Bei der Landtagsdebatte zum Antisemitismus in Baden-Württemberg am Donnerstag sind die Redner der Fraktionen mehrfach auf antisemitische Äußerungen des Autoren Richard David Precht, des bayerischen Vizeregierungschefs Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und der Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten von Fridays For Future rund um Greta Thunberg zu sprechen gekommen.
"Was mir Sorgen bereitet ist, dass der Antisemitismus in die Mitte unserer breiten bürgerlichen Gesellschaft Einzug gehalten hat", sagte Grünen-Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz. Es sei "etwas verrutscht", wenn ein "bekannter Fernsehphilosoph mit riesiger Reichweite unwidersprochen antisemitische Mythen und Stereotype nachplappern kann". Selbiges gelte, "wenn in unserem Nachbarbundesland ein stellvertretender Ministerpräsident offen antisemitische Aussagen ohne Konsequenzen als Jugendsünde abtun kann", spielte er auf Precht und Aiwanger an. Das mache deutlich, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem sei.
Stoch sieht Bildung als Schlüssel
Die Menschen jüdischen Glaubens in dieser Gesellschaft bräuchten "die Gewissheit, dass wir an ihrer Seite stehen", betonte SPD-Fraktionsvorsitzender Andreas Stoch. "Dummheit und Hass gehen Hand in Hand und deswegen ist Bildung der Schlüssel." Sonst würden laut Stoch Leerräume entstehen, die mit Unsinn besetzt werden, wie "kruden Verschwörungstheorien aus dem Mittelalter". Aussagen wie die von Precht - Stoch nannte ihn "Plauderer" - verbreiteten "Unwahrheiten über angebliche Vorschriften für gläubige Juden". Solche "Zerrbilder aus der Vergangenheit" seien "unverantwortlich - gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk".
Aras: "Gefahr für die Demokratie" Baden-Württemberg will Kampf gegen Antisemitismus stärken
Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) will mehr Geld für den Beauftragten der Landesregierung gegen Antisemitismus zur Verfügung stellen. Unterstützt wird das von vier Fraktionen.
Grünen-Politiker Schwarz sprach von einem "großen Dunkelfeld, in dem sich Antisemitismus ungehindert ausbreitet, wenn wir den Blick nur dorthin richten, wo er uns nur selbst nicht anklagt". Mit Bezug auf die aktuelle Debatte, die sich vor allem um Antisemitismus unter Migrantinnen und Migranten drehe, sagte er: "Wer antisemitische Ausländer abschieben will, aber bei antisemitischen Äußerungen in Deutschland wegschaut, der läuft Gefahr, das Problem zu verharmlosen." Antisemitismus lasse sich nicht abschieben.
Aufgabe für Einheimische und Migranten
FDP-Fraktionsvorsitzender Hans-Ulrich Rülke stellte fest: "Der Antisemitismus in diesem Land war nie tot, er ist nur sagbarer geworden". Es sei "ein Alarmsignal für diese Gesellschaft", wenn "ein bayerischer Politiker in seiner Jugend offenbar Antisemit war und er dafür in einer Wahl auch noch belohnt wird". Auch Fridays for Future international hätten sich seiner Ansicht nach mit judenfeindlichen Äußerungen ins Abseits gestellt: "Man muss sagen, dass Greta Thunberg derzeit das Klima nicht rettet, sondern es vergiftet", sagte Rülke.
Schwarz betonte, dass er Fridays for Future Deutschland dankbar sei, "dass sie sich schnell vom Antisemitismus der globalen Bewegung distanziert haben". Gegen Antisemitismus anzugehen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Eine "für Einheimische und Zugewanderte gleichermaßen", so Schwarz. Mit Ausnahme der AfD sahen dies alle Landtagsfraktionen so - auch CDU-Fraktionsvorsitzender Manuel Hagel. Für den AfD-Fraktionsvorsitzenden Anton Baron ist Antisemitismus dagegen vor allem ein Problem unter Migrantinnen und Migranten.