzkonzept für alle Schulen stellte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) am Dienstag in einer Schule in Leonberg (Kreis Böblingen) vor.

Statistisch gesehen seien pro Schulklasse ein bis zwei Schülerinnen und Schüler von sexualisierter Gewalt betroffen, so die Kultusministerin. Das könne und dürfe man nicht akzeptieren. Konkret sieht das neue Konzept etwa einen Interventionsplan vor, an dem sich Schulleitungen orientieren können, sollte es einen Verdachtsfall geben.

Schopper: Sexualisierte Gewalt werde oft bagatellisiert

Mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler hat das Ministerium Plakate im Comic-Stil erstellen lassen - etwa mit dem Spruch "Du darfst Nein sagen" oder "Wenn sich etwas falsch anfühlt, dann ist es auch falsch." Außerdem sollen Schulen Strukturen schaffen, um mit sexualisierter Gewalt umzugehen, Ansprechstellen und Ansprechpersonen ausweisen. Neue Stellen für psychologisches Fachpersonal oder zusätzliche finanzielle Mittel sind nicht vorgesehen.

Flyer des Kultusministeriums für die Grundschule.
Eins der Plakate der Kampagne des Kultusministeriums.

Häufig werde das Problem der sexualiserten Gewalt noch bagatellisiert und tabuisiert, sagte Schopper. Aber: "Es kann überall vorkommen, an jeder Schule", so die Kultusministerin. Besonders betroffen seien Kinder mit Handicap, mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen.

152 Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung an Schulen

Aber auch sonst fehle häufig noch das Bewusstsein für das Problem an den Schulen - Kinder und Jugendliche wüssten häufig nicht, dass sie Opfer geworden seien, sagte Schopper. Und bei Lehrkräften bestehe mitunter eine große Unsicherheit, was in einem Verdachtsfall zu tun sei. Auch müsse die Möglichkeit bestehen, falsch verdächtigte Personen zu rehabilitieren. "Das kann Leben zerstören", so Schopper. 

Im Jahr 2023 verzeichnete das Innenministerium 152 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung an Schulen. Für das vergangene Jahr liegen noch keine Zahlen vor.

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GEW: Schutzkonzepte "längst überfällig"

Die Gewerkschaft GEW begrüßt den Schritt der Ministerin, kritisiert aber, dass nicht die nötigen Ressourcen bereitgestellt werden. Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt an Schulen verbindlich zu machen, sei überfällig gewesen, sagte Monika Stein, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Dienstag in Stuttgart.

Die Rechtsverbindlichkeit müsse einhergehen mit einem Konzept zur Umsetzung, das auch die erforderlichen Ressourcen bereitstelle. Die Schulen und die entsprechenden Fachberatungsstellen bräuchten Unterstützung, so Stein. Die GEW hat sich nach eigenen Angaben für eine schulgesetzliche Verankerung des Themas seit über zehn Jahren eingesetzt. Für Jugendhilfeeinrichtungen sowie Vereine und Verbände gibt es bereits bundesweite Regelungen.

GEW: Viele Fälle finden unter Schülerinnen und Schülern statt

Dass Schutzkonzepte an Schulen gegen sexualisierte Gewalt an Schulen unumgänglich seien, habe mehrere Gründe. Nur ein Teil sei die Intervention bei Übergriffen an Schulen durch pädagogisches Personal. "Viele Fälle von sexualisierter Gewalt an Schulen finden unter Schülerinnen und Schülern statt. Dazu gehören Cybermobbing wie tätliche Übergriffe. Schutzkonzepte wirken immer auch präventiv. Wenn potentielle Täter und Täterinnen um Schutzkonzepte wissen, liegt die Hemmschwelle für Taten höher", so Stein.

Die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Katrin Steinhülb-Joos, forderte, dass "alle Schulen ausreichend ausgestattet werden und Hilfe von Fachberatungsstellen erhalten, damit sie die Konzepte erarbeiten und anwenden können". Zudem brauche es genauso dringend eine von Schulen unabhängige Anlaufstelle des Landes für betroffene Kinder und Jugendliche sexualisierter Gewalt an Schulen sowie für Erwachsene, die in der Vergangenheit Opfer solcher Gewalt geworden seien.

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