Ein Stift und Arbeitsblätter liegen vor einem Schüler. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliancedpa  Philipp von Ditfurth)

Auswertung der Vergleichsarbeiten an Schulen

BW-Gymnasiallehrerverband alarmiert: Gemeinschaftsschüler häufig unter dem Niveau anderer Schularten

Stand

Achtklässler in BW verfehlen laut den jüngsten Vergleichsarbeiten häufig Mindeststandards in Rechtschreibung und im Rechnen. Besonders auffällig sind die Gemeinschaftsschulen.

Achtklässlerinnen und Achtklässler an Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg haben nach Darstellung des Verbands der Gymnasiallehrer (Philologenverband PhV) bei den jüngsten Tests schlechter abgeschnitten als Kinder in vergleichbaren Klassenstufen auf Gymnasien, Real- und Werkrealschulen.

Gemeinschaftsschüler haben "schwächeren Wissensstand"

Die sieben Prozent der Gemeinschaftsschülerinnen und -schüler, die auf Gymnasialniveau unterrichtet werden, erreichten bei den jüngsten Vergleichsarbeiten (VERA) ein klar schwächeren Wissensstand als Schülerinnen und Schüler an Gymnasien, sagte Ralf Scholl, PhV-Landeschef, der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Stuttgart. Ähnlich sehe es bei den 41 Prozent der Gemeinschaftsschülerinnen und -schüler aus, die auf Realschulniveau unterrichtet werden. Auch auf Werkrealschulniveau schnitten die Gemeinschaftsschülerinnen und -schüler etwas schlechter ab als Kinder auf Werkrealschulen.

"In meinen Augen ist das ein Komplettversagen der Schulart Gemeinschaftsschule."

Ralf Scholl, Landesvorsitzender des Philologenverbands in Baden-Württemberg. Mann um die 50 mit schwarzen Haaren, grauem Musketierbart, rotem Hemd und grauem Sakko.  (Foto: SWR, Privat)
PhV-Landeschef Ralf Scholl fordert, das Niveau an den Gemeinschaftsschulen im Abschlussjahrgang mit normierten Tests noch einmal zu überprüfen.

Corona-Zeit: Aufgeholt in Englisch, abgesackt in Deutsch

Bei den am Freitag vorgestellten Vergleichsarbeiten hatte sich herausgestellt, dass die Achtklässlerinnen und Achtklässler in Baden-Württemberg über alle Schularten hinweg während der Corona-Jahre bei den Englischkenntnissen zwar aufgeholt haben, in ihren Deutschfähigkeiten aber deutlich abgesackt sind. 32 Prozent erreichten die Mindeststandards in Mathematik für den mittleren Schulabschluss nicht, 19 Prozent verfehlten die Standards für Rechtschreibung, 13 Prozent die Lese-Standards.

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PhV-Chef Scholl erklärte, es falle auf, dass eine deutlich höhere Zahl von Achtklässlerinnen und Achtklässlern in der Gemeinschaftsschule, die auf dem Niveau von Real- und Werkrealschule unterrichtet werden, bei der Rechtschreibung unterhalb des Minimalniveaus blieben. Überhaupt zeigten die Vergleichsdaten aus den vergangenen vier Jahren, "dass die Schüler an den Gemeinschaftsschulen nicht mehr lernen als die jeweils direkt vergleichbaren Schüler an den Werkrealschulen, Realschulen und Gymnasien, sondern deutlich weniger". Scholl sieht darin einen "Offenbarungseid der Schulform Gemeinschaftsschule".

GEW zur Kritik an Gemeinschaftsschulen: "Das ist Blödsinn"

Diese Pauschalkritik kann nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) so nicht stehen bleiben. "Das ist Blödsinn", sagte Landeschefin Monika Stein im Interview mit dem SWR. "Ralf Scholl haut immer gerne auf Gemeinschaftsschulen ein. Sie sind sein rotes Tuch."

Stein räumte zwar ein, dass es Probleme gebe. Teilweise sei aber auch die Politik dafür verantwortlich: "Gemeinschaftsschulen sind noch nicht so ausgestattet, wie sie ausgestattet sein sollten, um wirklich gut zu funktionieren." Als Beispiel nannte die GEW-Landesvorsitzende das Fehlen von Coaching-Stunden. Die seien noch nicht im Stundenplan verankert. "Die Lehrkräfte arbeiten oft über ihre eigenen Kraftgrenzen hinaus."

Die Bildungs-Gewerkschafterin forderte deshalb eine sehr gute Personalausstattung in den Gemeinschaftsschulen. Denn in diesen Einrichtungen würden Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Kontexten gemeinsam unterrichtet.

Auch Mathias Wagner-Uhl, Schulleiter in Neuenstein und Vorsitzender des Vereins für Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg, weist die Kritik an den Gemeinschaftsschulen zurück. Im Interview mit SWR4 Baden-Württemberg übte er zudem Kritik an dem aktuellen Vergleich.

Gemeinschaftsschule 2012 von Grün-Rot in BW eingeführt

Die damalige grün-rote Landesregierung hatte die Gemeinschaftsschule im Schuljahr 2012/2013 in Baden-Württemberg eingeführt. An den Gemeinschaftsschulen soll die individuelle Förderung im Zentrum stehen, zudem sollen Kinder und Jugendliche in unterschiedlichen Lerngruppen mit- und voneinander lernen. Lehrkräfte verstehen sich demnach als Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter.

PhV-Chef Scholl monierte, das Land investiere seit zehn Jahren massiv in diese Schulart, ohne die Resultate ordentlich zu überprüfen. Nach diesen Test-Ergebnissen müsse man sich fragen: "Sind da die Noten in den Mittleren-Reife-Zeugnissen der Gemeinschaftsschulen vielleicht deutlich besser als die tatsächlich gezeigten Leistungen?" Der Philologenverband forderte deshalb, dass die Leistungen der Schülerinnen und Schüler an den Gemeinschaftsschulen auch im Abschlussjahrgang jeweils noch einmal mit einem möglichst bundesweit normierten Test bewertet werden müssten. Nach Angaben des Kultusministeriums gibt es in Baden-Württemberg über 300 öffentliche und private Gemeinschaftsschulen.

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